HochschulpolitikWeiteres Gutachten sieht NRW-Studiengebührengesetz als verfassungswidrig an
Schon Ende November hatte das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) ein Gutachten von Rechtsanwalt Achelpöhler vorgelegt, dass verfassungsrechtliche Bedenken gegen die geplanten Gebühren äußerte.
Im Gegensatz zum damaligen Gutachten sieht das heute vorgestellte weniger Angriffsflächen. Im ABS-Gutachten war z.B. auch bemängelt worden, dass auch schon Studierende von den Gebühren betroffen sein sollen, obwohl sie auf Grund der noch geltenden Studienkonten davon ausgehen konnten, ihr Studium ohne Gebühren abschließen zu können. Im aktuellen Gutachten wird lediglich die (sowieso zweifelhafte) "Wahlfreiheit" der Hochschulen, Gebühren nach eigenem Ermessen einzuführen, als verfassungswidrig angesehen (in dem Punkt besteht Einigkeit mit dem ABS-Gutachten).
Zitat aus der Zusammenfassung des aktuellen Gutachtens:
- Der Umstand, dass [der Gesetzentwurf] keine abschließende gesetzliche Gebührenregelung, sondern eine Ermächtigung der Hochschulen zur Gebührenregelung durch Satzung enthält, steht in Widerspruch zu zwei verfassungsrechtlichen Anforderungen: Zum einen widerspricht er dem Grundsatz, dass der parlamentarische Gesetzgeber in grundrechtsrelevanten Bereichen, zu denen insbesondere Fragen des Zugangs zur Hochschulausbildung zählen, die wesentlichen Fragen selbst regeln muss (Vorbehalt des Gesetzes). Zum anderen führt er zu einer Ungleichbehandlung der Studierenden/Studienbewerber (Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG).
Ministerium tut unbeeindruckt
Das Ministerium hingegen sieht weiterhin kein Problem mit dem Gesetz:
- Das heute vorgestellte Gutachten erklärt das geplante Studienbeitragsgesetz in allen Punkten für verfassungsgemäß - also auch in puncto Vertrauensschutz und Übergang von der Studienkontenfinanzierungsregelung der Vorgängerregierung - bis auf die Regelung, dass die Hochschulen selbst entscheiden können, ob und in welcher Höhe sie die Studienbeiträge erheben. Diese rechtlichen Bedenken teilt das Ministerium nicht. Es bleibt dabei: Das Gesetz wird sich in allen Punkten als gerichtsfest erweisen.
Wobei es nicht weiter verwunderlich ist, dass das Ministerium nicht von seinem Gesetz abrückt. Vermutlich wird im Ministerium tatsächlich die große Mehrheit an der verfassungsmäßgkeit des Gesetzes glauben - und selbst wenn das nicht (mehr) so wäre: Kurz vor der Abstimmung im Landtag wird man das kaum zugeben.
Klagen werden kommen
In jedem Fall dürfte es einige Klagen gegen das Gesetz geben. Die Grünen als kleine Fraktion könnten eine Verfassungsklage nicht einreichen, sie wären auf eine Unterstützung durch die SPD angewiesen, da mind. 20% der Abgeordneten müsste sich dieser Organklage anschließen.
Klagen können aber in jedem Fall Studierende, sobald sie erstmalig zahlen sollen. Das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) hatte mit der Vorstellung des eigenen Gutachtens auch betont, dass es Klagen unterstützen wird.
Man darf also gespannt sein ...
- Quellen und weitere Informationen
- Vorstellung eines neuen Gutachtens zum Studiengebührengesetz (PDF-Datei mit Zusammenfassung der Ergebnisse des Rechtsgutachtens, Grüne im Landtag NRW, 06.03.2006)
- Studienbeitragsgesetz wird sich als gerichtsfest erweisen
- Klagewelle gegen Studiengebühren? (29.11.2005)
- Übersicht: Studiengebühren in Deutschland (ständig aktualisiert)