Elite über allesExpertenbericht zur Exzellenzinitiative
Dieter Imboden gefällt die „Exzellenzinitiative für Spitzenforschung“ bestens. Etwas anderes als ein „Daumen hoch“ und „Weitermachen“ hat man sich von dem Schweizer Umweltphysiker auch nicht erwartet, als man ihn als Kopf eines internationalen Expertenteams mit dem Mandat auserkor, das seit zehn Jahren bestehende Bund-Länder-Programm einer Revision zu unterziehen (Studis Online berichtete). 16 Monate später ist die Evaluation abgeschlossen, wurde am Freitag in Berlin mit viel Tamtam vorgestellt und alle sind happy: Die Prüfer, die Macher des Projekts und die politisch Verantwortlichen. Der richtige Mann also an der richtigen Stelle – Auftrag erfüllt!
„Die Exzellenzinitiative war in vielerlei Hinsicht ein außergewöhnliches Förderprogramm“, findet der Namensgeber der Imboden-Kommission. Mithilfe der im zurückliegenden Jahrzehnt bereitgestellten 4,6 Milliarden Euro sei an den Universitäten „ein Strukturwandel in Gang gesetzt und die Internationalisierung vorangetrieben“ worden. Das Extrageld für die universitäre Spitzenforschung zeige „erste Früchte“. So sei etwa die hohe Qualität der im Rahmen von Exzellenzclustern entstandenen Publikationen „beeindruckend“. Zudem wäre deutlich geworden, dass sich die deutschen Unis „bezüglich ihrer Forschungsleistungen untereinander markant unterscheiden“.
Fortsetzung folgt
Über ein „erfolgreiches Instrument zur Verbesserung der Qualität und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Wissenschaftssystems“, frohlockt die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK). Das Bund-Länder-Gremium hatte bereits im Herbst 2014 per Grundsatzbeschluss die Fortführung des Uniwettstreits um Geld und Prestige um weitere zehn Jahre fix gemacht. Die laufende dritte Förderrunde endet zum Jahresende 2017. Bis Sommer dieses Jahres muss die Politik über Art und Ausstattung der Anschlussformate befinden. Die Empfehlungen des Imboden-Berichts sollen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden.
Vom Prinzip her sind sich auch die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD einig. Im April 2015 vereinbarten ihre Spitzen, zwischen 2018 und 2028 noch einmal mindestens vier Milliarden Euro an Fördergeldern bereitstellen zu wollen und eine weitere Milliarde in „bessere Karrierewege junger Wissenschaftler“ zu investieren. Differenzen bestehen indes noch bei der Frage, wie viele „Elite“ es beim nächsten Anlauf geben soll. Die Union hätte es gerne noch auserwählter, um eines schönen Tages in einer Liga mit Harvard, Princeton und Oxford mitmischen zu können. Die SPD will dagegen dahin, die Extramilliarden breiter zu streuen, damit ein paar mehr und auch kleinere Hochschulen profitieren.
Waschechter Fan
Egal wie die Details am Ende aussehen – Mit ihrer Festlegung auf „Weiter geht`s“ hatte die Politik schon Nägel mit Köpfen gemacht, noch ehe die Prüfer mit der Evaluation richtig haben loslegen können. Besagter GWK-Entscheid erging gerade mal einen Monat nach der Inthronisierung der zehnköpfigen Kommission. Die Möglichkeit eines negativen Befundes samt der Empfehlung, die Exzellenzinitiative einzumotten, wurde gar nicht erst in Betracht gezogen. Anderseits erschien diese Option von vornherein abwegig. Imboden selbst hatte sich bei seiner Berufung als waschechter Fan der Exzellenzinitiative geoutet. Diese habe „eine nationale Bewegung von einer Größenordnung und Konsistenz“ wie in keinem anderen Land der Welt bewirkt und sei „ein Leuchtturm in der Wissenschaftsgeschichte der letzten zehn Jahre“, schwärmte er seinerzeit. Spricht so einer, der den Machern von „Deutschland sucht die Unistars“ in die Suppe spucken könnte?
