HochschulpolitikWahlprüfsteine - Die Antwort der Linkspartei.PDS
1. Bildungspolitik ist größtenteils Ländersache - wie soll die Verteilung der Kompetenzen in Zukunft aussehen? Bleibt es beim Status Quo oder soll der Bund oder die Länder mehr Entscheidungen fällen können? Wie sehen Sie den Einfluss europäischer Institutionen und den Bologna-Prozess?
Ein sozial gerechtes und zukunftsfähiges Bildungssystem für alle sicherzustellen, ist eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen. Angesichts der neuen Herausforderungen ist die Kooperation zwischen Bund und Ländern in Bildungsfragen notwendiger denn je. Die Überwindung der deutschen Kleinstaaterei im Bildungsbereich zugunsten einer neuen Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern ist dringend geboten. Der Bund muss die Verantwortung in entscheidenden bildungspolitischen Fragen übernehmen.
Ziel des Bologna-Prozesses ist die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Hochschulraumes, dazu wurde eine ganze Reihe von Konferenzen der europäischen Hochschulministerinnen und -minister durchgeführt. Die grundsätzliche Zielrichtung wird von Die Linkspartei.PDS geteilt u. a. beim Thema zur Herstellung europaweit anerkannter Abschlüsse. Allerdings gibt es eine Reihe von Problemen, die damit verbunden sind. In Bezug auf die Frage der flächendeckenden Einführung von Bachelor- und Masterabschlüssen plädiert Die Linkspartei.PDS eher für Zurückhaltung. Dort, wo sich – wie in manchen ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen - das Diplom bewährt hat, sollte dies beibehalten werden. Die Entscheidung über Diplom bzw. BA oder MA sollte folglich vor Ort (in der Hochschule) getroffen werden. Hinzu kommen noch immer organisatorische und finanzielle Probleme. BA/MA-Studiengänge bedürfen der Akkreditierung - d.h. der Anerkennung - durch speziell geschaffene Agenturen. Dieser Akkreditierungsvorgang ist einerseits für die Hochschulen teuer, zum anderen genügt die personelle Ausstattung der Agenturen nicht, so dass die Akkreditierungen noch nicht abgeschlossen sind.
2. Wie soll die Studienfinanzierung in Zukunft aussehen? Bleibt das BAföG, welche Verbesserungen können Sie sich dabei vorstellen bzw. welche Alternative schwebt Ihrer Partei vor? Oder sehen die Zukunft eher in so genannten Studienkrediten?
Hochschulen und andere Wissenschaftseinrichtungen brauchen eine dauerhaft sichere Finanzierung. Ein sozial gleicher Zugang zum Hochschulstudium ist – unabhängig von der sozialen Herkunft – prinzipiell zu gewährleisten. Es muss eine ausreichende Ausbildungsförderung ohne Rückzahlungsverpflichtungen geben. Denkbar wäre eine Art Grundstipendium unter Berücksichtigung sozialer Belange.
3. Studiengebühren sind zwar laut Bundesverfassungsurteil erst einmal Ländersache. Trotzdem kann auf Bundesebene für oder gegen Studiengebühren gearbeitet werden - z.B. durch Bereitstellung einer Studienfinanzierung, die auch Studiengebühren umfasst. Werden Studiengebühren befürwortet oder abgelehnt und aus welchen Gründen?
Die Linkspartei.PDS lehnt Studiengebühren aus prinzipiellen gesellschafts-, sozial- und bildungspolitischen Gründen ab. Sie lösen kein einziges Problem der Hochschulen – im Gegenteil sie verschärfen soziale Ungerechtigkeiten und benachteiligen Kinder aus einkommensschwächeren Familien. Sie ergeben nach einer Modell-Studie des CHE sogar keinerlei deutliche Effekte für die Hochschulen. Studiengebühren verstärken die Krise des Bildungssystems, da sie die Privatisierung individueller Bildungschancen bedeuten und die soziale Selektion weiter vertiefen. Die fatale Aussage in der 17. Sozialerhebung (und in der PISA II-Studie), die soziale Herkunft entscheidet über die Zukunft eines Kindes, findet somit eine Fortsetzung.
Mit Studiengebühren werden nicht nur soziale Ungerechtigkeiten zementiert, sondern auch perspektivisch gesehen der Zugriff auf eine breite Basis von Talenten eingeschränkt. Dabei benötigt das Land viel mehr Akademikerinnen und Akademiker. Es ist jetzt schon absehbar, dass Deutschland recht bald einen erhöhten Bedarf an hoch qualifizierten Arbeitskräften haben wird.
