HochschulpolitikHessische Landesregierung sieht keine Hindernisse mehr für allgemeine Studiengebühren
In der hessischen Landesverfassung heißt es in Artikel 59:
- (1) In allen öffentlichen Grund-, Mittel-, höheren und Hochschulen ist der Unterricht unentgeltlich. Unentgeltlich sind auch die Lernmittel mit Ausnahme der an den Hochschulen gebrauchten. Das Gesetz muss vorsehen, dass für begabte Kinder sozial Schwächergestellter Erziehungsbeihilfen zu leisten sind. Es kann anordnen, dass ein angemessenes Schulgeld zu zahlen ist, wenn die wirtschaftliche Lage des Schülers, seiner Eltern oder der sonst Unterhaltspflichtigen es gestattet.
(2) Der Zugang zu den Mittel-, höheren und Hochschulen ist nur von der Eignung des Schülers abhängig zu machen.
Heute nun wurde das Rechtsgutachten vorgelegt, dass die Landesregierung dazu in Auftrag gegeben hatte. Demnach steht Studiengebühren nichts mehr Wesentliches im Wege. Es müsse lediglich gewährleistet sein, dass Studierwillige Kredite bekommen können, die es ermöglichen, die Studiengebühren erst nach dem Studium zurückzuzahlen. Desweiteren muss die Rückzahlung bei geringem Einkommen ausgesetzt werden können.
Im Grunde hat der Verfasser des Rechtsgutachtens, Prof. Dr. Christian Graf Pestalozza von der FU Berlin, damit genau die Rahmenbedingungen als ausreichend definiert, die sowieso auch vom Bundesverfassungsgericht bei seinem Urteil zum Hochschulrahmengesetz als nötig angedeutet hat (ohne dass dabei die hessische Landesverfassung eine Rolle gespielt hätte).
Gebührenkredite in allen Gebühren-Ländern Standard - aber zu unterschiedlichsten Detailbedingungen
Alle Bundesländer, die inzwischen schon Studiengebühren beschlossen haben (siehe unsere Studiengebühren-Übersicht) oder kurz davor stehen, sehen Kredite für Studierende vor, um die Studiengebühren erst nach dem Studium zurückzahlen zu müssen. Die Rückzahlung wird bei geringem Verdienst ausgesetzt. Die Altersgrenze, bis zu der ein Kredit gewährt wird, ist allgemein auf 35 Jahre begrenzt. Wer älter ist, muss also doch sofort Studiengebühren zahlen.
Ganz im Sinne des in den letzten Monaten besonders von CDU und FDP beschworenen Wettbewerbsföderalismus sind die Detailregelungen jedoch von Land zu Land unterschiedlich - was es für StudienanfängerInnen nicht gerade übersichtlich macht. So sind Studierende mit Kind von Studiengebühren ausgenommen - in einigen Ländern für ein paar Semester, in anderen vollständig. Aber mal mit einer Altersgrenze für die Kinder bei 14, anderswo bei 10. Auch ob und in welcher Höhe die Schulden aus Studiengebühren und BAföG gedeckelt werden, ist von Land zu Land unterschiedlich.
Dass Frauen vermutlich (wegen geringerer durchschnittlicher Einkünfte) in Zukunft länger an der Kreditrückzahlung knapsen müssen (hier also mal wieder eine Benachteiligung ins Spiel kommt) und ganz allgemein Studierende aus finanzschwachen Familien eben doch benachteiligt sind (da sie auch noch Zinsen zurückzahlen müssen - wohingegen anderen einfach die Gebühr gleich bezahlen und Schuldenfrei ins Arbeitsleben starten) - das scheint weder Politik noch Juristen zu stören.
Ein Detail wird Hessen - wenn es dem Gutachten folgt - möglicherweise anders lösen müssen, als die anderen Länder: Der Gutachter sieht nämlich Probleme bei Einrichtung eines Fonds, der die Ausfallrisken absichern soll. Ausfallrisiken ergeben sich ja allein dadurch, dass ein Teil der Studierenden ihr Darlehen nicht zurückzahlen wird - aus welchen Gründen auch immer (geringes Einkommen, Tod, Überschuldung). In den anderen Ländern, die Studiengebühren einführen, wird der Fonds einfach durch ein Teil der Studiengebühren gespeist (die damit faktisch für die Hochschulen nur zu einem Teil zugute kommen).
Hier sagt das Gutachten: "Ein solcher Fonds will sich nicht ohne weiteres in das Bild einer Studiengebühr einfügen. Der auf ihn entfallende rechnerische Anteil des Hochschulgeldes dürfte eine Sonderabgabe mit Finanzierungszweck darstellen, deren Statthaftigkeit insbesondere unter dem Aspekt der Homogenität nicht zweifelsfrei erscheint."
Man darf gespannt sein, ob die hessische Landesregierung darauf Rücksicht nimmt.
Hessen will schnell Gebührengesetz durchsetzen
Auch wenn die rot-grüne Opposition im hessischen Landtag angekündigt hat, gegen ein mögliches Studiengebührengesetz zu klagen - zunächst einmal wird die Landesregierung sich nicht bei der Verabschiedung eines Studiengebührengesetztes stoppen lassen und es auf Klagen ankommen lassen. Der Hessische Minister für Wissenschaft und Kunst, Udo Corts, kündigte an, dass die Landesregierung über das Thema Studiengebühren im Mai beraten und sogar gleich entscheiden werde.
Das studentische übergebühr-Webportal kommentiert: "Die Einführung von allgemeinen Studiengebühren in Hessen steht nun kurz bevor. Im Mai wolle die Landesregierung über die Einführung beraten - und auch gleich entscheiden. Widerstand aus den Reihen der CDU wird es wohl kaum geben. Schon bei der Einführung von Langzeitstudiengebühren handelte die CDU geschlossen, schnell und unnachgiebig."
Schließlich noch der Hinweis, dass das in diesem Artikel erwähnte Gutachten nur eine juristische Sichtweise ist - es gibt durchaus JuristInnen, die anderer Ansicht sind. So z.B. Arndt Schmehl, der z.Z. an der Uni Hamburg lehrt: Er hatte in der Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 18.10.2005 im Artikel "Zahlen soll, wer zahlen kann" seine Sicht der Dinge erläutert. "Wenigstens Bafög-Empfänger werden zu einem verfassungsrechtlich gebührenfrei bleibenden Kreis zu zählen sein." schreibt er.
- Hintergründe und mehr zum Thema
- Alle Gebührenregelungen in den Bundesländern im Überblick
- Studiengebühren bei sozialverträglicher Regelung auch in Hessen möglich (Pressemitteilung hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst, 10.04.2006)
- Landesverfassungsrechtliche Fragen eines Hochschulgeldes in Hessen (Das Gutachten als PDF-Dokument, 557 kB)
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