Zusammenfassung Wahlprüfsteine HochschulpolitikWas die Parteien nach der Bundestagswahl vor haben
In den folgenden Abschnitten sind die entscheidenden Zitate aus den Antworten der Parteien wiedergegeben. Teilweise sind sie ergänzt durch eine Erläuterung oder einen Kommentar. Die Reihenfolge der Parteien innerhalb der einzelnen Punkte ergibt sich aus dem Eingang der Antworten, sie stellt keine Wertung dar.
Bildungspolitik - noch mehr Ländersache?
Bildungs- und Hochschulpolitik ist traditionell vor allem Ländersache, der Bund hat nur eine (seit dem Studiengebührenurteil eher noch eingeschränktere) Kompetenz für eine Rahmengesetzgebung. Der Bund kann jedoch beim BAföG und beim Hochschulbau durch Finanzzuschüsse Einfluß nehmen. Aber auch das BAföG wird zum Teil von den Ländern finanziert (35%), Gesetzesänderungen müssen vom Bundesrat bestätigt werden.
Die Einstellung der Parteien zum gewünschten Einfluß des Bundes auf die Bildungs- und Hochschulpolitik ist daher für die Zukunft nicht unwichtig, denn wenn der Bund sich weiter aus diesem Bereich zurückzieht, spielen die Einstellungen der Bundesparteien im Bereich Bildungs- und Hochschulpolitik weniger eine Rolle, da der Bund dann sowieso kaum Gestaltungsspielraum genießt. Dann hängt alles von den einzelnen Ländern ab (und deren Fähigkeit, gewisse Dinge doch gemeinsam zu regeln - ohne den Bund).
Linkspartei.PDS
"Der Bund muss die Verantwortung in entscheidenden bildungspolitischen Fragen übernehmen." - also offenbar eher mehr Einfluss des Bundes.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
"(Der Bund) soll finanzielle Mitwirkungsmöglichkeiten und eine Rahmenkompetenz im Bildungsbereich (behalten), insbesondere bei Qualitätssicherung und Transparenz in den Verfahren." - etwa gleichbleibender Einfluss, vielleicht mit anderen Schwerpunkten als heute.
CDU/CSU
"Wir wollen den Föderalismus im Bildungswesen zu einem Wettbewerbsföderalismus ausbauen." - also noch weniger Einfluß des Bundes.
FDP
"Das Hochschulrahmengesetz (HRG) ist auf Kernbereiche zu konzentrieren. Die FDP tritt für einen vollen Wettbewerb in der bundesrepublikanischen Hochschullandschaft ein. Die ZVS wird nach den Vorstellungen der FDP abgeschafft." - deutlich weniger Einfluss des Bundes gewünscht.
SPD
"Wir brauchen mehr Klarheit in der Verantwortung und mehr Klarheit in der Kooperation zwischen Bund und Ländern und damit auch mehr Effizienz in unserem föderalen Staatsaufbau. Wir wissen: Bei den guten und erfolgreichen Programmen in Bildung und Hochschule arbeiten Bund und Länder zusammen." - eigentlich keine Antwort, denn ob und in welche Richtung sich die Verantwortung zwischen Bund und Ländern verschieben soll, wird nicht gesagt.
BAföG / Studienfinanzierung
Im Rahmen der geplanten Einführung von Studiengebühren in einigen Bundesländern steht auch im Raum, das BAföG durch andere Formen der Studienfinanzierung zu ergänzen oder gar zu ersetzen.
Linkspartei.PDS
"Es muss eine ausreichende Ausbildungsförderung ohne Rückzahlungsverpflichtungen geben. Denkbar wäre eine Art Grundstipendium unter Berücksichtigung sozialer Belange." - das wäre im Prinzip ein Ausbau des BAföGs.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
"Das BAföG wollen wir zu einer elternunabhängigen Unterstützung umbauen." - was allerdings in der Antwort der Grünen nicht angesprochen wird, man aber durch Analyse diverser Vorschläge in den letzten Jahren vermuten kann, ist dabei der Umbau auf ein Volldarlehenssystem bzw. eine einkommensabhängige Rückzahlung. Damit ließe sich Rückzahlungssumme nicht vorher bestimmen, viele heutige BAföG-Empfänger müssten mehr als bisher zurückzahlen.