Darüber hinaus lenken Studiengebühren von der eigentlichen Verantwortung für die Unterfinanzierung der Hochschulen ab. Nicht die Studierenden haben diese Situation verursacht, sondern die bisherige Bildungspolitik von Bund und Ländern.
4. Hochschulen sind heute i.a. Körperschaften öffentlichen Rechts. Sehen Sie hier Änderungsbedarf? Wie sollen die Leitungsstrukturen aussehen, welche Mitsprache soll den Studierenden zustehen (sofern der Bund hier überhaupt Einfluss nehmen soll)?
Hochschulen sollen Körperschaften öffentlichen Rechts bleiben. Sie bedürfen jedoch neben der Verbesserung der Finanzausstattung einiger Korrekturen. Die Autonomie der Einrichtungen und die Ausprägung der inneren Demokratie müssen deutlich gestärkt werden. Leitungsstrukturen, Personalhoheit usw. müssen von der Hochschule selbst bestimmt werden können, Bund und Länder müssen sich auf ein Minimum von Rahmengesetzgebung beschränken. Innerhalb der Hochschule geht es um mehr demokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten. Die Linkspartei.PDS ist für eine verfasste Studierendenschaft! Dringlich ist auch ein Personalstrukturwandel gegen die hierarchische und männerdominierte Verfasstheit der Wissenschaftseinrichtungen.
5. Hochschulfinanzierung ist von Bundesseite vor allem der Hochschulbau und die Finanzierung von Forschung. Wollen Sie dies so belassen und wie viel Gelder planen Sie dafür (oder auch für neue Aufgaben) ein im Vergleich zur Vergangenheit?
Die Linkspartei.PDS ist für die Überwindung der deutschen Kleinstaaterei auch in diesem Bereich zugunsten einer neuen Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern. Wie bereits in Frage 3 und 4 ausgeführt werden, die Hochschulen nicht ausreichend ausfinanziert. Hier wird eine deutliche Änderung angestrebt. Allein die real existierenden Studienzahlen an einzelnen Einrichtungen machen die Probleme deutlich. Die Hochschulen brauchen vor allem eine bedarfsgerechte Finanzausstattung durch die öffentliche Hand. Momentan ist Hochschul-Finanzpolitik Mangelverwaltung. Die Linkspartei.PDS fordert ohnehin eine deutliche Erhöhung des Anteils der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt.
In Bezug auf das Programm zur Eliteförderung hat Die Linkspartei.PDS folgende Position: Exzellenz muss zwar gefördert, darf jedoch nicht künstlich gegründet werden. Einige grundsätzliche Bedenken gegen derartige Vorhaben bleiben bestehen. Spitzenleistungen lassen sich dauerhaft nur auf der Grundlage einer breiten und finanziell gefestigten Basis etablieren. Es muss berücksichtigt werden, dass auch alle anderen nicht von diesem Programm geförderten Hochschulen der Aufmerksamkeit bedürfen. Keinesfalls darf die Gründung von Exzellenzzentren zur Schließung von bereits in der Grundlagenforschung tätigen Einrichtungen führen. Grundlagenforschung muss ohnehin gestärkt werden.
6. Im internationalen Vergleich studieren in Deutschland verhältnismäßig wenig Menschen. Der Frauenanteil ist schon unter Studierenden geringer als in vielen europäischen Ländern (vgl. z.B. EUROSTUDENT 2005 Report), im wissenschaftlichen Mittelbau und bei C3- (und noch mehr bei C4-) Professuren ist der geringe Frauenanteil sowieso offensichtlich. Sind aus Ihrer Sicht hier (Studierendenanteil unter der Bevölkerung allgemein, Frauenanteil im Hochschulbereich) Maßnahmen erforderlich, wenn ja, welche?
Die Linkspartei.PDS teilt Ihre Auffassung, dass in Deutschland zu wenig Menschen studieren und v.a. dass Frauen an Hochschulen immer noch zu schlechte Chancen haben.
Besonders bedenklich bei der Zusammensetzung der Studierenden finden wir, dass viele Kinder und Jugendliche, die aus sozial benachteiligten sowie aus Familien mit Migrationshintergrund kommen, in unserem Schulsystem extrem schlechte Chancen haben, überhaupt auf’s Gymnasium und dann auch noch bis zum Abitur zu gelangen. Schon hier sehen wir einen dringenden Änderungsbedarf in der Bildungspolitik, die folgende Inhalte haben muss:
Voraussetzung, dass sie sich dieses dann auch leisten können, ist natürlich, dass das Studium gebührenfrei bleibt.
