HochschulpolitikNiedersachsen hat Studiengebühren eingeführt
Zwar hatten am gestrigen Donnerstag noch einige Tausend Studierende und SchülerInnen gegen Studiengebühren, aber auch die schon vollzogenen bzw. in den nächsten Jahren vorgesehenen Kürzungen im Hochschulbereich demonstriert. Wie zu erwarten, hat das nicht genügt, um die CDU/FDP-Koalition von ihrem Vorhaben, Studiengebühren - und erhöhte Gebühren für Langzeitstudierende - einzuführen, abzubringen.
Der Landtag hat heute mit den Stimmen der Koalition das Haushaltsbegleitgesetz 2006 beschlossen, dass u.a. auch die Regelungen für allgemeine Studiengebühren enthielt.
Nicht nur Gebühren, auch ein "Zukunftsvertrag" für die Hochschulen wurde beschlossen
Wissenschaftsminister Stratmann stellt den "Zukunftsvertrag" so dar, dass damit den Hochschulen Planungssicherheit gegeben werde. Mit den Studiengebühren würden sie dann sogar noch zusätzliche Mittel erhalten.
Das ist jedoch nicht die ganze Wahrheit. So mussten die Hochschulen (und auch die Studentenwerke) in den letzten Jahren massive Einsparungen verkraften, die insbesondere durch Personalabbau erbracht wurden.
Auch der Zukunftsvertrag sichert lediglich Zahlungen in Höhe derer von 2005 zu. Unter Berücksichtigung der Inflation sinkt der Haushalt der Hochschulen in den nächsten Jahren also. Bei den Mitteln für das Personal legt der Zukunftsvertrag fest, dass die Hochschulen jedes Jahr Steigerungen der Gehälter von bis zu 0,8% selbst tragen müssen. Dieses Geld fehlt dann an anderer Stelle oder - was wohl eintreten wird - das Personal wird weiter abgebaut bzw. einzelne Aufgaben von schlechter bezahlten Menschen übernommen.
Der Druck für einzelne MitarbeiterInnen in Hochschulen und Studentenwerke wird also weiter zunehmen. Vor allem darf man nicht vergessen, dass laut Kultusministerkonferenz die Studierendenzahl bis 2014 um bis zu 35% steigen könnte. Auch laut neuer Bundesregierung soll das Ziel ja sein, dass mehr Menschen ein Studium aufnehmen.
Niedersachsen teilt dieses Ziel offensichtlich nicht, sowohl Studiengebühren als auch die Kürzungen deuten eher auf das Gegenteil hin: Niedersachsen will weniger Studierende.
Wissenschaftsminister Stratmann sieht keine Probleme bei seinem Darlehensmodell
Eine Studie des FIBS, über die wir vor einigen Tagen berichteten, hatte einige Probleme des Gesetzentwurfes aufgezeigt, insbesondere beim Darlehensmodell. Auch das konnte Wissenschaftsminister Stratmann nicht aufhalten, im Gegenteil er pickte sich tags darauf aus der Studie lieber die Stellen heraus, die ihm eher positiv erschienen.
In der Studie wurde aufgezeigt, dass je nach Höhe der Zinsen die Rückzahlung sehr lange dauern oder gar unmöglich wäre. Stratmann wendete dagegen ein, das Land würde die Zinsen doch bei 9% deckeln. Wobei man vermuten kann, dass die Deckelung nicht durch zusätzliche Gelder des Landes, sondern durch die GebührenzahlerInnen selbst aufzubringen wäre - von den Gebühren würde einfach weniger an die Hochschulen gehen, um die Zinsen zu finanzieren. Im Gesetz selbst jedenfalls steht zu den Zinsen nichts.
Das Regelungen für das Studiengebühren-Darlehen sehen vor, dass man höchstens 15.000 Euro zurückzuzahlen habe - inkl. BAföG-Schulden (wobei hier nur die BAföG-Schulden aus dem Staatsdarlehen gemeint sind, wer auch noch Studienabschlusshilfe braucht, macht noch weitere Schulden!). Ganz zu schweigen von Menschen, die privatwirtschaftliche Studienkredite aufnehmen müssen - denen hilft die Schulden-Grenze nicht, da sie sich ja nur auf BAföG (und da nur auf das Staatsdarlehen) und Studiengebühren-Kredit bezieht, nicht aber auf andere Darlehen.
Die Szenarien der erwähnten FIBS-Studie, bei denen von Rückzahlungsdauern von weit über 25 Jahre die Rede war, können durch die Schuldenbegrenzung daher real nicht zustande kommen. Allerdings müsste in all diesen Fällen der Fonds einspringen, den die Hochschulen selbst aus den Gebühren zu bestücken haben.
Kurz gesagt, bedeutet das einfach ein Verschieben von Lasten in die Zukunft. Insbesondere, wenn die Zinsen stärker steigen sollten, würde ein Großteil der Studiengebühren für die Zinsen und Ausfälle aufgebraucht. Logische Folgerung: Erhöhung der Gebühren ...
Nebenbei bemerkt wird es von allen Ländern, die Studiengebühren planen, offenbar eigene Darlehensmodelle geben. Von der allgemeinen Verwirrung abgesehen, die das bei Betroffenen, die das Land wechseln, auslösen wird, könnte das auch juristischen Ärger geben - die StudiengebührengegnerInnen werden sicher jede Möglichkeit zu Klagen nutzen.
Ein historisches Datum
Für StudiengebührenbefürworterInnen wie -gegnerInnen wird der 09.12.2005 in Erinnerung bleiben als der Tag, an dem erstmalig wieder allgemeine Studiengebühren konkret beschlossen wurden - mehr als drei Jahrzehnte nach ihrer bundesweiten Abschaffung.
"Das ist ein schwarzer Tag für die Chancengleichheit in Deutschland. Die Studiengebührenfreiheit war historisch eine große gesellschaftliche Errungenschaft", kommentierte Jochen Dahm, Geschäftsführer des Aktionsbündnis gegen Studiengebühren.
Genau genommen hatte das Saarland schon vor einiger Zeit die Erhebung von allgemeinen Studiengebühren in seinem Universitätsgesetz möglich gemacht - ohne jedoch irgendwelche Details zu klären. Insbesondere war damit nicht verbunden, dass die Einführung konkret terminiert wurde, inzwischen heißt es, im Saarland sollen Gebühren ab Wintersemester 2007/2008 kommen. Das erste konkrete Gesetz mit allem drum und dran (von den noch zu ergänzenden Verordnungen abgesehen) hat daher tatsächlich Niedersachsen beschlossen.
Quellen und weiteres
- Niedersachen will als ersten Bundesland allgemeine Studiengebühren beschließen (mit mehr Details zum Gesetz, 06.12.2005)
- Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2006 (Landtag Niedersachsen Drs. 15/2431)
- Abschluss eines Zukunftsvertrages mit den niedersächsischen Hochschulen (Antrag der Landesregierung, Drs. 15/2288)
- Schwarzer Tag für Chancengleichheit (Pressemitteilung des Aktionsbündnis gegen Studiengebühren, 09.12.2005)
- Studiengebühren in Deutschland - Übersicht über Pläne und Beschlossenes (wird ständig aktualisiert)