CDU/CSU
"Die CDU befürwortet eine Kombination von BAföG, Bildungssparen, Bildungsdarlehen (...) bei einkommensabhängiger Darlehensrückzahlung. (...) Ein leistungsabhängiges Stipendiensystem mit Unterstützung aus privaten Mitteln sollte diese Maßnahmen wirkungsvoll ergänzen." - Aus diesen Aussagen könnte man die Gefahr ableiten, dass das BAföG nur noch stiefmütterlich behandelt und die anderen Formen der Studienfinanzierung stärker gefördert würden. Bildungssparen kommt für sozial schwache Familien wohl kaum in Frage - soziale Gerechtigkeit scheint dieses Konzept nicht gerade zu berücksichtigen.
FDP
"Das BAFöG muss solange erhalten bleiben, bis die Grundsicherung durch das Liberale Bürgergeld gesichert ist. (...) Anstelle von Grundsicherung, Sozialhilfe (ohne Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen),Wohngeld, Arbeitslosengeld II oder eben auch BAföG erhält der Bedürftige das Bürgergeld als "negative Einkommensteuer" vom Finanzamt. Studienkredite können ein solches System sinnvoll ergänzen, aber nicht ersetzen." - faktisch würde die FDP also offenbar das BAföG erhalten wollen.
SPD
"Wir halten am BAföG, so wie es jetzt ist, fest." - was leider auch heißt, dass die bestehenden Nachteile des BAföGs erhalten bleiben (Elternabhängigkeit, teilweise sehr geringe Freibeträge, Altersgrenzen und teilweise unrealistische Annahmen über die Lebenssituation der Auszubildenden)
Studiengebühren
Insbesondere, seit das Bundesverfassungsgericht im Januar diesen Jahres dem Bund versagt hat, ein Gebührenverbot im Hochschulrahmengesetz zu regeln, ein heißes Thema.
Linkspartei.PDS
"Die Linkspartei.PDS lehnt Studiengebühren aus prinzipiellen gesellschafts-, sozial- und bildungspolitischen Gründen ab." - eine klare Aussage, in Berlin hat die PDS übrigens in ihrer Koalition mit der SPD auch Langzeitstudiengebühren verhindert (wobei der PDS-Wissenschaftssenator diese durchaus akzeptiert hätte).
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
"BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lehnen Studiengebühren für das Erststudium ab." - was jedoch weder Langzeitstudiengebühren noch Gebühren für ein Zweitstudium ausschließt. Und im Extremfall sogar Gebühren für das Masterstudium zulässt (was bspw. die Grünen aus Baden-Württemberg vorgeschlagen haben).
CDU/CSU
"Die CDU befürwortet eine Kombination von BAföG, Bildungssparen, Bildungsdarlehen und Entgelten bei einkommensabhängiger Darlehensrückzahlung sowie Freiplätzen für Begabte und Bedürftige." - das böse Wort Studiengebühren wird zwar vermieden, mit "Entgelten" ist aber nichts anderes gemeint und wird eindeutig befürwortet.
FDP
"Die Hochschulen müssen die Freiheit haben, Studienentgelte zu erheben, um ihr Lehrangebot zu verbessern." - siehe CDU.
SPD
"Wir halten an unserem Grundsatz fest: das Erststudium bleibt frei von Studiengebühren." - die SPD meint damit sowohl Bachelor- als auch Masterstudium, schließt damit aber Langzeitstudiengebühren und Zweitstudiumsgebühren nicht aus. In Ihrer Antwort betonte die SPD übrigens nochmals ihr Bemühen (zusammen mit den Grünen), das Studiengebührenverbot (für das Erststudium) im Hochschulrahmengesetz festzuschreiben - was ja aber durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gescheitert ist.
Mitsprache der Studierenden, Struktur der Hochschulen
In fast allen Bundesländern gibt es die sogenannte "Verfasste Studierendenschaft", also die Selbstverwaltung der Studierenden, die (meist) von StuPa und AStA wahrgenommen werden. Dazu gehört desweiteren die Finanzhoheit, d.h. das Recht dieser Gremien, Semesterbeiträge festzulegen, die die Studierenden zur Finanzierung der Selbstverwaltung bezahlen müssen und ein (hochschulpolitisches Mandat, also die Vertretung der Studierenden in (hochschul)politischen Fragen.
Linkspartei.PDS
"Die Linkspartei.PDS ist für eine verfasste Studierendenschaft! (...) Hochschulen sollen Körperschaften öffentlichen Rechts bleiben. Sie bedürfen jedoch neben der Verbesserung der Finanzausstattung einiger Korrekturen. Die Autonomie der Einrichtungen und die Ausprägung der inneren Demokratie müssen deutlich gestärkt werden."