Hinsichtlich der Studentinnen hat sich in der Bundesrepublik die Zahl am Gesamtanteil der Studierenden in den letzten Jahrzehnten doch erheblich verschoben. Im Wintersemester 2003/2004 gab es 47,8 Prozent Studienanfängerinnen und im Jahr zuvor lag der Frauenanteil sogar bei 50,6 Prozent.
Noch lange nicht zufrieden stellend sind die weiteren Chancen von Frauen an den Hochschulen. Schon diejenigen, die promovieren, sind lediglich 38 Prozent. Im Vergleich zu denjenigen, die an den Hochschulen selbst eine Karriereperspektive haben, ist das fast noch paradiesisch. Auf nicht einmal 13 Prozent aller C 3- und C 4-Professuren sitzen Frauen. Sicher ist hier die Entwicklung etwas langwieriger, da viele dieser Stellen Professoren innehaben, die zunächst in den Ruhestand gehen müssen, bevor sie neu besetzt werden können. Bedenklich ist jedoch, wenn auch bei den Neubesetzungen oder gar an neu gegründeten Hochschulen keine Chancengleichheit hergestellt wird. Ein Beispiel dafür ist die Universität in Erfurt, die nach der Wende neu gegründet wurde. Bei einem Anteil von 74 % Studentinnen sind lediglich 13 % der Lehrstühle mit Frauen besetzt. In den Gremien der Hochschulselbstverwaltung sieht es nicht besser aus: Der Senat der Uni Erfurt hat immerhin noch über 17 Prozent Frauen. Beim Kuratorium sind es schon nur nach 8 %.
Um an diesen Zahlen etwas zu ändern und mehr Frauen eine Chance zur Promotion, Habilitation und danach auf einen qualifizierten Arbeitsplatz zu geben, müssen zahlreiche Maßnahmen ineinander greifen.
Grundsätzlich spielt natürlich das Geld immer eine nicht unwichtige Rolle bei der Frage, wie lange sich jemand ein Studium leisten und dann vielleicht auch noch eine Zeit für Promotion und Habilitation anhängen kann. Hier ist zu sichern, dass das Studium nicht nur gebührenfrei bleibt, sondern Menschen mit Kindern auch so gut sozial abgesichert sind, dass sie sich ein Weiterstudieren leisten können. Wir fordern deshalb sowohl die Erhöhung des Kindergeldes auf 250 Euro also auch die Nichtanrechung des Kindergeldes auf Hartz IV.
Nach wie vor liegt die Kinderbetreuung in vielen Fällen in den Händen der Frauen, weshalb eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Studium und Kindererziehung besonders den Frauen zugute kämen. (Und vielleicht mehr Männer davon überzeugen würde, sich ebenfalls mehr in der Kindererziehung zu engagieren.)
Studierende Eltern brauchen darüber hinaus
Diskussionsbedarf?
Wer die Antworten der Linkspartei.PDS oder überhaupt rund um die Bundestagswahl diskutieren möchte, kann dies in unserem Forum "Bildungs- und Hochschulpolitik" in dem ein extra Thread zum Thema Bundestagswahl eingerichtet ist.
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Ziel des Bologna-Prozesses ist die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Hochschulraumes, dazu wurde eine ganze Reihe von Konferenzen der europäischen Hochschulministerinnen und -minister durchgeführt. Die grundsätzliche Zielrichtung wird von Die Linkspartei.PDS geteilt u. a. beim Thema zur Herstellung europaweit anerkannter Abschlüsse. Allerdings gibt es eine Reihe von Problemen, die damit verbunden sind. In Bezug auf die Frage der flächendeckenden Einführung von Bachelor- und Masterabschlüssen plädiert Die Linkspartei.PDS eher für Zurückhaltung. Dort, wo sich – wie in manchen ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen - das Diplom bewährt hat, sollte dies beibehalten werden. Die Entscheidung über Diplom bzw. BA oder MA sollte folglich vor Ort (in der Hochschule) getroffen werden. Hinzu kommen noch immer organisatorische und finanzielle Probleme. BA/MA-Studiengänge bedürfen der Akkreditierung - d.h. der Anerkennung - durch speziell geschaffene Agenturen. Dieser Akkreditierungsvorgang ist einerseits für die Hochschulen teuer, zum anderen genügt die personelle Ausstattung der Agenturen nicht, so dass die Akkreditierungen noch nicht abgeschlossen sind.
