HochschulpolitikKippt Bundesverfassungsgericht Verbot von Studiengebühren? Alles Propaganda!
Die klagenden Unions-geführten Länder führten an, dass die deutschen Hochschulen nur mit der Einführung von Studiengebühren besser werden könnten. So jedenfalls konnte man es in den Medien hören. Dieses Argument interessiert das Gericht jedoch gar nicht. Interessanter ist schon eher, ob die Regelung zu Studiengebühren im Hochschulrahmengesetz ungerechtfertigterweise in die Finanzhoheit der Länder eingreift.
Die Bundesregierung verteidigt die Regelung vor allem mit dem Hinweis darauf, sie sei notwendig, "gleichwertige" Lebensverhältnisse in allen Bundesländern zu erreichen. Wenn das geboten erscheint, darf der Bund nämlich auch in Fragen, die in die Länderkompetenz fallen, Rahmengesetze erlassen. Allerdings ist "gleichwertig" nicht mehr so stark wie die bis 1994 geltende Formulierung, dass der Bund die "Einheitlichkeit" der Lebensverhältnisse wahren müsse.
Die klagenden Länder argumentieren, die "Gleichwertigkeit" werde durch eine fehlende Regelung nicht verletzt - also wäre der Bund mit seiner Regelung zu weit gegangen. Auch der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Hassemer, wies bei der Eröffnung des Verfahrens darauf hin, dass es vor allem um diese Frage gehe. Der Gesetzgeber habe mit der Verfassungsänderung in diesem Punkt 1994 gewollt, dass die Bundeskompetenzen eingeschränkt werden. Das Gericht müsse dies respektieren - und habe daher bei der Regelung zur Juniorprofessur die Regelung des Bundes gekippt.
Die Äußerungen von Hassemer werden von einigen derart gedeutet, dass die Entscheidung des Gerichts schon feststünde. Dabei waren Hassemers Ausführungen auch dem Tag der offenen Tür geschuldet - mit dem Beispiel Juniorprofessur konnte die Problematik Bund gegen Länder gut illustriert werden. Dass also das Gebührenverbot fällt (und nebenbei auch die Festschreibung der Verfassten Studierendenschaft) ist gar nicht klar.
So war schon die Entscheidung zur Juniorprofessur knapp. Drei von acht Richtern hatten dem Bund die Kompetenz für eine Bundesregelung zugestanden. Bei der Regelung zu Studiengebühren müsste nur ein Richter mehr dem Bund zustimmen - schon würde die Klage abgewiesen. Bei einem Patt bleibt nämlich alles wie gehabt, der Kläger verliert.
Studentische Beobachter der Anhörung konnten keine Tendenz des Gerichts erkennen und fanden besonders die Argumente des Bundes sehr stichhaltig.
Äußerungen gegen Gebühren
Bundesbildungsministerin Bulmahn (SPD) trat selbst vor dem BVG an, um "ihr" Gesetz zu verteidigen. Sie betonte, dass allein schon die Lebenshaltung während eines Studiums 40.000 Euro kostet. Weitere Kosten würden insbesondere Kinder aus einkommensschwachen Familien abschrecken. In Großbritannien habe sich die Zahl einkommensschwacher Studenten, nachdem Studiengebühren von 1600 Euro im Jahr eingeführt wurden, halbiert.
Das Deutsche Studentenwerk (DSW) erinnert daran, dass die Bildungsbeteiligung von Familien aus einkommensschwachen Familien in Deutschland seit 1982 deutlich gesunken ist. "Nur 8 von 100 Kindern aus ärmeren Haushalten nehmen heute ein Studium auf. Studiengebühren könnten diese soziale Selektion noch verschärfen." heißt es in einer Presseerklärung des DSW.
Um diese Befürchtung noch zu unterstreichen, schreibt das DSW weiter: "Von einzelnen Bundesländern, Hochschulen und Parteien liegen zahlreiche Modelle für Studiengebühren vor. Sie alle behaupten, Studiengebühren könnten über Stipendien sozial verträglich gestaltet werden. Tatsache ist: Von einem wirklich ausgebauten Stipendiensystem ist Deutschland weit entfernt. Zwar gibt es in Deutschland circa 150 Stipendiengeber sowie die zwölf Begabtenförderungswerke, aber sie erreichen mit 2% nur einen verschwindend geringen Anteil der Studierenden."
