Alter Wein in neuen SchläuchenExzellenzinitiative wird Exzellenzstrategie
Außer dem Namen ändert sich nicht viel …
„Exzellenzinitiative“ war gestern, jetzt kommt die „Exzellenzstrategie“. Daran, dass es im Grundsatz weiter geht wie bisher, ändert aber auch der neue Name nichts. Für sogenannte Spitzenforschung wird auch künftig reichlich Staatsknete locker gemacht. Ab 2019 sollen jährlich mindestens 533 Millionen Euro für bis zu 50 Exzellenzcluster (Verbundforschungsprojekt) und elf Exzellenzuniversitäten ausgeschüttet werden. Den gekürten Eliteunis winken dabei allein zehn bis 15 Millionen Euro pro Jahr mehr. Der Bund steuert 75 Prozent vom Gesamtpaket bei, vom Sitzland der begünstigten Hochschulen kommen 25 Prozent.
Förderung ohne Ende
In zehn Jahren will man auf diesem Wege insgesamt 5,3 Milliarden Euro (vielleicht sogar mehr) in die Wissenschaft stecken – „zusätzlich“, wie es heißt, woran Kritiker ihre Zweifel haben, und „vorerst“. Tatsächlich hat die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern (GWK) sich bereits Ende April darauf festgelegt, Eliteunis auf lange Sicht, also praktisch ohne Ende, zu unterstützen. Dafür will die Politik erstmals den neu geschaffenen Artikel 91b des Grundgesetztes nutzen, der es der Bundesregierung erlaubt, „in Fällen überregionaler Bedeutung“ Hochschulen dauerhaft zu fördern.
Dabei verband sich eigentlich mit der seit Jahresanfang 2015 geltenden Neuregelung bei vielen die Hoffnung, der Bund würde damit endlich auch die Grundausstattung der chronisch unterfinanzierten Hochschulen aufbessern. Die fortgesetzte Bevorzugung einiger weniger Vorzeigeunis wird wohl das genaue Gegenteil bewirken. Noch mehr Geld konzentriert sich an der Spitze, wodurch der Abstand zwischen oben und unten sich weiter und nachhaltig vergrößert.
„Dreifache Gewinner“
Nach Ansicht des Soziologen Michael Hartmann, emeritierter Professor der Uni Darmstadt, sind Exzellenzunis gleich „dreifache Gewinner“. Sie profitierten erstens von den direkten Prämien des Programms und generierten zweitens wegen des damit verbundenen Renommees mehr staatliche und private Drittmittel. „Und drittens streichen sie bei der leistungsorientierten Mittelvergabe durch die Bundesländer einen größeren Anteil an den Landesmitteln ein“, sagte er am Freitag gegenüber Studis Online. „Das, was es oben mehr gibt, muss unten wegegenommen werden.“
An diesem Mechanismus dürften auch die auf den letzten Drücker vorgenommenen „Nachbesserungen“ nichts ändern. Der Stadtstaat Hamburg hatte die GWK-Einigung von vor neun Wochen zuletzt noch einmal in Frage gestellt und auf „mehr Dynamik“ im System gepocht. Für die Hamburger Wissenschaftsministerin Katharina Fegebank (Grüne) war die Chancengleichheit zwischen den Hochschulen nicht ausreichend berücksichtigt, wodurch es zu einer „Zwei-Klassen-Hochschullandschaft“ kommen könne. „Das wäre weder leistungsfördernd noch fair.“
Hamburger Veto
Fegebank passte es nicht, dass die zu Eliteunis gekürten Standorte sich künftig nicht wie bisher nach fünf Jahren in einem neuerlichen Wettbewerb gegen die Konkurrenz behaupten sollen. Vorgesehen ist lediglich eine Evaluation nach sieben Jahren, auf die bei positivem Ausgang die Bestätigung des Exzellenzstatus folgt. Damit, so die Sorge der Ministerin, werde das Feld der Sieger dauerhaft zementiert. Weil es bei der Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein einstimmiges Votum braucht, schien das Projekt zwischenzeitlich sogar auf der Kippe zu stehen.
Man kann sicher sein, dass Fegebank bei ihren Querschüssen auch an die Hamburger Uni gedacht hat, die bisher noch keinen Elitetitel hat abräumen können, in der aktuellen Förderrunde aber immerhin mit zwei prämierten Exzellenclustern vertreten ist. Nach dem neuen Verfahren sind mindestens zwei bewilligte Cluster (im Falle von Univerbünden drei Cluster) zwingende Voraussetzung, um überhaupt am Rennen um den Titel Exzellenzuniversität teilnehmen zu dürfen. Auch damit reduziert sich der Kreis der möglichen Sieger von vornherein auf die größeren, finanzstärksten Standorte.
