HochschulpolitikCDU will bei Wahlsieg 2006 das BAföG abschaffen
Dr. Annette Schavan auf einer Wahlkampfveranstaltung der CDU in Biberach an der Riß Original-Bild (hier in einem Ausschnitt) veröffentlicht unter GNU-FDL, Details zum Fotografen etc. siehe wikipedia.org |
Schavan betont weiter, dass Studiengebühren und Studienfinanzierung zusammen gesehen würden. Nach ihren Worten will die CDU schon in den nächsten Tagen mit der Industrie Gespräche aufnehmen. Denn die soll nach Möglichkeit auch Geld zugeben (und hatte ja auch in Form von BDA/BDI etc. immer Studiengebühren gefordert). Dass "die Industrie" dafür auch noch mehr Einfluß haben will, kann man getrost annehmen.
Offenbar will die CDU einen radikalen Umbau. Nicht nur Studiengebühren sollen kommen, auch die Finanzierung des Lebensunterhalts während des Studiums soll halb-privat geschehen. Das BAföG, dass - bei aller Kritik - von rot-grün durchaus zu mehr Erfolg geführt wurde und einen gewissen sozialen Ausgleich brachte, ist zu viel Sozialstaat. Statt es sinnvoll zu reformieren, soll die Finanzierung gleich an die Privatwirtschaft gehen - und die dann vom Staat subventioniert werden.
Beim BAföG gibt es - zwar auch nur unter bestimmten Bedingungen, aber die sind noch einigermaßen überschaubar - eine Deckelung der Schulden auf 10.000 Euro. Bei den von der CDU angestrebten Studienkrediten dagegen ist es wegen der vom Kapitalmarkt abhängigen Zinsen kaum möglich, die Schulden genau abzusehen. Sie können durchaus Dimensionen von rund 100.000 Euro annehmen.
Ein möglicher Wettbewerb zwischen verschiedenen Anbietern von Studiendarlehen, Studienkrediten und wie die Angebote noch alle genannt werden, ist an dieser Stelle gar nicht so toll: Die Verunsicherung der potentiellen Studierenden wird zunehmen - und die Studierneigung möglicherweise abnehmen.
Zukünftige Studierende sollten sich von all diesen Überlegungen trotzdem nicht abhalten lassen, ein Studium aufzunehmen. Weder ist garantiert, dass die CDU die Bundestagswahlen 2006 gewinnt (auch wenn es zur Zeit so aussieht), noch, dass sie dann wirklich umsetzt, was hier angedeutet wurde. Selbst wenn, vor Wintersemester 2007 kann dies kaum geschehen und Übergangsfristen müsste es wohl geben. Vielleicht überlegt es sich die CDU auch noch mal anders.
Studierende, Deutsches Studentenwerk und SPD kritisieren Pläne
Der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, Achim Meyer auf der Heyde erklärt: "Das BAföG abzuschaffen hieße, die soziale Selektion im Hochschulwesen zu verschärfen und sich von der Idee der Chancengleichheit zu verabschieden. Denn erst das BAföG ermöglicht vielen jungen Menschen aus einkommensschwachen und Mittelstands-Familien überhaupt ein Studium."
Meyer auf der Heyde macht auf das Volumen aufmerksam, das ein Stipendiensystem als Massenförderung haben müsste: "Das DSW begrüßt natürlich, wenn die Wirtschaft, wie kürzlich vom Bundesverband der Deutschen Industrie angekündigt, Stipendien zur Verfügung stellen will. Nur müsste die Wirtschaft dann als Ersatz für das BAföG, wie es Frau Ministerin Schavan vorschlägt, einen vergleichbaren Beitrag zur Studienfinanzierung in einer Größenordnung von 1,45 Milliarden Euro leisten." Dieses sieht das DSW jedoch skeptisch, zumal sich laut aktueller Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks derzeit nur 2% der zwei Millionen Studierenden in Deutschland unter anderem über ein Stipendium finanzieren.
Anstatt das BAföG leichtfertig abzuschaffen, müsse es vielmehr massiv ausgebaut werden, fordert der DSW-Generalsekretär. Den Schavanschen Vorstoß kritisiert er: "Die staatliche Studienfinanzierung über das BAföG im Handumdrehen durch eine private Finanzierung ersetzen zu wollen, würde das bestehende Mittelstandsloch bei der sozialen Zusammensetzung der Studierenden um nicht mehr durch Zuschuss geförderte aus einkommensschwachen Schichten erweitern und allgemein die soziale Selektion im Hochschulwesen verschärfen."
Der studentische Dachverband fzs verweist zum aktuellen Vorstoß von Schavan auf seine Presseerklärung zu den Vorschlägen von Brandenburgs Wissenschaftsministerin Johanna Wanka Anfang Januar, die in eine ähnliche Richtung wie die von Schavan zielten und vom fzs aufs schärfste abgelehnt werden.
Die SPD-Bundestagsfraktion und die SPD-Wissenschaftsminister von NRW betonen, dass sie am BAföG festhalten wollen. Natürlich vor allem auch in Hinblick auf den Wahlkampf in NRW. So schreibt Jörg Tauss, bildungs- und forschungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: "Die Wählerinnen und Wähler haben in diesem Bereich nun zwei klare Alternativen zur Wahl und können sich sowohl im Mai in Nordrhein-Westfalen als auch 2006 im Bund sich für Chancengleichheit und für das Erfolgsmodell BAföG und gegen Studiengebühren entscheiden."
Auch die SPD wird allerdings immer wieder daran erinnert werden müssen, was sie so versprochen hat ...
Nachtrag (09.04.2005): In den Tagen darauf haben sich viele aus CDU und CSU zu den Vorschlägen geäußert - dafür oder dagegen. Dazu mehr im Artikel CDU/CSU-interner Streit über die Zukunft des BAföG vom 07.04.2005.
- Quellen
- Interview mit Schavan in der WELT (05.04.2005, PDF-Datei)
- BAföG-Abschaffung würde soziale Selektion verschärfen (DSW-Presseerklärung, 05.04.2005)
- Gibt es ab 2006 kein Bafög mehr? (fzs, 05.04.2005)
- Finger weg vom Bafög (Stellungnahme NRW-Wissenschaftsministerium, 05.04.2005)
- Union will BAföG abschaffen (Pressemitteilung SPD-Bundestagsfraktion, 05.04.2005)
- Mehr zum Thema bei uns
- Volksbanken sind für BAföG-Abschaffung (08.03.2005)
- Der Zusammenhang von Bildungsfonds, Studiendarlehen und Studiengebühren (01.03.2005)
- CHE, KfW und Stifterverband präsentieren Studiendarlehen-Modell - und wollen Studiengebühren (17.02.2005)
- Mehr Chancengleichheit durch die BAföG-Reform? (16.02.2004)