Bezahlstudium am Ende?Volksbegehren gegen Studiengebühren in Bayern startet
Das Volksbegehren kann es möglich machen: Ein Bayern (fast) ohne Studiengebühren
Fast muss es heißen, da weiterbildende und berufsbegleitende Studiengänge auch bei Erfolg des Begehrens kostenpflichtig bleiben können (und das Studium an privaten Hochschulen sowieso).
Tatsächlich sind die Freidemokraten die letzte politische Kraft im Freistaat, die dem Bezahlstudium die Stange hält. "Wir haben damit in den vergangenen Jahren eine extreme Verbesserung der Studienbedingungen erreicht", behauptete Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) dieser Tage und wärmte ein bei Gebührenfans beliebtes Klischee auf: "Soll es etwa sozial gerecht sein, wenn die Arzthelferin mit ihren Steuern das Studium des späteren Chefarzts mitfinanzieren soll?" Zum Beleg berufen sich die Liberalen gar auf die allerhöchste Instanz. "Die Bischofskonferenz hält Studienbeiträge ebenfalls für sozial gerecht." Soll heißen: Auch Gott ist für's Abkassieren.
Mehrheit gegen Unimaut
Nur zieht das nicht einmal mehr im katholischen Kernland Bayern. Nach der jüngsten Infratest-Dimap-Erhebung wünschen sich knapp drei Viertel der Befragten die Abschaffung der Unimaut, lediglich 25 Prozent wollen daran festhalten. Für den Initiator des Volkbegehrens und Generalsekretär der Freien Wähler (FW), Michael Piazolo, ist das Ansporn und Warnung zugleich. Das Ergebnis zeige, "dass die breite Mehrheit der Bevölkerung unserer Politik folgt", deshalb würden aber "nicht automatisch" alle Fürsprecher in die Rathäuser gehen und sich in die Listen eintragen. Es genüge nicht, nur die Studierenden zu mobilisieren und vielleicht noch deren Eltern. Vielmehr müssten auch die nicht direkt betroffenen Gebührengegner zur Unterschrift bewegt werden.
Die erste Hürde für die Zulassung des Volksbegehrens hatten die Freien Wähler im Juni 2012 mit der Vorlage von knapp 30.000 Unterschriften genommen, verlangt waren 25.000. Nun müssen vom 17. bis 31. Januar 940.000 Unterstützer und damit zehn Prozent der Wahlberechtigten ihre Unterschrift abgeben. Damit wäre die Voraussetzung für den dann möglichen Volksentscheid erfüllt, bei dem das Akademiker-Inkasso mit einer Mehrheit der Abstimmenden zu Fall gebracht werden müsste.
CSU plötzlich geläutert
Es könnte aber auch ganz anders kommen. Verläuft das Volkbegehren erfolgreich, wäre die Landesregierung imstande, von sich aus die Weichen auf dessen Vollzug zu stellen. Um diesem Gesetzeskraft zu verleihen, bräuchte es eine einfache Mehrheit im Landtag. Das Besondere an der Situation in Bayern ist, dass die regierende CSU genau das will. Kaum hatte nämlich der Verfassungsgerichtshof im Oktober des Vorjahres wider Erwarten grünes Licht für die Initiative der Freien Wähler gegeben, legten die Christsozialen eine sagehafte Metamorphose hin: vom leidenschaftlichen Gebührenfan zum erbitterten Gebührengegner. Von da an lautete die von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) ausgegebene Parole: Die Campusmaut muss weg.
Zur Erinnerung: Es war dieselbe CSU, die unter dem damaligen Regierungs- und Parteichef Edmund Stoiber das allgemeine Bezahlstudium im Alleingang durchgesetzt und zum Sommersemester 2007 eingeführt hatte. Seither müssen die rund 330.000 Hochschüler des Landes halbjährlich bis zu 500 Euro für die Lizenz zum Studieren berappen. Auch in der Folgezeit hatte die CSU niemals Anstalten gemacht, von dem Modell abzulassen. Noch im Sommer 2012 hatte die Staatsregierung das Volksbegehren in der sicheren Überzeugung für unzulässig erklärt, dass auch die Landesverfassungsrichter den Antrag bei der anschließenden Prüfung verwerfen werden. All das soll jetzt mit einem Mal vergessen sein. Und müsste die CSU die Regierungsbank nicht mit der FDP teilen, hätte sie die Gebühren wahrscheinlich schon auf eigene Faust beseitigt.
Hauptsache Machterhalt
Machttaktisch erscheint das durchaus sinnvoll: Der Opposition wäre der Wind aus den Segeln genommen, der Zankapfel bis zur Landtagswahl im September gegessen, womöglich könnte Seehofer dabei sogar als geläuterter Staatsmann auf Stimmenfang gehen. Außerdem: Da der mögliche Volksentscheid voraussichtlich mit dem Tag der Wahl zusammenfallen würde, könnte das Thema den Wahlkampf überlagern und der Wähler vor die Alternative gestellt sein: Gebührenfreiheit oder CSU. Das will sich Seehofer gerne ersparen.
