CSU und FDP erzielen EinigungAus für Studiengebühren in Bayern
Offenbar ist den Liberalen die eigene Existenz doch wichtiger als ihre Prinzipien. Wäre die FDP bei Ihrer Trotzhaltung gegenüber dem großen Bruder geblieben, hätte ihr im Spätsommer eine Abfuhr durch den Wähler geblüht. Fast drei Viertel der Bürger im Freistaat wollen die seit 2007 erhobenen Studiengebühren beseitigt wissen. Dass der Rest geschlossen für die Freidemokraten votiert, wenn sie Standhaftigkeit beweisen, war der Parteispitze eine wohl doch zu blauäugige Rechnung. Also entschied man sich fürs Umfallen, in der Hoffnung, das Stimmvolk möge es ihr mit dem Ticket zum Wiedereinzug ins Parlament danken. Ob das aufgeht, muss sich zeigen. Aktuelle Umfragen sehen die Partei bei mageren drei Prozent.
Trotzig für Galerie
Studiengebühren vor dem Aus: Ein wenig Spannung verspricht nur noch, ob und wie viele Abweichler es in den Reihen der Christsozialen geben wird
Und wirklich einknicken müssen die FDP-Abgeordneten bei der entscheidenden Abstimmung im Parlament ja auch gar nicht. Laut der am Samstag von den Koalitionären getroffenen Abmachung entfällt nämlich die "Verpflichtung zur einheitlichen Stimmabgabe", wie sie für die Regierungsparteien üblicherweise bei Beschlussfassungen gilt (Pressemitteilung). Das heißt: Die Liberalen können durchaus en bloc gegen die Abschaffung des Bezahlstudiums den Finger heben. Weil neben der CSU die gesamte Opposition aus SPD, Grünen und Freien Wählern (FW) für das Gebührenaus plädiert, ist es letztlich egal, ob die FDP weiter den Trotzkopf markiert. Eine satte Mehrheit für das Gebührenaus ist ausgemacht – ob mit oder ohne FDP.
Ein wenig Spannung verspricht nur noch, ob und wie viele Abweichler es in den Reihen der Christsozialen geben wird. So manchem in der Partei wird es ziemlich gegen den Strich gegangen sein, wie Ministerpräsident Horst Seehofer seine Partei praktisch über Nacht vom glühenden Verfechter zum Feind des Inkassostudiums verbogen hat. Es war die CSU, die die allgemeinen Studiengebühren vor knapp sechs Jahren eingeführt und noch bis vor wenigen Monaten als Erfolgsmodell gepriesen hatte. Dann kam im Oktober 2012 der Entscheid des Landesverfassungsgerichts, das von den Freien Wählern initiierte Volksbegehren zur Abschaffung der Gebühren zuzulassen – und mit ihm die wundersame 180-Grad-Wendung Seehofers. (Erfolgreiches Volksbegehren: Studiengebühren in Bayern erledigt?)
Volkentscheid fällt aus
Nachdem im Januar das Bündnis "Ja zur Bildung. Nein zu Studiengebühren" die für die Einleitung eines Volksentscheids nötigen Unterschriften zusammenbekommen hatte, war es nur noch eine Frage der Zeit, wann die FDP ihren Widerstand aufgeben wird. Freilich legt die jetzt auf die Darstellung wert, weise und vernünftig gehandelt zu haben. "In einer Demokratie ist es notwendig, auch zu Kompromissen bereit zu sein", äußerte sich Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) in einer Stellungnahme der Staatsregierung. Und sein Parteikollege, Wirtschaftsminister Martin Zeil setzte am Montag im Bayerischen Rundfunk nach: "Wir mussten erkennen, dass die CSU nicht bereit ist, es zum Volksentscheid kommen zu lassen, und diese schwierige Situation mussten wir verantwortungsvoll auflösen."