Noch einmal teurer
Auf Drängen Hamburgs, das, wie zu lesen war, mit seinen Vorbehalten nicht allein stand, wird es jetzt eine leicht abgeschwächte Form der Bestenauslese geben. In der anstehenden Runde sollen nun auf jeden Fall elf Exzellenzunis gefördert werden – und nicht nur „acht bis elf“ wie ursprünglich verabredet. Ferner wurden strengere Richtlinien für eine, wie es heißt, „gründliche“ Evaluation fixiert. Eine Anschlussförderung sollen nur Unis und Univerbünde erhalten, die das Ziel des Ausbaus ihrer internationalen Spitzenstellung in der Forschung erreicht und den Nachweis herausragender wissenschaftlicher Leistungen im internationalen Maßstab erbracht haben. Außerdem müssen sie regelmäßig alle sieben Jahre im Wettbewerb mit Neuanträgen die notwendigen zwei Exzellenzcluster erfolgreich neu einwerben. Wer die Anforderungen nicht erfüllt, soll seinen Titel wieder verlieren.
Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) geht davon aus, dass dies „sicherlich einige Unis“ betreffen werde. Die frei werdenden Plätze würden ausgeschrieben und in jedem Fall sollten vier Hochschulen neu zum Zuge kommen. Damit, so Wanka, sei auch die von Hamburg geforderte „Dynamik“ gewährleistet. „Das ist ein wirklich großartiger Tag für das deutsche Wissenschaftssystem, für alle Hochschulen und unseren wissenschaftlichen Nachwuchs.“ Außerdem lies die Ministerin durchblicken, dass der vorgesehene Etat wegen der Neuerungen um eine noch unbestimmte Summe erhöht wird. Die ganze Sache wird also noch einmal teurer.
Kein Elite-Klub für immer?
Oliver Kaczmarak von der SPD-Bundestagsfraktion freute sich über einen „wegweisenden Beschluss“ und darüber, dass es damit keinen „abgeschlossenen Elite-Klub“ geben werde. Dem widersprach umgehend der Parteinachwuchs. Dem Hochschulsystem werde damit „nicht geholfen“, monierte Max Meisenheimer, Bundesvorstandsmitglied bei den Juso-Hochschulgruppen. Weiterhin würde „nur eine kleine Zahl an Hochschulen gefördert“, auf die „Stärkung einer kleinen Elite“ gesetzt, „statt auf die nachhaltige Finanzierung aller Hochschulen“. Vor allem blieben kleine Hochschulen „auf der Strecke“.
Auch Eliteforscher Hartmann sieht im erzielten Kompromiss „keine gravierende Änderung“. Zwar mögen jetzt auch Unis aus Bundesländern zum Zuge kommen, die bisher außen vor blieben, und sich die Zahl der möglichen Auf- und Absteiger erhöhen. „Das Grundprinzip bleibt trotzdem erhalten, dass nämlich einige ausgewählte, finanz- und forschungsstarke Unis dem Rest immer weiter enteilen.“ Auch steige nach dem neuen Modus Evaluation statt Wettbewerb die Wahrscheinlichkeit, dass sich einmal gekürte Unis dauerhaft an der Spitze halten. Für das gesamte Wissenschaftssystem sieht der Soziologe schwarz. „Wenn man die Breite von wissenschaftlichen Möglichkeiten einengt, weil man von vornherein auf bestimmte Hochschulen setzt, dann ergibt das nicht einmal ein Nullsummenspiel, sondern sogar einen Verlust.“
Noch ein paar Brotkrumen (für den Rest)
Noch zwei Initiativen wurden von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern beschlossen: Das Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses soll die „Karrierewege des wissenschaftlichen Nachwuchses an Universitäten besser planbar und transparenter machen“. 1.000 zusätzliche Tenure-Track-Professuren sollen eingerichtet werden, der Bund gibt dafür eine Milliarde Euro – für den Zeitraum 2017 bis 2032. Im Jahr also gerade 66,7 Millionen Euro.
Und dann ist da noch die Initiative „Innovative Hochschule“, die „forschungsbasierte Ideen-, Wissens- und Technologietransfers“ von Hochschulen unterstützen soll – insbesondere „an kleine und mittlere Universitäten sowie an Fachhochschulen“. Hierfür werden für zehn Jahre 550 Millionen Euro bereit gestellt (=55 Millionen Euro im Jahr).
Zur Erinnerung: Für die Exzellenzstrategie stehen jährlich 533 Millionen Euro bereit.
(rw)