2. Wie soll die Studienfinanzierung in Zukunft aussehen? Bleibt das BAföG, welche Verbesserungen können Sie sich dabei vorstellen bzw. welche Alternative schwebt Ihrer Partei vor? Oder sehen die Zukunft eher in so genannten Studienkrediten?
Hochschulen und andere Wissenschaftseinrichtungen brauchen eine dauerhaft sichere Finanzierung. Ein sozial gleicher Zugang zum Hochschulstudium ist – unabhängig von der sozialen Herkunft – prinzipiell zu gewährleisten. Es muss eine ausreichende Ausbildungsförderung ohne Rückzahlungsverpflichtungen geben. Denkbar wäre eine Art Grundstipendium unter Berücksichtigung sozialer Belange.
3. Studiengebühren sind zwar laut Bundesverfassungsurteil erst einmal Ländersache. Trotzdem kann auf Bundesebene für oder gegen Studiengebühren gearbeitet werden - z.B. durch Bereitstellung einer Studienfinanzierung, die auch Studiengebühren umfasst. Werden Studiengebühren befürwortet oder abgelehnt und aus welchen Gründen?
Die Linkspartei.PDS lehnt Studiengebühren aus prinzipiellen gesellschafts-, sozial- und bildungspolitischen Gründen ab. Sie lösen kein einziges Problem der Hochschulen – im Gegenteil sie verschärfen soziale Ungerechtigkeiten und benachteiligen Kinder aus einkommensschwächeren Familien. Sie ergeben nach einer Modell-Studie des CHE sogar keinerlei deutliche Effekte für die Hochschulen. Studiengebühren verstärken die Krise des Bildungssystems, da sie die Privatisierung individueller Bildungschancen bedeuten und die soziale Selektion weiter vertiefen. Die fatale Aussage in der 17. Sozialerhebung (und in der PISA II-Studie), die soziale Herkunft entscheidet über die Zukunft eines Kindes, findet somit eine Fortsetzung.
Mit Studiengebühren werden nicht nur soziale Ungerechtigkeiten zementiert, sondern auch perspektivisch gesehen der Zugriff auf eine breite Basis von Talenten eingeschränkt. Dabei benötigt das Land viel mehr Akademikerinnen und Akademiker. Es ist jetzt schon absehbar, dass Deutschland recht bald einen erhöhten Bedarf an hoch qualifizierten Arbeitskräften haben wird.
Darüber hinaus lenken Studiengebühren von der eigentlichen Verantwortung für die Unterfinanzierung der Hochschulen ab. Nicht die Studierenden haben diese Situation verursacht, sondern die bisherige Bildungspolitik von Bund und Ländern.
4. Hochschulen sind heute i.a. Körperschaften öffentlichen Rechts. Sehen Sie hier Änderungsbedarf? Wie sollen die Leitungsstrukturen aussehen, welche Mitsprache soll den Studierenden zustehen (sofern der Bund hier überhaupt Einfluss nehmen soll)?
Hochschulen sollen Körperschaften öffentlichen Rechts bleiben. Sie bedürfen jedoch neben der Verbesserung der Finanzausstattung einiger Korrekturen. Die Autonomie der Einrichtungen und die Ausprägung der inneren Demokratie müssen deutlich gestärkt werden. Leitungsstrukturen, Personalhoheit usw. müssen von der Hochschule selbst bestimmt werden können, Bund und Länder müssen sich auf ein Minimum von Rahmengesetzgebung beschränken. Innerhalb der Hochschule geht es um mehr demokratische Mitbestimmungsmöglichkeiten. Die Linkspartei.PDS ist für eine verfasste Studierendenschaft! Dringlich ist auch ein Personalstrukturwandel gegen die hierarchische und männerdominierte Verfasstheit der Wissenschaftseinrichtungen.
5. Hochschulfinanzierung ist von Bundesseite vor allem der Hochschulbau und die Finanzierung von Forschung. Wollen Sie dies so belassen und wie viel Gelder planen Sie dafür (oder auch für neue Aufgaben) ein im Vergleich zur Vergangenheit?