Kompensation für Hochschulen
Die am Samstagabend durch Seehofer und die FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger vorgestellte Einigung sieht für die Hochschulen des Landes ab 1. Oktober einen "vollständigen Ersatz für die Studienbeiträge aus dem Staatshaushalt" vor. Im Doppelhaushalt 2013/14 sollen dafür insgesamt 219 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. "Mir war es besonders wichtig, dass keine Hochschule und ihre Studierenden schlechter gestellt werden als bisher", meinte dazu Heubisch. Den FDP-Segen zum Bruch des Koalitionsabkommens, in dem eigentlich Studiengebühren festgeschrieben stehen, musste sich CSU teurer erkaufen. Auf Betreiben des Juniorpartners sollen weitere 200 Millionen Euro für Investitionen in die frühkindliche und berufliche Bildung aufgebracht werden. "Das ist kein Geschenk an die FDP, sondern es ist eine Finanzierung zugunsten der Zukunftschancen der jungen Menschen", erklärte dazu Zeil.
Freude bei Studierendenvertretern
Nach Auffassung der Grünen im Münchner Landtag "rettet sich (die Koalition) mit viel Geld und Kosmetik in die nächste Runde", monierte die Fraktionsvorsitzende Margarete Bause per Pressemitteilung. Zugleich sprach sie von einem "grandiosen Erfolg" des Volksbegehrens, der Druck der Opposition habe die Regierung letztlich "zum Handeln gezwungen – und die FDP erwartungsgemäß einknicken lassen". Erfreut zeigten sich auch Studierendenvertreter: Die Lorbeeren gebührten der "Hartnäckigkeit und dem beständigen Einsatz" der Gebührengegner in den vergangenen sechs Jahren, taten das bundesweite Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) und die bayerische Landes-Asten-Konferenz (LAK) in einer gemeinsamen Presserklärung kund. Von der Koalition erwarte man jetzt, "dass nicht nur die allgemeinen Studiengebühren Geschichte in Bayern sind", bemerkte LAK-Sprecher Stefan Erhardt und mahnte: "Der Verwaltungsbeitrag wurde in Bayern bereits abgeschafft und darf jetzt nicht wieder eingeführt werden, um die Studiengebühren durch die Hintertür einzuziehen."
Die (sogar höheren) Gebühren für berufsbegleitende Bachelor-Studiengänge bleiben übrigens erhalten – sie waren beim Volksbegehren ausdrücklich ausgenommen.
Perfekt ist die Abschaffung der allgemeinen Studiengebühren in Bayern derweil noch nicht ganz. Das beschlossene Maßnahmenpaket soll Anfang März im Kabinett beraten und danach dem Landtag zugeleitet werden. Nach den Regularien der bayerischen Volksgesetzgebung könnten bis zur entscheidenden Abschlusssitzung dann noch einmal drei Monate vergehen. Wahrscheinlich ist allerdings ein zügiges Prozedere. Seehofer will den Fall möglichst rasch und weit im Vorfeld des Urnengangs im September erledigt haben. Nicht nur geht der Opposition damit ein wichtiges Thema flöten, mit dem sie hätte punkten können. Vielen Wählern dürfte in einem halben Jahr auch nicht mehr bewusst sein, dass der CSU-Chef eigentlich ein Gebührengegner wider Willen ist.
Muckt FDP-Basis auf?
Ein kleines Fragzeichen steht indes noch über dem Ausgang des Landesparteitages der Bayern-FDP am nächsten Wochenende. Dort müssen die Delegierten dem Verhandlungsergebnis erst noch zustimmen. Die Julis, die Parteijugendorganisation, hat bereits angekündigt, den Kompromiss aus Gründen fehlender finanzpolitischer Solidität ablehnen zu wollen. Dass daraus eine breite Ablehnungsfront wird, steht jedoch nicht zu erwarten. Leutheusser-Schnarrenberger äußerte sich zuversichtlich, den Beschluss gut vertreten zu können. Und auch Fraktionschef Thomas Hacker glaubt nicht, für die Einigung mit der CSU abgestraft zu werden. Häme setzt es dafür von Michael Piazolo, Generalsekretär der Freien Wähler und Initiator des Volksbegehrens: "Praktisch in letzter Minute dreht die FDP einmal mehr in der Geschichte ihr Fähnchen nach dem Wind" (Artikel in der Welt).
(rw)