Die geheimen ImmerbesserverdienerGehaltsboni für Hochschulchefs
Die NachDenkSeiten, ein zeitkritisches Politikportal im Internet, veröffentlichten am Montag eine Liste zur Gehaltsentwicklung der Vorsteher von Universitäten und Fachhochschulen (FHs) in Nordrhein-Westfalen (NRW). Eigentlich ist sie nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und das hat Gründe. Seit Inkrafttreten des sogenannten Hochschulfreiheitsgesetzes zu Jahresanfang 2007 werden die über das Grundgehalt und die fest vereinbarten „Funktionsleistungsbezüge“ hinausgehenden Zulagen frei und geheim mit dem sogenannten Hochschulrat ausgehandelt. Dieses in der Regel mehrheitlich von externen Lobbyisten aus Industrie und Finanzwirtschaft besetzte und mit viel Macht ausgestattete Gremium entscheidet seither ähnlich einem Konzernaufsichtsrat über die Geschicke der jeweiligen Hochschule. Die Ratsmitglieder agieren weitgehend undemokratisch und intransparent. In ihrer Arbeit sind sie weder den Hochschulen noch den Parlamenten und Landesregierungen rechenschaftspflichtig.
Seit 2007 werden die über das Grundgehalt und die fest vereinbarten „Funktionsleistungsbezüge“ hinausgehenden Zulagen frei und geheim mit dem sogenannten Hochschulrat ausgehandelt
60.000 Euro durch Zulagen
Das zahlt sich aus – beispielsweise für den Rektor der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen, Ernst Schmachtenberg. Er ist auf bestem Wege, seine Bezüge aus dem Jahr 2004 demnächst zu verdoppeln. Damals erhielt er 88.640 Euro, bezahlt nach der Gehaltsgruppe B6 für Spitzenbeamte. 2012 waren es bereits knapp 64.000 Euro mehr, das ist eine Steigerung um drei Viertel. Immerhin: 2008 und 2010 hat er insgesamt exakt dieselbe Summe verdient. Auffallend ist aber der riesige Satz, den er davor hingelegt hat. 2006 summierten sich Schmachtenbergs Zulagen noch auf knapp 21.000 Euro, zwei Jahre später – nach Greifen der Hochschulreform – betrug der Bonus mit einem Mal fast 40.000 Euro mehr, nämlich 61.355 Euro. 2010 und 2012 gab es für ihn jeweils etwas weniger. Dafür legte der Unichef beim Festgehalt zu, wodurch er beide Male punktgenau bei den schon 2008 erreichten 152.528 Euro landete.
Unter den NRW-Rektoren ist Schmachtenberg der Bestverdiener, aber am Hungertuch nagen auch seine Kollegen nicht. Die allermeisten halten sich mit ihrem 2012er-Salär in einer Bandbreite zwischen 130.000 und 137.000 Euro auf, bei den Zulagen reicht das Spektrum von 30.000 bis 43.000 Euro. Mit dem Bielefelder Unirektor Gerhard Sagerer gibt es lediglich einen Ausreißer nach unten. Er brachte es 2012 auf rund 117.000 Euro, davon 23.000 Euro durch Zulagen. Ausnahmslos für alle Posten gilt allerdings: Die Bezahlung liegt deutlich, nämlich um mindestens 32.000 Euro über dem, was noch 2004 zu haben war, in den meisten Fällen beträgt das Plus 40.000 bis 50.000 Euro. Und in nahezu allen Fällen sind vor allem die frei verhandelten Zulagen stattlich gewachsen.
Kassieren wie ein Staatssekretär
Zuständig für die Hochschulhaushalte sind die Hochschulkanzler, die zugleich im Rektorat bzw. Präsidium sitzen. Auch sie kommen seit der Reform sehr viel besser weg als zuvor. Im Durchschnitt beliefen sich ihre Bezüge 2012 auf 110.000 Euro, 2006 waren es noch rund 77.000 Euro. Und auch bei ihnen ging es seither vor allem bei den mit den Hochschulräten verhandelten Zulagen steil nach oben. Spitzenreiter, sowohl bei den Zulagen mit 48.075 Euro als auch beim Gesamtverdienst mit 133.781 Euro ist Michael Stückradt von der Universität Köln. Als ehemaliger Kanzler der RWTH Aachen hatte er sich 2005 mit nicht einmal 80.000 Euro begnügen müssen. Danach war Stückradt als Staatssekretär unter Ex-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) in die Politik gewechselt und hatte in dieser Funktion maßgeblich an dessen Hochschulfreiheitsgesetz mitgewirkt. Zurück auf der Hochschullaufbahn ist er als Kölner Unikanzler seit Sommer 2012, wobei sein jetziges Gehalt durchaus mit dem eines Staatssekretärs mithalten kann.