Heute sind auch die letzten Restzweifel verflogen. Das Bund-Länder-Programm sei „zu einem Symbol geworden für den Willen, die deutschen Universitäten international besser zu qualifizieren und hat einigen der leistungsfähigsten Universitäten zusätzliche Mittel an die Hand gegeben, um ihre Forschung zu stärken und ihre Strukturen zu optimieren“, heißt es im Endbericht der „Internationalen Expertenkommission zur Evaluation der Exzellenzinitiative“ (IEKE). Empfohlen wird, den Wettbewerb „mindestens im selben Umfang“ wie im Jahr 2014, also mit 500 Millionen Euro im Jahr, fortzuführen. Dabei sollten die „Stärkung der Spitzenforschung“ und „die Verbesserung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Universitäten“ noch konsequenter in den Fokus genommen werden. Im Hinblick auf die begrenzten Mittel dürfe man ihre Wirksamkeit „nicht durch die Vermischung mit anderen Zielen schwächen, seien diese noch so berechtigt und dringend“.
Effizienz durch Spaltung
Übersetzt heißt das: Elite geht über alles, alles andere ist nachrangig. Imboden verkörpert diese Haltung von Berufswegen. Er lehrt an der Eidgenössischen Technischen Universität (ETH) in Zürich und damit an einer der prestigeträchtigsten Hochschulen in ganz Europa. Er ist dazu Aufsichtsratsvorsitzender des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF und stand bis 2012 dem Forschungsrat des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) vor. Die private Stiftung macht in der Alpenrepublik das, was hierzulande die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Wissenschaftsrat im Rahmen der Exzellenzinitiative erledigen: Sie verteilt Geld an Forschungsprojekte und -einrichtungen in staatlichem Auftrag.
Dass es dabei wenige Gewinner und viele Verlierer gibt, liegt in der Natur der Sache. Wie angekündigt, haben sich die Prüfer auch der Frage zugewendet, wie sich die Förderpraxis auf das „Verhältnis von Spitze und Breite“ ausgewirkt hat. Die Antwort ist kurz und unzweideutig. „Die IEKE ist überzeugt, dass eine vertikale (leistungsbezogene) Differenzierung eines nationalen Universitätssystems nicht per se schlecht oder gar ungerecht ist, sondern dessen Effizienz zugutekommt.“ Und weiter: „Für die Förderung in der Breite dienen andere Initiativen, insbesondere der Hochschulpakt“ – Ende der Durchsage.
Aufsteiger und Absteiger
Und dann folgt noch ein Glaubensbekenntnis: „Wichtig ist hingegen, dass die vertikale Differenzierung nicht als unveränderbar angesehen wird, sondern dass die Möglichkeit eines Aufsteigens (und entsprechend eines Absteigens) Teil des Systems ist.“ Und ganz chancenlos sollen die „Kleinen“ ja auch nicht sein. „Mit den Exzellenzclustern II (Förderlinie A) und mit der damit verbundenen speziellen Universitätspauschale von 20 Prozent (neben der Programmpauschale) wird jenen Universitäten, welche bei der Exzellenzprämie (Förderlinie B) (noch) nicht erfolgreich sind, ein Mittel an die Hand gegeben, sich in die Spitzenklasse vorzuarbeiten.“
„Exzellenzprämie“ ist ein neuer Begriff und steht für eine von zwei Förderlinien, die sich die Kommission für die Zukunft wünscht. Die „Exzellenzprämie“ soll die „Zukunftskonzepte“ ersetzen, eine Art Masterplan für fünf Jahre, mit dem sich Unis bis dato das „Elite“-Label verdienen konnten. Aktuell sind elf derart dekoriert. Imboden will den Kreis auf die „zehn Besten“ beschränken und diese für den Zeitraum von sieben bis acht Jahren mit einer Jahresprämie von je 15 Millionen Euro versehen. Wie sie das Geld „im Sinne der Spitzenforschung optimal einsetzen wollen", sollten die Unis frei entscheiden. Die Förderung sogenannter Exzellenzcluster (fachübergreifende Forschungsverbunde verschiedener Wissenschaftsdisziplinen) soll im Wesentlichen beibehalten bleiben, „wenn auch deutlich flexibler bei Budgets und Partnerkonstellation“. Allerdings sollen sich die Unis auch das einen Extrabonus kosten lassen (20 Prozent der Projektkosten).
Exzellent und prekär
Wie erwartet, empfiehlt die Kommission den Verzicht auf „Graduiertenschulen“ zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Das gilt ohnehin als ausgemacht, weil die chronisch unterfinanzierten Hochschulen für die jetzt schon zahlreichen Doktoranden gar keine Verwendung, sprich viel zu wenige Stellen, haben. Das hat eine gewisse Tragik: Die Leute mögen zwar „exzellent“ sein, aber sind nicht zu gebrauchen oder einfach zu teuer im Unterhalt. Heute haben vier von fünf der in Hochschulen und Forschungsinstituten tätigen Jungakademiker eine Anstellung auf Zeit. Das Hire-and-Fire-Prinzip ist gerade bei mit Drittmitteln finanzierten Projekten an der Tagesordnung und besonders drittmittelstark sind ausgerechnet die „Eliteuniversitäten“. So kommt eins zum anderen – exzellent heißt mithin auch prekär.