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
"Von der Öffentlichkeit kaum beachtet hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil Ende Januar 2005 auch entschieden, dass der Bund nicht im Hochschulrahmengesetz vorgeben darf, dass die Hochschulen verfasste Studierendenschaften haben müssen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bedauern diese Entscheidung sehr. Wir werden in den Ländern weiterhin für den Erhalt bzw. die Einführung von verfassten Studierendenschaften kämpfen.
(Zur Struktur der Hochschulen:) Autonomie stärken, Abhängigkeit von der Kultusbürokratie sinnvoll verringern (...) - nicht auf Kosten der hochschulinternen Demokratie (...)
CDU/CSU
"Die Leitung der Hochschule muss gegenüber der Ministerialverwaltung mehr unternehmerische Gestaltungsfreiheit bekommen. Dabei muss es klare persönliche Verantwortlichkeiten und unabhängige interne wie externe Kontrollen geben. Die staatlichen Finanzzuweisungen sollen in Form von Globalhaushalten erfolgen. Hochschulen sollen ihre Gremienstrukturen zugunsten von mehr Selbstverantwortung und mehr Effizienz reformieren." - Auffällig: kein Wort zur studentischen Mitbestimmung.
FDP
"Deutschlands Hochschulen benötigen erheblich mehr Autonomie. Die Rechtsform der Stiftung ist dafür geeigneter als die der Körperschaft. Wir wollen, dass die Hochschulen in einen Wettbewerb um die Studierenden eintreten. Dies wird durch die von uns gewünschte Bindung eines erheblichen Teils der Finanzzuweisungen an die Studierendenzahlen erreicht. Die innere Verfassung und das Mitbestimmungsrecht der Studierenden werden dabei zu einem Wettbewerbs- und Qualitätsfaktor. Der Staat sollte sich dabei keinesfalls einmischen - weder in Gestalt des Bundes noch in Gestalt der Länder." - Autonomie über alles, Wettbewerb vor Demokratie.
SPD
"Wir sind der Auffassung, dass dies eine demokratische Selbstverständlichkeit ist. Studierende brauchen für ihren Einsatz und ihr Engagement eine institutionelle Absicherung, schließlich erbringen die Studierendenschaften zudem erhebliche Beratungs- und Betreuungsleistungen und sie haben umfassendes Wissen über die Studiensituation an der jeweiligen Hochschule." - klares Votum für eine verfasste Studierendenschaft (nebenbei erinnerte die SPD auch in dieser Antwort daran, dass sie im Hochschulrahmengesetz die Festschreibung der VS wollte und auch hier das Bundesverfassungsgericht die Regelung kassiert hat). Was in der Antwort fehlt, ist eine Aussage zur Struktur der Hochschulen an sich.
Hochschulfinanzierung
Alle Parteien sind sich einig, dass für Bildung im allgemeinen und Hochschulen im speziellen mehr Geld zur Verfügung stehen sollte. Teilweise werden sie auch etwas konkreter - die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt aber leider, dass in der Relität wenig geschieht. Die rot-grüne Bundesregierung hat in den letzten 7 Jahren sogar noch eher überdurchschnittlich viel getan.
Linkspartei.PDS
"Die Hochschulen brauchen vor allem eine bedarfsgerechte Finanzausstattung durch die öffentliche Hand. Momentan ist Hochschul-Finanzpolitik Mangelverwaltung. Die Linkspartei.PDS fordert (...) eine deutliche Erhöhung des Anteils der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt."
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN halten die gemeinsame Finanzierung von Hochschulbau und Forschung durch Bund und Länder für sinnvoll und notwendig. Allerdings müssen die Vergabeverfahren dringend auf den Prüfstand. Hier muss Bürokratie abgebaut und leistungsfeindliches Länderproporzdenken reduziert werden."
CDU/CSU
"CDU und CSU werden deshalb die jährlichen Investitionen in Forschung und Entwicklung zusätzlich zur beschlossenen Exzellenzinitiative um eine Milliarde Euro erhöhen. Dies wird durch den Abbau von Subventionen finanziert. Unser Ziel: Deutschland muss ab 2010 einen Anteil von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts jährlich in Forschung und Entwicklung investieren."
FDP
"Eine Mitfinanzierung des Hochschulbaus durch den Bund bleibt daher nach Ansicht der FDP zumindest für größere Vorhaben notwendig. Die Forschungsfinanzierung muss in jedem Fall weiterhin gemeinschaftlich erfolgen und aufgestockt werden."