Die Linkspartei.PDS ist für die Überwindung der deutschen Kleinstaaterei auch in diesem Bereich zugunsten einer neuen Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern. Wie bereits in Frage 3 und 4 ausgeführt werden, die Hochschulen nicht ausreichend ausfinanziert. Hier wird eine deutliche Änderung angestrebt. Allein die real existierenden Studienzahlen an einzelnen Einrichtungen machen die Probleme deutlich. Die Hochschulen brauchen vor allem eine bedarfsgerechte Finanzausstattung durch die öffentliche Hand. Momentan ist Hochschul-Finanzpolitik Mangelverwaltung. Die Linkspartei.PDS fordert ohnehin eine deutliche Erhöhung des Anteils der Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt.
In Bezug auf das Programm zur Eliteförderung hat Die Linkspartei.PDS folgende Position: Exzellenz muss zwar gefördert, darf jedoch nicht künstlich gegründet werden. Einige grundsätzliche Bedenken gegen derartige Vorhaben bleiben bestehen. Spitzenleistungen lassen sich dauerhaft nur auf der Grundlage einer breiten und finanziell gefestigten Basis etablieren. Es muss berücksichtigt werden, dass auch alle anderen nicht von diesem Programm geförderten Hochschulen der Aufmerksamkeit bedürfen. Keinesfalls darf die Gründung von Exzellenzzentren zur Schließung von bereits in der Grundlagenforschung tätigen Einrichtungen führen. Grundlagenforschung muss ohnehin gestärkt werden.
6. Im internationalen Vergleich studieren in Deutschland verhältnismäßig wenig Menschen. Der Frauenanteil ist schon unter Studierenden geringer als in vielen europäischen Ländern (vgl. z.B. EUROSTUDENT 2005 Report), im wissenschaftlichen Mittelbau und bei C3- (und noch mehr bei C4-) Professuren ist der geringe Frauenanteil sowieso offensichtlich. Sind aus Ihrer Sicht hier (Studierendenanteil unter der Bevölkerung allgemein, Frauenanteil im Hochschulbereich) Maßnahmen erforderlich, wenn ja, welche?
Die Linkspartei.PDS teilt Ihre Auffassung, dass in Deutschland zu wenig Menschen studieren und v.a. dass Frauen an Hochschulen immer noch zu schlechte Chancen haben.
Besonders bedenklich bei der Zusammensetzung der Studierenden finden wir, dass viele Kinder und Jugendliche, die aus sozial benachteiligten sowie aus Familien mit Migrationshintergrund kommen, in unserem Schulsystem extrem schlechte Chancen haben, überhaupt auf’s Gymnasium und dann auch noch bis zum Abitur zu gelangen. Schon hier sehen wir einen dringenden Änderungsbedarf in der Bildungspolitik, die folgende Inhalte haben muss:
- Zugang für alle zu Kita und Vorschule.
- Langfristig: gebührenfreie Kitaplätze für alle Kinder. Uneingeschränkten Rechtsanspruch auf Bildung, Erziehung und Betreuung von Anfang an,
- gute Startchancen für alle Kinder durch Bildungsaufgaben im Kindergarten, durch den Einsatz ausgebildeter Fachkräfte und durch intensive Sprachförderung in der Schule,
- soziale Integration von Kindern aus eingewanderten Familien
- individuelle Förderung statt frühzeitige Auslese;
- langes gemeinsames Lernen in einer integrativen Gemeinschaftsschule von Klasse 1 bis Klasse 10. Ein ausgewogenes Netz von Ganztagsangeboten und Ganztagsschulen
- Sozial gleichen Zugang zur gymnasialen Stufe absichern
Voraussetzung, dass sie sich dieses dann auch leisten können, ist natürlich, dass das Studium gebührenfrei bleibt.
Hinsichtlich der Studentinnen hat sich in der Bundesrepublik die Zahl am Gesamtanteil der Studierenden in den letzten Jahrzehnten doch erheblich verschoben. Im Wintersemester 2003/2004 gab es 47,8 Prozent Studienanfängerinnen und im Jahr zuvor lag der Frauenanteil sogar bei 50,6 Prozent.