Vor diesem Hintergrund forderte am Donnerstag die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): „Entfristungsoffensive statt Exzellenzinitiative“. „Mit befristet eingeworbenen Projekt- oder Exzellenzgeldern stellen die Hochschulen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch nur befristet ein. Läuft die Förderung aus, werden die Beschäftigten auf die Straße gesetzt“, monierte der GEW-Vorsitzende Andreas Keller. „Das ist nicht nur unfair gegenüber hoch qualifizierten Beschäftigten, sondern unterminiert zudem die Kontinuität und damit Qualität von Forschung, Lehre und Wissenschaftsmanagement.“
Akademische Zweiklassengesellschaft
Überhaupt schmeckt die ganze „Elitenmacherei“ längst nicht allen. Die Gewerkschaften haben Vorbehalte, von Studierendenverbänden und selbst aus der Wissenschaft gibt es Kontra. Der Soziologe Michael Hartmann zum Beispiel meint, das Programm sei Wegbereiter eines akademischen Zweiklassensystems. „Wenigen gut versorgten Spitzenunis steht ein großer Rest an Massenhochschulen mit unzureichender Finanzierung und minderer Ausstattung gegenüber“, beklagte er im Gespräch mit Studis Online. Nicht zufällig belegten solche Standorte die vorderen Plätze beim Wettbewerb, die auch bei den Drittmittelzuwendungen seitens der freien Wirtschaft oder durch Stiftungen auf der Sonnenseite stünden. „Wer viele Drittmittel bekommt, profitiert von der Exzellenzinitiative. Und umgekehrt gibt es für Siegerunis mehr Drittmittel“, bemerkte der Eliteforscher.
Anklang finden solche Einwände inzwischen auch bei der SPD. Zwar sind die Sozialdemokraten weit davon entfernt, die Exzellenzinitiative grundsätzlich in Frage zu stellen. Immerhin gehen die Überlegungen aber dahin, die Mittel breiter zu streuen, so dass nicht mehr nur wenige „Leuchttürme“ viel Geld und Ruhm einheimsen, sondern insgesamt mehr Hochschulen zum Zug kommen, mithin auch Fachhochschulen. Konkret schwebt der SPD die Auszeichnung mehrerer Hochschulen im Paket in Gestalt regionaler Verbünde vor. Bei diesem eher egalitären Ansatz würden nicht länger einzelne Unis triumphieren, sondern Forschungsregionen oder, wies es heißt, „exzellente Hochschulnetzwerke für Innovation“.
Politik: Klappe halten!
Die Onlineausgabe der Wochenzeitung Die Zeit nennt diese Variante eine „Allianz der Zukurzgekommenen“. Nicht nur hätten damit kleine Unis eine Chance auf einen Exzellenztitel, „auch die Lehre (Studenten), die anwendungsorientierte Forschung (Fachhochschulen) oder der Wissenstransfer (Unternehmen), die bislang kaum von der Exzellenzinitiative profitiert haben, dürften in diesem Fall auf Gütesiegel und Geld hoffen“.
Für Imboden läuft so etwas unter „Verwässerung“. Um im Bild zu bleiben: Bei mehr „flüssigen“ Hochschulen lässt an der Spitze die „Konzentration“ nach. Der Schweizer hatte sich bereits unter der Woche gegen eine „politische Instrumentalisierung“ der Resultate verwahrt und gemünzt war das augenscheinlich auf die SPD. Die Politik möge zwar im Grundsatz die Weichen stellen, sich „aus den Gestaltungsdetails (...) dagegen nach Möglichkeit völlig heraushalten“.
„Ich erwarte von der Politik, dass sie die Empfehlungen der Expertenkommission, welche sie ja selber eingesetzt hat, sehr genau studiert und transparent macht, wieso sie allenfalls zu einem anderen Entscheid kommt.“
Schongang oder harte Tour
Der Schweizer hält die Exzellenzinitiative offensichtlich für einen Selbstläufer. Daraus spricht eine verquere Sicht der Dinge: Klar – Die Politik war es, die das Programm ermöglicht hat. Dann muss aber Schluss sein mit der Einflussnahme, der Rest regelt sich von allein, die Wissenschaft weiß schließlich am besten, was gut für sie ist. Dass hingegen Politik gestaltend auf ein Projekt einwirkt, das sie überhaupt erst in die Wege geleitet und mit üppig viel Steuergeld unterlegt hat, ist dieser Haltung fremd und entspricht dem weitverbreiteten, selbst in der politischen Klasse tief verwurzelten Glauben, staatliche Regulierung wäre per se Teufelszeug.