SPD
"Wir werden zusätzlich zu unseren Vorschlägen zum Subventionsabbau (z.B. Abschaffung der Eigenheimzulage) weitere Mittel dadurch mobilisieren, dass hohe Einkommen ab 250.000 Euro (Ledige)/500.000 (Verheirate) Euro mit einem Steuerzuschlag von 3 % stärker zur Finanzierung von notwendigen staatlichen Aufgaben - vor allem für Bildung und Forschung - herangezogen werden."
Studierendenquote, Frauenquote
Die Frage bezog sich zwar insbesondere auf den Frauenanteil im Hochschulwesen, der vor allem im Bereich der ProfessorInnenschaft sehr niedrig ist. Es war aber auch nach der (im internationalen Vergleich eher geringen) Studierendenquote insgesamt gefragt und ob diese nicht auch zu steigern sei. Gerade auf die letzte Fragen gingen viele Parteien leider gar nicht ein.
Linkspartei.PDS
Die Linkspartei.PDS nutzte diesen Punkt für einen Rundumschlag an Vorschlägen, wie mehr Menschen zur Hochschulreife und dann auch zum Studium gebracht werden kann: "Langfristig: gebührenfreie Kitaplätze für alle Kinder. (...) Langes gemeinsames Lernen in einer integrativen Gemeinschaftsschule von Klasse 1 bis Klasse 10. Ein ausgewogenes Netz von Ganztagsangeboten und Ganztagsschulen.
Dann, wenn in Schule die Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen entdeckt und richtig gefördert werden, wird es auch mehr junge Erwachsene geben, die aufgrund ihres Abschlusses, ihres erworbenen Wissens und ihrer individuellen Fähigkeiten in der Lage sind, eine Hochschule zu besuchen.
Nach wie vor liegt die Kinderbetreuung in vielen Fällen in den Händen der Frauen, weshalb eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Studium und Kindererziehung besonders den Frauen zugute kämen. (Und vielleicht mehr Männer davon überzeugen würde, sich ebenfalls mehr in der Kindererziehung zu engagieren.)"
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
"Wir setzen uns deswegen für das Weiterlaufen des Bund-Länder-Programms zur "Förderung der Weiterentwicklung von Hochschule und Wissenschaft sowie Realisierung der Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre" ein. Außerdem haben wir im Pakt für Forschung und Innovation und in der Exzellenzinitiative die Chancengerechtigkeit der Geschlechter zu einem der Förderkriterien gemacht."
CDU/CSU
"Auch in Deutschland muss es leichter und sogar üblich werden, Familie und wissenschaftliche Karriere zu verbinden. Deshalb bauen in den dafür zuständigen Ländern die unionsgeführten Regierungen Ganztagsangebote bedarfsorientiert aus. Zusätzlich forcieren wir den Ausbau der Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Dabei setzen wir auf Wahlfreiheit. Flexibel arbeitende Wissenschaftlerinnen brauchen ein breites Spektrum an Möglichkeiten."
FDP
"Durch die von der FDP geforderte erhebliche Verbesserung besonders der vorschulischen Bildung, aber auch der Schulen wird sich das Bildungsniveau insgesamt heben. Wie schon vorher ausgeführt, rechnen wir daher mit weiter steigenden Studierendenzahlen. Auch der Anteil der Frauen bei den Professorenstellen steigt deutlich an, wenn auch von sehr niedrigem Niveau aus: Von 1994 bis 2004 stieg er von 8% auf 14%. Dies deutet darauf hin, dass die durch die Länder und die Hochschulen selbst eingeleiteten Frauenförderungsmaßnahmen greifen. Eine Beschleunigung dieser Entwicklung wird von uns begrüßt, sie muss im Rahmen der Autonomie der Hochschulen stattfinden."
SPD
"Wir werden erstmals einen "Bericht zur Gleichstellung von Frauen und Männern" vorlegen und in einer nachfolgenden Regierungserklärung die sich daraus ergebenden Konsequenzen darlegen. Wir wollen, dass Frauen die gleichen Karrierechancen und den gleichberechtigten Zugang zu Führungspositionen in der Wirtschaft, in der Wissenschaft und in der Forschung erhalten. Wenn dies auf freiwilliger Basis nicht umgesetzt wird, werden wir verbindliche Regelungen schaffen."
Diskussionsbedarf?
Wer die Antworten der Parteien oder überhaupt rund um die Bundestagswahl diskutieren möchte, kann dies in unserem Forum "Bildungs- und Hochschulpolitik" in dem ein extra Thread zum Thema Bundestagswahl eingerichtet ist.
