HochschulpolitikWas noch zur OECD-Bildungsstudie zu sagen ist
Alle Jahre wieder veröffentlicht die OECD ein massives Werk über den Stand von Bildung und Ausbildung rund um die Welt: Education at a glance (4 MB PDF, wem das zu viel ist, der kann immer noch die Zusammenfassung mit Hardcore-Zahlen lesen). Und alle Jahre wieder kocht fast alles, was irgendwie meint, mit diesem Bereich etwas zu tun zu haben, sein Süppchen mit diesen Zahlen.
Dabei ist es für einzelne Studis, Lehrende oder SchülerInnen nachgerade unglaublich egal, ob das eigene Vaterland mehr oder weniger ausgibt, bessere oder schlechtere PISA-Scores hat, die Kinder kürzer oder länger in den Schulen einsperrt, als die Vaterländer anderer Menschen in ihrer Position. Interessant ist da doch eher, ob sie lernen, lehren, forschen können, was sie wollen und vielleicht auch, was gesellschaftlich notwendig ist. Relevant würde der Vergleich allenfalls, wenn wir einen wüsten Rückfall in Nationalismus, Patriotismus und Völkerschlachten hätten. Sollte der letzte Satz angesichts des real existierenden Echos auf die OECD-Rankings aber wirklich noch im Konjunktiv stehen?
Im Ernst geht es der OECD natürlich auch nicht um die Interessen der mit Bildung irgendwie beschäftigten Individuen. Sätze wie "The level of educational attainment of the population is a commonly used proxy for the stock of 'human capital', that is, the skills available in the population and labour force" oder "Rising skill demands in OECD countries have made qualifications at the upper secondary level of education the minimum credential for successful labour market entry" machen eigentlich schon ausreichend klar, warum die OECD-Staaten das Geld für die 456-seitige Zahlensammlung hochhusten.
Dabei sind die Schätzungen der OECD zu Bildungsbeteiligung, Gender Issues und vielleicht sogar Lesefähigkeiten durchaus gerade dann interessant, wenn mensch herausfinden möchte, ob denn unser Bildungssystem in der Breite für aufgeklärte, selbstbestimmte und zur gesellschaftlichen Partizipation fähige Menschen sorgt (von tiefen Einsichten in Naturgeschichte, Kunst, das Universum und die Philosophie mal ganz zu schweigen). Umgekehrt ist allerdings auch fraglich, ob die Zahlen wirklich so großen Erkenntniswert haben, denn natürlich sind die meisten der Zahlen genau das, Schätzungen nämlich, und häufig, im Fall etwa von PISA-Ergebnissen, gar noch Scores aufgrund von durchaus nicht felsenfest stehenden Modellen. Skepsis schon allein aufgrund der nur selten angegebenen Fehlerschranken ist also angebracht.
Auch deshalb sollten gerade forschrittlichere Organisationen wie etwa der fzs vorsichtig sein, wenn sie sich in den Chor der InterpretInnen einreihen, schon gar unter einem Horrortitel Marke "OECD-Studie alarmierend für Deutschland". Hätte es nicht "OECD: Bildungssystem der BRD ungerecht, ausgrenzend und unwirksam" auch getan? Aber immerhin, ein Satz wie "Wenn Bildungspolitik noch stärker in den Wettbewerb zwischen den Ländern überführt wird, dann werden gerade soziale Gesichtspunkte auf der Strecke bleiben" mag da ein bisschen versöhnen. Dafür hat er eigentlich nichts mit den Ergebnissen aus Paris zu tun.
Derweil gilt: Argumente wie "die anderen geben mehr Geld aus, und zur Rettung Deutschlands müssen wir mehr in die Bildung investieren" sind und bleiben etliche Kilometer daneben. Wenn Frontalunterricht vergöttert ("Spitzenkräfte für die Lehre gewinnen"), schon die Harmlosigkeit der VS vom Typ HRG6 niederprozessiert, das gesamte Lehr- und Forschungspersonal im tertiären Bereich beliebig prekarisiert wird, Lehrpläne von Privatunternehmen geschrieben und Unis zu zu solchen gemacht werden, dann haben fortschrittlich denkende Menschen wahrhaftig genug andere Kritikpunkte als "die da gefährden Deutschlands Zukunft" und andere Forderungen als "12% vom Bruttosozialprodukt".
Hinweis: Dieser Artikel beruht zum größten Teil auf einem Artikel von UNiMUT aktuell (Uni Heidelberg), wir haben minimale Änderungen vorgenommen.
- Die Kultusministerin Annette Schavan hält das Konvolut für "systematisches Schlechtreden" und säuselt: "Vorrangig sind die Weiterentwicklung von Unterricht und pädagogischen Konzepten sowie die Umsetzung der Bildungsstandards. Entscheidend sind Ergebnisse, nicht Strukturdebatten."