Genauso wie folgendes Szenario: Mit Niedersachsen könnte womöglich bald ein weiteres von einst sieben Gebührenländern wegfallen. Dort wird am nächsten Sonntag gewählt, und SPD und Grüne haben für den Fall eines Wahlsieges angekündigt, mit dem Bezahlstudium Schluss zu machen (vgl. auch unsere Wahlprüfsteine zur Landtagswahl in Niedersachsen). Kommt es soweit, hätte Bayern demnächst den Status einer Gebührentrutzburg und die CSU den Ruf der Unbelehrbaren weg.
Also macht der Parteichef lieber die Rolle rückwärts und verbucht den fälligen Glaubwürdigkeitsverlust als Kollateralschaden. Der Plan könnte aufgehen, wenn da nicht die Spielverderber von der mitregierenden FDP wären, die bei der Frage partout Standfestigkeit demonstrieren wollen. Im November gerieten die Koalitionäre so sehr aneinander, dass sie sich abwechselnd mit dem Bruch des Regierungsbündnisses drohten. Am Ende vertagte man die Entscheidung auf die Zeit nach dem Bürgerbegehren.
FDP will nicht einknicken
Bei der CSU baut man darauf, dass jede Stimme mehr pro Volkentscheid der FDP auf die Sprünge hilft, den Weg für ein vorzeitiges Gebührenaus in Regierungsregie freizumachen. Seehofer äußerte sich am Montag zuversichtlich, eine "vernünftige Lösung" mit der FDP zu finden, sollte die Unterschriftensammlung erfolgreich verlaufen. Insgeheim liebäugelt er vielleicht sogar mit einer Wahlschlappe der Liberalen in Niedersachsen. Pro oder contra Studiengebühren könnte so noch mehr zu einer Überlebensfrage der FDP beim bayerischen Urnengang werden. Ein Einknicken seiner Partei hat FDP-Minister Heubisch dagegen ausgeschlossen: "Ich sehe nicht, dass das so ist".
Noch mehr Spannung verspricht es, wenn die nötigen Stimmen bis Ende Januar nicht zusammenkommen. Wird die CSU dann trotzdem weiter den Gebührengegner mimen – der sie eigentlich gar nicht ist –, oder zu ihrer nur aus machtstrategischen Gründen verleugneten Überzeugung zurückfinden, dass die Campusmaut doch das Beste ist? Auf alle Fälle rechnen sich die Liberalen für diesen Fall bessere Chancen aus, den großen Koalitionspartner wieder auf Linie zu bringen – auch wenn Seehofer dies bis dato vehement in Abrede stellt.
Gute Erfolgschancen
Ja zur Bildung ...
Obwohl eine verlässliche Prognose über den Ausgang nicht zu treffen ist, deutet doch mehr auf ein Gelingen denn ein Scheitern des Bürgerbegehrens hin. Dafür spricht allein schon die Größe und Schlagkraft des Bündnisses "Ja zur Bildung. Nein zu Studiengebühren". Diesem gehören neben den Oppositionsparteien im Landtag der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie zahlreiche Bildungsorganisationen, Studierenden-, Schüler- und Elternverbände an. Dazu haben sich auf lokaler Ebene fast 100 Bündnisse gebildet, die vor Ort mit Infomaterial, Kundgebungen, Demos und Diskussionsrunden für das Projekt mobil machen. Zum Auftakt der Zeichnungsfrist ist für Donnerstagnachmittag in München ein Laternenmarsch von der Universität zum Rathaus geplant. Unterstützung gibt es zudem von einem guten Dutzend Prominenten, unter ihnen der Kabarettist Wolfgang Krebs und Fernsehrichter Alexander Hold. Damit auch jeder Abstimmungswillige zum Zug kommen kann, sollen die Rathäuser in den kommenden zwei Wochen vielerorts länger geöffnet bleiben.
Kein Verlass auf Regierung
Die Sprecherin der Landes-Asten-Konferenz (LAK) Bayern, Franziska Traube, sprach am Dienstag von "sehr guten Aussichten, dass die nötigen Stimmen zusammenkommen". Zum ersten Mal bestehe die Chance, "dass wir die Gebühren selbstständig abschaffen, weil wir nicht auf die Regierung angewiesen sind", erklärte sie gegenüber Studis Online. Vor allem lokal laufe die Arbeit hervorragend, "auch und gerade in Kreisen, in denen es gar keine Hochschule gibt". Traube äußerte sich zwar froh darüber, dass inzwischen auch im Parlament eine breite Mehrheit gegen das Bezahlstudium bestehe. "Allerdings wollen wir uns auf keinen Fall auf die Regierung verlassen, die die Chance, die Gebühren abzuschaffen, schon zu oft verpasst hat." (rw)