» Wahlprüfsteine - Einleitungsartikel (mit Links zu allen Artikeln mit Antworten)
- Die ausführlichen Antworten der Parteien
- Linkspartei.PDS
- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
- CDU/CSU
- FDP
- SPD
Bildungspolitik - noch mehr Ländersache?
Bildungs- und Hochschulpolitik ist traditionell vor allem Ländersache, der Bund hat nur eine (seit dem Studiengebührenurteil eher noch eingeschränktere) Kompetenz für eine Rahmengesetzgebung. Der Bund kann jedoch beim BAföG und beim Hochschulbau durch Finanzzuschüsse Einfluß nehmen. Aber auch das BAföG wird zum Teil von den Ländern finanziert (35%), Gesetzesänderungen müssen vom Bundesrat bestätigt werden.
Die Einstellung der Parteien zum gewünschten Einfluß des Bundes auf die Bildungs- und Hochschulpolitik ist daher für die Zukunft nicht unwichtig, denn wenn der Bund sich weiter aus diesem Bereich zurückzieht, spielen die Einstellungen der Bundesparteien im Bereich Bildungs- und Hochschulpolitik weniger eine Rolle, da der Bund dann sowieso kaum Gestaltungsspielraum genießt. Dann hängt alles von den einzelnen Ländern ab (und deren Fähigkeit, gewisse Dinge doch gemeinsam zu regeln - ohne den Bund).
Linkspartei.PDS
"Der Bund muss die Verantwortung in entscheidenden bildungspolitischen Fragen übernehmen." - also offenbar eher mehr Einfluss des Bundes.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
"(Der Bund) soll finanzielle Mitwirkungsmöglichkeiten und eine Rahmenkompetenz im Bildungsbereich (behalten), insbesondere bei Qualitätssicherung und Transparenz in den Verfahren." - etwa gleichbleibender Einfluss, vielleicht mit anderen Schwerpunkten als heute.
CDU/CSU
"Wir wollen den Föderalismus im Bildungswesen zu einem Wettbewerbsföderalismus ausbauen." - also noch weniger Einfluß des Bundes.
FDP
"Das Hochschulrahmengesetz (HRG) ist auf Kernbereiche zu konzentrieren. Die FDP tritt für einen vollen Wettbewerb in der bundesrepublikanischen Hochschullandschaft ein. Die ZVS wird nach den Vorstellungen der FDP abgeschafft." - deutlich weniger Einfluss des Bundes gewünscht.
SPD
"Wir brauchen mehr Klarheit in der Verantwortung und mehr Klarheit in der Kooperation zwischen Bund und Ländern und damit auch mehr Effizienz in unserem föderalen Staatsaufbau. Wir wissen: Bei den guten und erfolgreichen Programmen in Bildung und Hochschule arbeiten Bund und Länder zusammen." - eigentlich keine Antwort, denn ob und in welche Richtung sich die Verantwortung zwischen Bund und Ländern verschieben soll, wird nicht gesagt.
BAföG / Studienfinanzierung
Im Rahmen der geplanten Einführung von Studiengebühren in einigen Bundesländern steht auch im Raum, das BAföG durch andere Formen der Studienfinanzierung zu ergänzen oder gar zu ersetzen.
Linkspartei.PDS
"Es muss eine ausreichende Ausbildungsförderung ohne Rückzahlungsverpflichtungen geben. Denkbar wäre eine Art Grundstipendium unter Berücksichtigung sozialer Belange." - das wäre im Prinzip ein Ausbau des BAföGs.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
"Das BAföG wollen wir zu einer elternunabhängigen Unterstützung umbauen." - was allerdings in der Antwort der Grünen nicht angesprochen wird, man aber durch Analyse diverser Vorschläge in den letzten Jahren vermuten kann, ist dabei der Umbau auf ein Volldarlehenssystem bzw. eine einkommensabhängige Rückzahlung. Damit ließe sich Rückzahlungssumme nicht vorher bestimmen, viele heutige BAföG-Empfänger müssten mehr als bisher zurückzahlen.
CDU/CSU
"Die CDU befürwortet eine Kombination von BAföG, Bildungssparen, Bildungsdarlehen (...) bei einkommensabhängiger Darlehensrückzahlung. (...) Ein leistungsabhängiges Stipendiensystem mit Unterstützung aus privaten Mitteln sollte diese Maßnahmen wirkungsvoll ergänzen." - Aus diesen Aussagen könnte man die Gefahr ableiten, dass das BAföG nur noch stiefmütterlich behandelt und die anderen Formen der Studienfinanzierung stärker gefördert würden. Bildungssparen kommt für sozial schwache Familien wohl kaum in Frage - soziale Gerechtigkeit scheint dieses Konzept nicht gerade zu berücksichtigen.