- SPD-Chefgebührenhetzer Peter Glotz bedauert, dass Achtjährige 160 Stunden im Jahr weniger Unterricht haben als in den Feindnationen und Eliteunis und Studiengebühren und alles nicht schnell genug kommen.
- Die GEW beklagt mal wieder, dass in der BRD nur 9.7% der öffentlichen Ausgaben in die Bildung fließen, während der OECD-Durchschnitt 12.7% seien.
- KMK und BMBF stellen zufrieden fest, die Bildungsbeteiligung sei "hoch, aber ausbaufähig" und jedenfalls nicht so viel schlechter als bei der Konkurrenz.
Dabei ist es für einzelne Studis, Lehrende oder SchülerInnen nachgerade unglaublich egal, ob das eigene Vaterland mehr oder weniger ausgibt, bessere oder schlechtere PISA-Scores hat, die Kinder kürzer oder länger in den Schulen einsperrt, als die Vaterländer anderer Menschen in ihrer Position. Interessant ist da doch eher, ob sie lernen, lehren, forschen können, was sie wollen und vielleicht auch, was gesellschaftlich notwendig ist. Relevant würde der Vergleich allenfalls, wenn wir einen wüsten Rückfall in Nationalismus, Patriotismus und Völkerschlachten hätten. Sollte der letzte Satz angesichts des real existierenden Echos auf die OECD-Rankings aber wirklich noch im Konjunktiv stehen?
Im Ernst geht es der OECD natürlich auch nicht um die Interessen der mit Bildung irgendwie beschäftigten Individuen. Sätze wie "The level of educational attainment of the population is a commonly used proxy for the stock of 'human capital', that is, the skills available in the population and labour force" oder "Rising skill demands in OECD countries have made qualifications at the upper secondary level of education the minimum credential for successful labour market entry" machen eigentlich schon ausreichend klar, warum die OECD-Staaten das Geld für die 456-seitige Zahlensammlung hochhusten.
Dabei sind die Schätzungen der OECD zu Bildungsbeteiligung, Gender Issues und vielleicht sogar Lesefähigkeiten durchaus gerade dann interessant, wenn mensch herausfinden möchte, ob denn unser Bildungssystem in der Breite für aufgeklärte, selbstbestimmte und zur gesellschaftlichen Partizipation fähige Menschen sorgt (von tiefen Einsichten in Naturgeschichte, Kunst, das Universum und die Philosophie mal ganz zu schweigen). Umgekehrt ist allerdings auch fraglich, ob die Zahlen wirklich so großen Erkenntniswert haben, denn natürlich sind die meisten der Zahlen genau das, Schätzungen nämlich, und häufig, im Fall etwa von PISA-Ergebnissen, gar noch Scores aufgrund von durchaus nicht felsenfest stehenden Modellen. Skepsis schon allein aufgrund der nur selten angegebenen Fehlerschranken ist also angebracht.
Auch deshalb sollten gerade forschrittlichere Organisationen wie etwa der fzs vorsichtig sein, wenn sie sich in den Chor der InterpretInnen einreihen, schon gar unter einem Horrortitel Marke "OECD-Studie alarmierend für Deutschland". Hätte es nicht "OECD: Bildungssystem der BRD ungerecht, ausgrenzend und unwirksam" auch getan? Aber immerhin, ein Satz wie "Wenn Bildungspolitik noch stärker in den Wettbewerb zwischen den Ländern überführt wird, dann werden gerade soziale Gesichtspunkte auf der Strecke bleiben" mag da ein bisschen versöhnen. Dafür hat er eigentlich nichts mit den Ergebnissen aus Paris zu tun.
Derweil gilt: Argumente wie "die anderen geben mehr Geld aus, und zur Rettung Deutschlands müssen wir mehr in die Bildung investieren" sind und bleiben etliche Kilometer daneben. Wenn Frontalunterricht vergöttert ("Spitzenkräfte für die Lehre gewinnen"), schon die Harmlosigkeit der VS vom Typ HRG6 niederprozessiert, das gesamte Lehr- und Forschungspersonal im tertiären Bereich beliebig prekarisiert wird, Lehrpläne von Privatunternehmen geschrieben und Unis zu zu solchen gemacht werden, dann haben fortschrittlich denkende Menschen wahrhaftig genug andere Kritikpunkte als "die da gefährden Deutschlands Zukunft" und andere Forderungen als "12% vom Bruttosozialprodukt".
Hinweis: Dieser Artikel beruht zum größten Teil auf einem Artikel von UNiMUT aktuell (Uni Heidelberg), wir haben minimale Änderungen vorgenommen.
- Gemeinsame Presseerklärung von BMBF und KMK (zur Vorstellung der OECD-Studie)
- OECD-Studie alarmierend für Deutschland fzs fordert Korrekturen bei Finanzierung, Kompetenzverteilung und Bachelor/Master (14.09.2004)
- Fabrication at a glance (Artikel beim UNiMUT Heidelberg, 15.09.2004)