Wahlprüfsteine: HochschulpolitikAntworten Bündnis 90/ Die Grünen NRW
Seit kurzem sind die allgemeinen Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen abgeschafft. Wollen Sie weiterhin am gebührenfreien Studium festhalten? Wie stehen Sie zu den sich ausbreitendem PPP-/Franchising-Modell, bei dem private Einrichtungen [siehe bspw. hier] Studierende gegen (oft recht hohe) Studiengebühren meist berufsbegleitend unterrichten und am Ende staatliche Hochschulen den anerkannten Bachelor- oder Master-Titel vergeben. Wäre es da nicht besser, wie in Bayern für berufsbegleitende Studiengänge Studiengebühren an den staatlichen Hochschulen zuzulassen? Oder konsequenterweise solche Modelle zu verbieten, wenn man Studiengebühren wirklich allgemein ausschließen möchte?
Wir wollen den Anteil von Teilzeit- und berufsbegleitenden Studiengängen auch an den öffentlichen Hochschulen deutlich ausbauen. Dies ist möglich, auch ohne Studiengebühren zu verlangen. Grundlegend wurde dies von Rot-Grün bereits in den Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit den Hochschulen festgelegt.
Gibt es Vorhaben zur Weiterentwicklung der bestehenden rechtlichen Grundlagen zum BAföG und des Unterhaltsrechtes? Sollte Ihrer Meinung nach das BAföG und Unterhaltsrecht in Richtung einer vom Eikommen der Eltern unabhängigen Förderung geändert werden? Haben Sie weitere / andere Pläne im Bereich der Studienfinanzierung?
Es bedarf eines Ausbaus des BAföG zu einem Zwei-Säulen-Modell, auch um die soziale Öffnung der Hochschulen weiter voran zu bringen. Die erste Säule soll aus einem einheitlichen Sockelbetrag bestehen, der allen Studierenden unabhängig vom Einkommen der Eltern zukommen soll. Die zweite Säule ist ebenfalls ein Vollzuschuss: eine soziale Komponente für Studierende aus einkommensarmen Elternhäusern. Dies würde gleichzeitig die zentralen Probleme, die sich aus der derzeitigen Ausgestaltung des Unterhaltsrechts ergeben, lösen.
Wie ist Ihre allgemeine Einstellung gegenüber leistungsabhängigen Stipendien im Verhältnis zum BAföG?
Stipendien sind kein Ersatz für BAföG. Statt des Pinkwartschen Stipendienpro- gramm ohne Sozialfaktor, das bisher in der Realität mehr als gescheitert ist, ist eine vernünftige Ausgestaltung des BAföG im Sinne eines Zwei-Säulen-Modells notwendig. Nichtsdestotrotz kön- nen Stipendien etwa von Stiftungen, die on top zur Grundfinanzierung aus dem BAföG kommen, eine sinnvolle Ergänzung sein.
Welche Pläne verfolgen Sie, um mehr Menschen aus finanziell schlechter gestellten Familien zu einer Hochschulzugangsberechtigung zu verhelfen?
Wir Grüne verfolgen zwei Wege, um Menschen aus finanziell schlechter gestell- ten Familien ein Studium zu ermöglichen: wir haben die Studiengebühren abgeschafft und wer den die von uns geforderte Reform des BAföG zu einem Zwei-Säulen-Modell weiter vorantreiben. Wenn man mehr Bildungsgerechtigkeit will, muss man aber auch schon in der Schule anfangen. Mit ihrer Schulreform hat unsere Grüne Schulministerin längeres gemeinsames Lernen möglich gemacht. Das hat zu mehr Chancengleichheit und sozialer Gerechtigkeit geführt.
Die Zahl der Master-Studienplätze ist Gegenstand vieler Debatten, insbesondere da es offenbar immer wieder zu gewissen Engpässen kommt. Welche Übergangsquote zwischen Bachelor und Master sehen Sie insgesamt als sinnvoll an? Wie stehen Sie zur Umsetzung des Konzeptes der Bachelor-Master-Studiengänge in Deutschland? Welchen Entwicklungsbedarf sehen Sie auf diesem Gebiet?