FDP
"Das BAFöG muss solange erhalten bleiben, bis die Grundsicherung durch das Liberale Bürgergeld gesichert ist. (...) Anstelle von Grundsicherung, Sozialhilfe (ohne Sozialhilfe in besonderen Lebenslagen),Wohngeld, Arbeitslosengeld II oder eben auch BAföG erhält der Bedürftige das Bürgergeld als "negative Einkommensteuer" vom Finanzamt. Studienkredite können ein solches System sinnvoll ergänzen, aber nicht ersetzen." - faktisch würde die FDP also offenbar das BAföG erhalten wollen.
SPD
"Wir halten am BAföG, so wie es jetzt ist, fest." - was leider auch heißt, dass die bestehenden Nachteile des BAföGs erhalten bleiben (Elternabhängigkeit, teilweise sehr geringe Freibeträge, Altersgrenzen und teilweise unrealistische Annahmen über die Lebenssituation der Auszubildenden)
Studiengebühren
Insbesondere, seit das Bundesverfassungsgericht im Januar diesen Jahres dem Bund versagt hat, ein Gebührenverbot im Hochschulrahmengesetz zu regeln, ein heißes Thema.
Linkspartei.PDS
"Die Linkspartei.PDS lehnt Studiengebühren aus prinzipiellen gesellschafts-, sozial- und bildungspolitischen Gründen ab." - eine klare Aussage, in Berlin hat die PDS übrigens in ihrer Koalition mit der SPD auch Langzeitstudiengebühren verhindert (wobei der PDS-Wissenschaftssenator diese durchaus akzeptiert hätte).
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
"BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lehnen Studiengebühren für das Erststudium ab." - was jedoch weder Langzeitstudiengebühren noch Gebühren für ein Zweitstudium ausschließt. Und im Extremfall sogar Gebühren für das Masterstudium zulässt (was bspw. die Grünen aus Baden-Württemberg vorgeschlagen haben).
CDU/CSU
"Die CDU befürwortet eine Kombination von BAföG, Bildungssparen, Bildungsdarlehen und Entgelten bei einkommensabhängiger Darlehensrückzahlung sowie Freiplätzen für Begabte und Bedürftige." - das böse Wort Studiengebühren wird zwar vermieden, mit "Entgelten" ist aber nichts anderes gemeint und wird eindeutig befürwortet.
FDP
"Die Hochschulen müssen die Freiheit haben, Studienentgelte zu erheben, um ihr Lehrangebot zu verbessern." - siehe CDU.
SPD
"Wir halten an unserem Grundsatz fest: das Erststudium bleibt frei von Studiengebühren." - die SPD meint damit sowohl Bachelor- als auch Masterstudium, schließt damit aber Langzeitstudiengebühren und Zweitstudiumsgebühren nicht aus. In Ihrer Antwort betonte die SPD übrigens nochmals ihr Bemühen (zusammen mit den Grünen), das Studiengebührenverbot (für das Erststudium) im Hochschulrahmengesetz festzuschreiben - was ja aber durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gescheitert ist.
Mitsprache der Studierenden, Struktur der Hochschulen
In fast allen Bundesländern gibt es die sogenannte "Verfasste Studierendenschaft", also die Selbstverwaltung der Studierenden, die (meist) von StuPa und AStA wahrgenommen werden. Dazu gehört desweiteren die Finanzhoheit, d.h. das Recht dieser Gremien, Semesterbeiträge festzulegen, die die Studierenden zur Finanzierung der Selbstverwaltung bezahlen müssen und ein (hochschulpolitisches Mandat, also die Vertretung der Studierenden in (hochschul)politischen Fragen.
Linkspartei.PDS
"Die Linkspartei.PDS ist für eine verfasste Studierendenschaft! (...) Hochschulen sollen Körperschaften öffentlichen Rechts bleiben. Sie bedürfen jedoch neben der Verbesserung der Finanzausstattung einiger Korrekturen. Die Autonomie der Einrichtungen und die Ausprägung der inneren Demokratie müssen deutlich gestärkt werden."