Mit Sorge blicken vorneweg die schon gekürten „Eliteunis“ auf das Schongang-Elite-Modell der SPD, mit dem die Leuchttürme praktisch eingemeindet würden. Wer macht sich gerne in einer „Regionalauswahl“ gemein, wenn man als Einzelkämpfer viel mehr Publicity und Bewunderung abkriegt. Das entspricht ganz der Linie der Union, die da lautet: Elite auf die harte Tour. Der Koalitionspartner wolle statt einer Exzellenz- eine „Gießkanneninitiative“, mäkelte jüngst CSU-Mann Albert Rupprecht von der Unionsfraktion. Er selbst liebäugelt damit, nur noch „vier bis fünf Unis“ mit dem Elitesiegel und jede einzelne mit jährlich 20 Millionen Euro extra zu beglücken. Auch in punkto Exzellenzcluster möchte die Union abspecken. Von den aktuell 43 sollen lediglich „20 plus X“ übrigbleiben. Die SPD spricht sich für „mindestens 40“ aus. Grob überschlagen könnte ein Prorammzuschnitt nach dem Muster der Union den Gewinnern rund doppelt so viel Geld bescheren wie bisher.
„Das geht jetzt schnell“
Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) lässt derweil keine Zweifel aufkommen, wofür sie steht. Sie sei „für Leuchttürme in der Spitzenforschung. Es hat sich seit Beginn der Exzellenzinitiative bewährt, wirklich Exzellenz zu fördern.“ Laut Zeit-Online spielt ihr dabei vielleicht auch der Handlungsdruck in die Hände. So könnte sie den Abgabetermin für den Imboden-Bericht „bewusst so spät festgelegt“ haben, um den Ländern die Bedingungen zu diktieren. Passend dazu versprach sie heute: „Das geht jetzt schnell.“ Bis Juni 2016 Jahres müssen die Wissenschaftsminister in Bund und Ländern den Ministerpräsidenten ihren – einstimmig zu fassenden – Vertragsentwurf zur neuen Exzellenzinitiative präsentieren. Von da an bleiben nur noch eineinhalb Jahre, um den Wettbewerb durchzuführen und die Sieger zu prämieren. Oder auch nicht: Imboden schlägt vor, „die Laufzeit aller Projekte der jetzt laufenden Exzellenzinitiative um zwei Jahre, d. h. bis Ende 2019, zu verlängern“.
Grundfinanzierung aufbessern
Die GEW hält es dagegen für grundfalsch, über neue Geschenke für ein paar auserlesene Unis nachzudenken, solange der große Rest Mangel leidet. „Bei der Finanzierung der Spitzenforschung an wenigen Exzellenzuniversitäten geizen Bund und Länder nicht mit Milliarden, gleichzeitig stagniert die Grundfinanzierung der Hochschulen. In vielen Ländern werden die Haushalte sogar gekürzt. Das ist der falsche Ansatz“, befand GEW-Vize Keller. Richtig sei es, erst eine gemeinsame Initiative für eine bessere Finanzausstattung der Hochschulen zu starten, „und dann zu sehen, welchen Spielraum es für eine Neuauflage der Exzellenzinitiative gibt“.
Über „teilweise unerträgliche Zustände an Hochschulen“, klagt auch die Bundestagsfraktion der Partei Die Linke. „Wie soll Talent in schlecht ausgestatteten Einrichtungen und überfüllten Hörsälen gefördert – ja, überhaupt erst einmal entdeckt werden – bei Betreuungsschlüsseln von Professorinnen und Professoren zu Studierenden von eins zu 60 bis eins zu 70?“.
„Leucht- und Elfenbeintürme sind einsam und erkenntnisarm“, findet man beim „freien zusammenschluss von studentInnenschaften“ (fzs). „Im Ergebnis wird ein Prinzip angesteuert, bei dem immer diejenigen viel erhalten, die ohnehin schon viel haben. Die Exzellenzspirale dreht und dreht sich im Kreis.“ Auch Eliteforscher Hartmann ist sich sicher: „Die Spaltung der Hochschullandschaft wird durch die Fortsetzung weiter forciert.“ (rw)