Noch lange nicht zufrieden stellend sind die weiteren Chancen von Frauen an den Hochschulen. Schon diejenigen, die promovieren, sind lediglich 38 Prozent. Im Vergleich zu denjenigen, die an den Hochschulen selbst eine Karriereperspektive haben, ist das fast noch paradiesisch. Auf nicht einmal 13 Prozent aller C 3- und C 4-Professuren sitzen Frauen. Sicher ist hier die Entwicklung etwas langwieriger, da viele dieser Stellen Professoren innehaben, die zunächst in den Ruhestand gehen müssen, bevor sie neu besetzt werden können. Bedenklich ist jedoch, wenn auch bei den Neubesetzungen oder gar an neu gegründeten Hochschulen keine Chancengleichheit hergestellt wird. Ein Beispiel dafür ist die Universität in Erfurt, die nach der Wende neu gegründet wurde. Bei einem Anteil von 74 % Studentinnen sind lediglich 13 % der Lehrstühle mit Frauen besetzt. In den Gremien der Hochschulselbstverwaltung sieht es nicht besser aus: Der Senat der Uni Erfurt hat immerhin noch über 17 Prozent Frauen. Beim Kuratorium sind es schon nur nach 8 %.
Um an diesen Zahlen etwas zu ändern und mehr Frauen eine Chance zur Promotion, Habilitation und danach auf einen qualifizierten Arbeitsplatz zu geben, müssen zahlreiche Maßnahmen ineinander greifen.
Grundsätzlich spielt natürlich das Geld immer eine nicht unwichtige Rolle bei der Frage, wie lange sich jemand ein Studium leisten und dann vielleicht auch noch eine Zeit für Promotion und Habilitation anhängen kann. Hier ist zu sichern, dass das Studium nicht nur gebührenfrei bleibt, sondern Menschen mit Kindern auch so gut sozial abgesichert sind, dass sie sich ein Weiterstudieren leisten können. Wir fordern deshalb sowohl die Erhöhung des Kindergeldes auf 250 Euro also auch die Nichtanrechung des Kindergeldes auf Hartz IV.
Nach wie vor liegt die Kinderbetreuung in vielen Fällen in den Händen der Frauen, weshalb eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Studium und Kindererziehung besonders den Frauen zugute kämen. (Und vielleicht mehr Männer davon überzeugen würde, sich ebenfalls mehr in der Kindererziehung zu engagieren.)
Studierende Eltern brauchen darüber hinaus
- Kinderbetreuungsmöglichkeiten an den Hochschulen mit flexiblen Öffnungszeiten, damit auch Veranstaltungen nach 17 Uhr besucht werden können. Diese müssen auch für diejenigen offen stehen, die an den Hochschulen arbeiten, ob dies nun Verwaltungsangestellte, Professorinnen oder Wissenschaftliche Mitarbeiter sind
- eine spezielle Studienberatung, wie sie Studium und Kinder miteinander verbinden können
- die Möglichkeit, die Regelstudienzeit zu verlängern ohne persönliche Nachteile (v.a. finanzieller Art) in Kauf nehmen zu müssen, z.B. durch zusätzliche Freisemester
- die Krankheit von Kindern muss ohne Zeitbeschränkung als studienverlängernd akzeptiert werden
- Unterstützung bei Promotion und Habilitation, wenn sie Kinder haben – dies muss sich zum einen darauf richten, Frauen bei diesen Vorhaben zu unterstützen und zum anderen, sowohl Frauen als auch Männern bei der Vereinbarkeit von Doktorarbeit / Habilitation und Kinderbetreuung unter die Arme zu greifen
- Studierende mit Kind benötigen in der Ausbildung eine größere Flexibilität. Vorlesungen und Übungen müssen zu flexiblen Zeiten in den Abendstunden oder am Wochenende unter Nutzung moderner Medien nachgearbeitet werden können. Hier bieten sich z.B. E-learning Plattformen an. Bei Seminaren und Praktika ist durch Sonderregelung eine größere Terminübereinstimmung mit den Mutter- (Vater-) pflichten zu realisieren.
- Es müssen mehr Stellen mit Frauen besetzt werden – und zwar v.a. auf wissenschaftlicher Ebene – Juniorprofessuren, Professuren, etc.
- Dafür bedarf es einer paritätischen Besetzung der Berufungsgremien
- Sinnvoll sind auch Programme, die Frauen nach der Geburt von Kindern eine den Wiedereinstieg ins Studium oder eine Promotion ermöglichen.
- Die Gleichstellungsgesetze der Länder müssen novelliert werden, u.a. mit dem Ziel, dass die Gleichstellungsbeauftragten ein Stimmrecht in den Hochschulgremien bekommen.
Diskussionsbedarf?
Wer die Antworten der Linkspartei.PDS oder überhaupt rund um die Bundestagswahl diskutieren möchte, kann dies in unserem Forum "Bildungs- und Hochschulpolitik" in dem ein extra Thread zum Thema Bundestagswahl eingerichtet ist.
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