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
"Von der Öffentlichkeit kaum beachtet hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil Ende Januar 2005 auch entschieden, dass der Bund nicht im Hochschulrahmengesetz vorgeben darf, dass die Hochschulen verfasste Studierendenschaften haben müssen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bedauern diese Entscheidung sehr. Wir werden in den Ländern weiterhin für den Erhalt bzw. die Einführung von verfassten Studierendenschaften kämpfen.
(Zur Struktur der Hochschulen:) Autonomie stärken, Abhängigkeit von der Kultusbürokratie sinnvoll verringern (...) - nicht auf Kosten der hochschulinternen Demokratie (...)
CDU/CSU
"Die Leitung der Hochschule muss gegenüber der Ministerialverwaltung mehr unternehmerische Gestaltungsfreiheit bekommen. Dabei muss es klare persönliche Verantwortlichkeiten und unabhängige interne wie externe Kontrollen geben. Die staatlichen Finanzzuweisungen sollen in Form von Globalhaushalten erfolgen. Hochschulen sollen ihre Gremienstrukturen zugunsten von mehr Selbstverantwortung und mehr Effizienz reformieren." - Auffällig: kein Wort zur studentischen Mitbestimmung.
FDP
"Deutschlands Hochschulen benötigen erheblich mehr Autonomie. Die Rechtsform der Stiftung ist dafür geeigneter als die der Körperschaft. Wir wollen, dass die Hochschulen in einen Wettbewerb um die Studierenden eintreten. Dies wird durch die von uns gewünschte Bindung eines erheblichen Teils der Finanzzuweisungen an die Studierendenzahlen erreicht. Die innere Verfassung und das Mitbestimmungsrecht der Studierenden werden dabei zu einem Wettbewerbs- und Qualitätsfaktor. Der Staat sollte sich dabei keinesfalls einmischen - weder in Gestalt des Bundes noch in Gestalt der Länder." - Autonomie über alles, Wettbewerb vor Demokratie.
SPD
"Wir sind der Auffassung, dass dies eine demokratische Selbstverständlichkeit ist. Studierende brauchen für ihren Einsatz und ihr Engagement eine institutionelle Absicherung, schließlich erbringen die Studierendenschaften zudem erhebliche Beratungs- und Betreuungsleistungen und sie haben umfassendes Wissen über die Studiensituation an der jeweiligen Hochschule." - klares Votum für eine verfasste Studierendenschaft (nebenbei erinnerte die SPD auch in dieser Antwort daran, dass sie im Hochschulrahmengesetz die Festschreibung der VS wollte und auch hier das Bundesverfassungsgericht die Regelung kassiert hat). Was in der Antwort fehlt, ist eine Aussage zur Struktur der Hochschulen an sich.
Hochschulfinanzierung
Alle Parteien sind sich einig, dass für Bildung im allgemeinen und Hochschulen im speziellen mehr Geld zur Verfügung stehen sollte. Teilweise werden sie auch etwas konkreter - die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt aber leider, dass in der Relität wenig geschieht. Die rot-grüne Bundesregierung hat in den letzten 7 Jahren sogar noch eher überdurchschnittlich viel getan.
Linkspartei.PDS
"Die Hochschulen brauchen vor allem eine bedarfsgerechte Finanzausstattung durch die öffentliche Hand. Momentan ist Hochschul-Finanzpolitik Mangelverwaltung. Die Linkspartei.PDS fordert (...) eine deutliche Erhöhung des Anteils der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt."
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN halten die gemeinsame Finanzierung von Hochschulbau und Forschung durch Bund und Länder für sinnvoll und notwendig. Allerdings müssen die Vergabeverfahren dringend auf den Prüfstand. Hier muss Bürokratie abgebaut und leistungsfeindliches Länderproporzdenken reduziert werden."
CDU/CSU
"CDU und CSU werden deshalb die jährlichen Investitionen in Forschung und Entwicklung zusätzlich zur beschlossenen Exzellenzinitiative um eine Milliarde Euro erhöhen. Dies wird durch den Abbau von Subventionen finanziert. Unser Ziel: Deutschland muss ab 2010 einen Anteil von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts jährlich in Forschung und Entwicklung investieren."
FDP
"Eine Mitfinanzierung des Hochschulbaus durch den Bund bleibt daher nach Ansicht der FDP zumindest für größere Vorhaben notwendig. Die Forschungsfinanzierung muss in jedem Fall weiterhin gemeinschaftlich erfolgen und aufgestockt werden."