Darben müssen auch die Spitzen der Fachhochschulen nicht. Mit Abstand am besten verdient der Präsident der Kölner FH, Christoph Seeßelberg, der zuletzt 127.320 Euro auf der Habenseite verbuchen durfte, davon allein knapp 40.000 Euro aus Zulagen. Sonst bekommen die FH-Chefs zwar deutlich weniger als ihre Uni-Kollegen, im Mittel lassen sie sich aber immerhin noch 100.000 Euro pro Jahr bewilligen. Und wie gehabt: Vor der großen „Hochschulfreiheit“ lebte es sich als FH-Leiter mit im Schnitt 77.000 Euro deutlich schlechter als heute.
"Unternehmerische Hochschule"
Nun kann man den Hochschulvorstehern durchaus zugutehalten, etwas zu leisten. Aber das tun auch Normalverdiener Tag für Tag und die müssen froh sein, wenn sie es auf ein jährliches Lohnplus von ein, zwei Prozent bringen. Allerdings herrschen in den Vorstandsetagen der deutschen Unternehmen und Konzerne bekanntlich andere Gesetze. Und genau diese sind es, die mittlerweile auch an den Hochschulen Einkehr gehalten haben. Dazu zählt eben auch: Wer täglich dem unerbittlichen Wettbewerb um die Einwerbung von Drittmitteln ausgesetzt ist, sollte das entsprechend vergolten bekommen. Einziger Unterschied: Die Gehaltsboni der Hochschulmanager werden mit Steuergeldern finanziert und nicht aus Konzernprofiten. Eine Parallele gibt es aber sehr wohl: Managerboni gehen in der Regel zu Lasten der einfachen Arbeiter und Angestellten. An den Hochschulen kennt man die als „akademisches Prekariat“.
Das NRW-Hochschulfreiheitsgesetz war bundesweit so etwas wie der Dosenöffner dafür, Deutschlands höchste Bildungsanstalten auf Marktförmigkeit zu trimmen. Die Vision dahinter ist die „unternehmerische Hochschule“, ein Konzept, das vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) entwickelt und mit allerhand politischem und publizistischem Einfluss salonfähig gemacht wurde. Das CHE wird von der Bertelsmann Stiftung und der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) gesponsert. Der mehrheitlich von der Stiftung getragene Bertelsmann-Konzern ist wiederum einer der größten und stärksten Akteure auf dem freien Bildungsmarkt. Die „unternehmerische Hochschule“ wurde vor über sieben Jahren praktisch eins zu eins durch die NRW-Regierung in Gesetzesform gegossen.
DGB will Hochschulräte abschaffen
Hochschulfreiheitsgesetze nach dem NRW-Muster gibt es inzwischen in einer ganzen Reihe anderer Bundesländer. Im Zentrum der Neuausrichtung stehen dabei immer die installierten Hochschulräte, die abseits jeder demokratischen Kontrolle über die strategische Ausrichtung von Lehre und Forschung bestimmen. Mancherorts sind diese gar befugt, die Rektoren und Präsidien zu wählen. Sachverstand ist dabei nicht zwingend. Mehrheitlich werden die Gremien mit Wirtschaftsvertretern bestellt, die laut Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB) „keine besonderen Kenntnisse besitzen und nicht einmal mit dem Hochschulwesen vertraut sein“ müssten. Der DGB-Bundesvorstand hat Ende 2012 ein Programm „für eine demokratische und soziale Hochschule“ beschlossen, das für die Abschaffung der Räte zugunsten „plural zusammengesetzter Kuratorien“ plädiert.
Aber selbst innerhalb der Politik, die der „unternehmerischen Hochschule“ einst den roten Teppich ausgerollt hatte, stößt das Leitbild mittlerweile auf einigen Missmut. In Baden-Württemberg und NRW wird der Fortbestand der Hochschulräte von Regierungsseite immerhin vorsichtig in Frage gestellt – mehr aber auch nicht. An Rhein und Ruhr wird seit Monaten über eine Vorlage für ein neues „Hochschulzukunftsgesetz“ gestritten, die zumindest in Ansätzen eine Abkehr von den „Freiheiten“ der bestehenden Rechtslage vorsieht. Geharnischte Kritik hagelt es vor allem von Seiten der Hochschulrektoren. Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler, wähnt „in zentralen Punkten die Wissenschaftsfreiheit und Autonomie in inakzeptabler Weise eingeschränkt“. Und die Wochenzeitung Die Zeit fürchtet sogar die „Rückkehr zur Planwirtschaft“.
Kein bisschen Transparenz
Das ist zwar barer Unsinn, denn der Gesetzentwurf ist weit davon entfernt, die Wiederkehr der alten Gruppenhochschule einzuläuten. Die Hochschulräte sollen weder eliminiert, noch soll der Geheimnistuerei bei der Bezahlung der Hochschulchefs eine Ende bereitet werden. Allein folgende Korrektur wird in Aussicht gestellt: „Das Ministerium veröffentlicht jährlich an geeigneter Stelle den anonymisierten Durchschnitt und die anonymisierte Gesamtsumme der für die Tätigkeit im Haushaltsjahr gewährten Bezüge der hauptberuflichen Präsidiumsmitglieder der Universitäten und Fachhochschulen.“ Wer weiß? Vielleicht geht dieses bisschen Transparenz manch einem schon zu weit.
(rw)