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie der Ärzteverband Marburger Bund sprachen sich heute gegen die Einführung von allgemeinen Studiengebühren aus. Der studentische Dachverband fzs und das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren wiederholten ihre bekannte Ablehnung von jeder Art von Studiengebühren.
Die Befürworter wiederholen sich
Frankenberg, Wissenschaftsminister aus Baden-Württemberg, vermischt in seinen Ausführung vor dem BVG Dinge, die in keinster Weise zusammenhängen müssen: "Exzellenz und Innovation" und Studiengebühren. Als wenn nur letztere "zukunftsweisende Finanzierungsmodelle" für Hochschulen seien und an vielen anderen Stellen nichts zu ändern sei.
Natürlich wiederholte sich in diesen Tagen an verschiedenen Stellen auch die Behauptung, Studiengebühren seien nicht ungerecht. So bringt Peter Gaehtgens, Präsident der HRK, erneut das Argument in Anschlag, die soziale Selektion in Deutschland sei doch größer als in Ländern mit Studiengebühren. Daher sei es falsch, Studiengebühren als sozial ungerecht zu bezeichnen. Zu diesem Thema empfiehlt sich die Lektüre des Artikels "Studiengebühren und soziale Gerechtigkeit".
Studierende demonstrieren
Drei- bis siebentausend Studierende (Polizei- vs. Veranstalter-Angaben) demonstrierten während der Verhandlung am BVG durch Karlsruhes Innenstadt. Sie warnten die klagenden Länder (von denen viele ausdrücklich allgemeine Studiengebühren einführen wollen) vor einem "Spiel mit der der Bildung".
Man darf gespannt sein, wessen Spiel am Ende das Bundesverfassungsgericht spielt.
Die Bundesregierung verteidigt die Regelung vor allem mit dem Hinweis darauf, sie sei notwendig, "gleichwertige" Lebensverhältnisse in allen Bundesländern zu erreichen. Wenn das geboten erscheint, darf der Bund nämlich auch in Fragen, die in die Länderkompetenz fallen, Rahmengesetze erlassen. Allerdings ist "gleichwertig" nicht mehr so stark wie die bis 1994 geltende Formulierung, dass der Bund die "Einheitlichkeit" der Lebensverhältnisse wahren müsse.
Die klagenden Länder argumentieren, die "Gleichwertigkeit" werde durch eine fehlende Regelung nicht verletzt - also wäre der Bund mit seiner Regelung zu weit gegangen. Auch der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Hassemer, wies bei der Eröffnung des Verfahrens darauf hin, dass es vor allem um diese Frage gehe. Der Gesetzgeber habe mit der Verfassungsänderung in diesem Punkt 1994 gewollt, dass die Bundeskompetenzen eingeschränkt werden. Das Gericht müsse dies respektieren - und habe daher bei der Regelung zur Juniorprofessur die Regelung des Bundes gekippt.
Die Äußerungen von Hassemer werden von einigen derart gedeutet, dass die Entscheidung des Gerichts schon feststünde. Dabei waren Hassemers Ausführungen auch dem Tag der offenen Tür geschuldet - mit dem Beispiel Juniorprofessur konnte die Problematik Bund gegen Länder gut illustriert werden. Dass also das Gebührenverbot fällt (und nebenbei auch die Festschreibung der Verfassten Studierendenschaft) ist gar nicht klar.
So war schon die Entscheidung zur Juniorprofessur knapp. Drei von acht Richtern hatten dem Bund die Kompetenz für eine Bundesregelung zugestanden. Bei der Regelung zu Studiengebühren müsste nur ein Richter mehr dem Bund zustimmen - schon würde die Klage abgewiesen. Bei einem Patt bleibt nämlich alles wie gehabt, der Kläger verliert.
Studentische Beobachter der Anhörung konnten keine Tendenz des Gerichts erkennen und fanden besonders die Argumente des Bundes sehr stichhaltig.
Bundesbildungsministerin Bulmahn (SPD) trat selbst vor dem BVG an, um "ihr" Gesetz zu verteidigen. Sie betonte, dass allein schon die Lebenshaltung während eines Studiums 40.000 Euro kostet. Weitere Kosten würden insbesondere Kinder aus einkommensschwachen Familien abschrecken. In Großbritannien habe sich die Zahl einkommensschwacher Studenten, nachdem Studiengebühren von 1600 Euro im Jahr eingeführt wurden, halbiert.