SPD
"Wir werden zusätzlich zu unseren Vorschlägen zum Subventionsabbau (z.B. Abschaffung der Eigenheimzulage) weitere Mittel dadurch mobilisieren, dass hohe Einkommen ab 250.000 Euro (Ledige)/500.000 (Verheirate) Euro mit einem Steuerzuschlag von 3 % stärker zur Finanzierung von notwendigen staatlichen Aufgaben - vor allem für Bildung und Forschung - herangezogen werden."
Studierendenquote, Frauenquote
Die Frage bezog sich zwar insbesondere auf den Frauenanteil im Hochschulwesen, der vor allem im Bereich der ProfessorInnenschaft sehr niedrig ist. Es war aber auch nach der (im internationalen Vergleich eher geringen) Studierendenquote insgesamt gefragt und ob diese nicht auch zu steigern sei. Gerade auf die letzte Fragen gingen viele Parteien leider gar nicht ein.
Linkspartei.PDS
Die Linkspartei.PDS nutzte diesen Punkt für einen Rundumschlag an Vorschlägen, wie mehr Menschen zur Hochschulreife und dann auch zum Studium gebracht werden kann: "Langfristig: gebührenfreie Kitaplätze für alle Kinder. (...) Langes gemeinsames Lernen in einer integrativen Gemeinschaftsschule von Klasse 1 bis Klasse 10. Ein ausgewogenes Netz von Ganztagsangeboten und Ganztagsschulen.
Dann, wenn in Schule die Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen entdeckt und richtig gefördert werden, wird es auch mehr junge Erwachsene geben, die aufgrund ihres Abschlusses, ihres erworbenen Wissens und ihrer individuellen Fähigkeiten in der Lage sind, eine Hochschule zu besuchen.
Nach wie vor liegt die Kinderbetreuung in vielen Fällen in den Händen der Frauen, weshalb eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Studium und Kindererziehung besonders den Frauen zugute kämen. (Und vielleicht mehr Männer davon überzeugen würde, sich ebenfalls mehr in der Kindererziehung zu engagieren.)"
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
"Wir setzen uns deswegen für das Weiterlaufen des Bund-Länder-Programms zur "Förderung der Weiterentwicklung von Hochschule und Wissenschaft sowie Realisierung der Chancengleichheit für Frauen in Forschung und Lehre" ein. Außerdem haben wir im Pakt für Forschung und Innovation und in der Exzellenzinitiative die Chancengerechtigkeit der Geschlechter zu einem der Förderkriterien gemacht."
CDU/CSU
"Auch in Deutschland muss es leichter und sogar üblich werden, Familie und wissenschaftliche Karriere zu verbinden. Deshalb bauen in den dafür zuständigen Ländern die unionsgeführten Regierungen Ganztagsangebote bedarfsorientiert aus. Zusätzlich forcieren wir den Ausbau der Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Dabei setzen wir auf Wahlfreiheit. Flexibel arbeitende Wissenschaftlerinnen brauchen ein breites Spektrum an Möglichkeiten."
FDP
"Durch die von der FDP geforderte erhebliche Verbesserung besonders der vorschulischen Bildung, aber auch der Schulen wird sich das Bildungsniveau insgesamt heben. Wie schon vorher ausgeführt, rechnen wir daher mit weiter steigenden Studierendenzahlen. Auch der Anteil der Frauen bei den Professorenstellen steigt deutlich an, wenn auch von sehr niedrigem Niveau aus: Von 1994 bis 2004 stieg er von 8% auf 14%. Dies deutet darauf hin, dass die durch die Länder und die Hochschulen selbst eingeleiteten Frauenförderungsmaßnahmen greifen. Eine Beschleunigung dieser Entwicklung wird von uns begrüßt, sie muss im Rahmen der Autonomie der Hochschulen stattfinden."
SPD
"Wir werden erstmals einen "Bericht zur Gleichstellung von Frauen und Männern" vorlegen und in einer nachfolgenden Regierungserklärung die sich daraus ergebenden Konsequenzen darlegen. Wir wollen, dass Frauen die gleichen Karrierechancen und den gleichberechtigten Zugang zu Führungspositionen in der Wirtschaft, in der Wissenschaft und in der Forschung erhalten. Wenn dies auf freiwilliger Basis nicht umgesetzt wird, werden wir verbindliche Regelungen schaffen."
Diskussionsbedarf?
Wer die Antworten der Parteien oder überhaupt rund um die Bundestagswahl diskutieren möchte, kann dies in unserem Forum "Bildungs- und Hochschulpolitik" in dem ein extra Thread zum Thema Bundestagswahl eingerichtet ist.
» Wahlprüfsteine - Einleitungsartikel (mit Links zu allen Artikeln mit Antworten)