Wir wollen die Hochschulen bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses weiter- hin eng begleiten und unterstützen, damit die Lehre und die Lernbedingungen endlich wieder an den Bedürfnissen der Studierenden ausgerichtet werden. Das Angebot an Master-Studienplätzen muss sich dabei an der Nachfrage orientieren. Hier sind wir aber bereits gut aufgestellt: eine Absolventenbefragung der HIS GmbH hat gezeigt, dass 95 % der Bachelor-Absolventinnen und -Absolventen, die einen Master-Studiengang aufgenommen haben, diesen an ihrer Wunschhochschule erhielten. Künftig ist jedoch mit einem weiteren An- stieg der Nachfrage nach Master-Studienplätzen zu rechnen. Daher fordern wir vom Bund ge- meinsam mit den Ländern eine Aufstockung des Hochschulpakts um eine Master-Komponente, mit der für einen Großteil der in diesem Rahmen geschaffenen Studienplätze auf der Basis realis- tischer Übergangsquoten eine Finanzierung von zehn Semestern ermöglicht wird.
Welchen allgemeinen Handlungsbedarf sehen in Hinblick auf den Ausbau der Hochschulinfrastrukturen, aber auch der "sozialen Infrastruktur" (Wohnheime, BAföG-Ämter, Mensen etc.) insbesondere angesichts der durch den doppelten Abiturjahrgang 2013 in NRW zu erwartenden steigenden Studierendenzahlen in den nächsten Jahren?
Wir müssen uns sehr gut auf den doppelten Abiturjahrgang vorbereiten. Bis zum Jahr 2015 müssen in NRW mindestens 85.000 zusätzliche Studienanfängerplätze gegenüber 2010 geschaffen werden. Dafür befinden sich die Hochschulen gerade in einer Ausbauphase. Überall werden neue Hochschulgebäude errichtet oder angemietet und befinden sich alte in der Sanierung. Auch bei den Studentenwerken soll mittels zusätzlicher Landesmittel die gesamte soziale Infrastruktur ausgebaut werden. Aufgrund der aktualisierten Studierendenprognosen wer- den kurz- und mittelfristig die finanziellen Mittel aufgestockt werden müssen. Das ist aber nur mit Hilfe des Bundes zu bewältigen.
In den letzten Monaten gab vor allem immer wieder das Thema "Hochschulfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen" Anlass zu Auseinandersetzungen. Ein großer Kritikpunkt an diesem Gesetz scheint die Tatsache zu sein, dass die Hochschulen von einem mit überwiegend externen besetzten, nicht pluralistisch zusammengesetzten Hochschulrat mit weitgehenden Kompetenzen gesteuert würden. In letzter Konsequenz sei das vor allem ein Widerspruch zur Wissenschaftsfreiheit. In Baden-Württemberg wurde das Konzept der "unternehmerischen Hochschule" bereits im Koalitionsvertrag der rot-grünen Regierung überdacht. Welche Haltung nehmen Sie zu diesem Konzept ein? Bzw. was ist Ihre Alternative?
Die Fragen 7 und 8 wurden im Zusammenhang beantwortet. Antwort siehe nächste Frage.
Was für eine Rolle soll Demokratie an der Hochschule nach Auffassung Ihrer Partei spielen? Haben Sie Konzepte für eine stärkere Demokratisierung der Hochschulen und wenn ja, welche? Wie soll insbesondere die Partizipation der Studierenden aussehen?
Mehr Mitbestimmung, Partizipation und gesellschaftliche Einbindung sind für uns zentrale Elemente der Weiterentwicklung der Hochschulen. Dies wollen wir im Rahmen der Novelle des Hochschulgesetzes landesweit umsetzen und gleichzeitig zu wissenschaftsadäquaten Regelungen finden, wo durch das "Hochschulfreiheitsgesetz" falsche Richtungen eingeschla- gen wurden. Dazu gehören eine deutliche Stärkung der Mitbestimmungsrechte der Studierenden durch die Einführung der Viertelparität sowie die Stärkung der Senate. Die Hochschulräte wollen wir abschaffen.