Das Deutsche Studentenwerk (DSW) erinnert daran, dass die Bildungsbeteiligung von Familien aus einkommensschwachen Familien in Deutschland seit 1982 deutlich gesunken ist. "Nur 8 von 100 Kindern aus ärmeren Haushalten nehmen heute ein Studium auf. Studiengebühren könnten diese soziale Selektion noch verschärfen." heißt es in einer Presseerklärung des DSW.
Um diese Befürchtung noch zu unterstreichen, schreibt das DSW weiter: "Von einzelnen Bundesländern, Hochschulen und Parteien liegen zahlreiche Modelle für Studiengebühren vor. Sie alle behaupten, Studiengebühren könnten über Stipendien sozial verträglich gestaltet werden. Tatsache ist: Von einem wirklich ausgebauten Stipendiensystem ist Deutschland weit entfernt. Zwar gibt es in Deutschland circa 150 Stipendiengeber sowie die zwölf Begabtenförderungswerke, aber sie erreichen mit 2% nur einen verschwindend geringen Anteil der Studierenden."
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie der Ärzteverband Marburger Bund sprachen sich heute gegen die Einführung von allgemeinen Studiengebühren aus. Der studentische Dachverband fzs und das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren wiederholten ihre bekannte Ablehnung von jeder Art von Studiengebühren.
Die Befürworter wiederholen sich
Frankenberg, Wissenschaftsminister aus Baden-Württemberg, vermischt in seinen Ausführung vor dem BVG Dinge, die in keinster Weise zusammenhängen müssen: "Exzellenz und Innovation" und Studiengebühren. Als wenn nur letztere "zukunftsweisende Finanzierungsmodelle" für Hochschulen seien und an vielen anderen Stellen nichts zu ändern sei.
Natürlich wiederholte sich in diesen Tagen an verschiedenen Stellen auch die Behauptung, Studiengebühren seien nicht ungerecht. So bringt Peter Gaehtgens, Präsident der HRK, erneut das Argument in Anschlag, die soziale Selektion in Deutschland sei doch größer als in Ländern mit Studiengebühren. Daher sei es falsch, Studiengebühren als sozial ungerecht zu bezeichnen. Zu diesem Thema empfiehlt sich die Lektüre des Artikels "Studiengebühren und soziale Gerechtigkeit".
Studierende demonstrieren
Drei- bis siebentausend Studierende (Polizei- vs. Veranstalter-Angaben) demonstrierten während der Verhandlung am BVG durch Karlsruhes Innenstadt. Sie warnten die klagenden Länder (von denen viele ausdrücklich allgemeine Studiengebühren einführen wollen) vor einem "Spiel mit der der Bildung".
Man darf gespannt sein, wessen Spiel am Ende das Bundesverfassungsgericht spielt.
Eure Meinung? Was sagt Ihr allgemein zu Studiengebühren? Wie fandet Ihr die bisherigen Protestformen bei Euch und anderswo? In unserem Forum könnt Ihr das und andere Themen diskutieren. » Zum Forum Studium (allgemein) |
- Mehr bei Studis Online
- Übersicht Studiengebühren in den einzelnen Bundesländern (ständig aktualisiert)
- Hochschulrahmengesetz vor dem Bundesverfassungsgericht - SPD-Länder für Studiengebühren? (08.11.2004)
- Studierende zeigen Flagge gegen Studiengebühren und für die Verfasste Studierendenschaft (04.11.2004)
- Studiengebühren und soziale Gerechtigkeit (Diskussionsbeitrag)
- Quellen
- 6. HRG Novelle ist verfassungsgemäß! (fzs-Presseerklärung, 09.11.2004)
- Studiengebühren könnten soziale Selektion verschärfen (DSW-Presseerklärung, 09.11.2004)
- Frankenberg erläutert Verfassungsklage Baden-Württembergs gegen Studiengebührenverbot (Presseerklärung MWFK BaWü, 09.11.2004)
- "Studiengebühren sind nicht ungerecht" (Gaehtgens, Präsident der HRK)
- Sachverständige bestätigen Notwendigkeit des Gebührenverbots (Presseerklärung ABS, 09.11.2004)