Wahlprüfsteine HochschulpolitikAntworten DIE LINKE NRW
Seit kurzem sind die allgemeinen Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen abgeschafft. Wollen Sie weiterhin am gebührenfreien Studium festhalten? Wie stehen Sie zu den sich ausbreitendem PPP-/Franchising-Modell, bei dem private Einrichtungen [siehe bspw. hier] Studierende gegen (oft recht hohe) Studiengebühren meist berufsbegleitend unterrichten und am Ende staatliche Hochschulen den anerkannten Bachelor- oder Master-Titel vergeben. Wäre es da nicht besser, wie in Bayern für berufsbegleitende Studiengänge Studiengebühren an den staatlichen Hochschulen zuzulassen? Oder konsequenterweise solche Modelle zu verbieten, wenn man Studiengebühren wirklich allgemein ausschließen möchte?
DIE LINKE ist sozial und wird auch weiterhin jegliche Benachteiligung konsequent verhindern bzw. aufheben. Das heißt, es darf keine Unterschiede für den Studienerfolg geben, ob man reich oder arm, behindert, chronisch krank oder gesund, mit oder ohne Kinder ist, einen Migrationshintergrund hat oder "Biodeutscher" ist.
Das gilt auch für Ihre zweite Teilfrage. Es darf nicht angehen, dass Leute, die nicht zahlen können und berufsbegleitend studieren wollen, diese Möglichkeit nicht haben. Wir wollen "beste Bildung für Alle", unentgeltlich! Eine weitere Privatisierung der Hochschulbildung lehnen wir ab. Vielmehr sind die staatlichen Hochschulen in der Pflicht, Hochschulbildung auch für Berufstätige anzubieten, z. B. durch die Entwicklung von Online-Kursen oder extra auf Berufstätige abgestimmte Studienverlaufspläne.
Gibt es Vorhaben zur Weiterentwicklung der bestehenden rechtlichen Grundlagen zum BAföG und des Unterhaltsrechtes? Sollte Ihrer Meinung nach das BAföG und Unterhaltsrecht in Richtung einer vom Eikommen der Eltern unabhängigen Förderung geändert werden? Haben Sie weitere / andere Pläne im Bereich der Studienfinanzierung?
Im Bereich der Studienfinanzierung muss viel getan werden, damit alle, die studieren wollen, dies auch realisieren können! In Sonntagsreden fordern die anderen Parteien immer mehr Studienabsolventen/-innen, aber oft fehlt es Interessierten einfach an finanziellen Mitteln.
Dieses Problem kann nur beschränkt von Seiten des Landes in Angriff genommen werden. Gerade beim BAföG ist die Bundesbildungsministerin Schavan gefragt, nicht immer nur mit der Abschaffung des BAföG zu drohen, sondern endlich wieder allen Bevölkerungsteilen ein Studium zu ermöglichen.
DIE LINKE hat dazu bereits im Bundestag mehrere Anträge gestellt, die bislang aber keine Mehrheiten fanden, z. B. zum elternunabhängigen BAföG, welches als Vollzuschuss gewährt wird (Bundestagsdrucksache 17/6372) oder zum Studienplatzausbau (Bundestagsdrucksache 17/734). Im Landtag NRW will die Fraktion DIE LINKE die Studierenden finanziell noch weiter entlasten, als dass es bislang durch die Abschaffung der Studiengebühren bereits geschehen ist, so z.B. durch Verringerung der Kosten für ein Studium, durch Senkung der Sozialbeiträge und der Kosten für das NRW-Semesterticket oder durch die Ausweitung des Wohnheimbaus, um damit günstigen Wohnraum zu schaffen, der sich dann auch auf die Mietspiegel in den jeweiligen Kommunen auswirkt.
Wie ist Ihre allgemeine Einstellung gegenüber leistungsabhängigen Stipendien im Verhältnis zum BAföG?
Das derzeitige deutsche Stipendiensystem hält DIE LINKE grundsätzlich für fragwürdig. Unsere Kritik zielt dabei nicht auf die Stipendien an sich, sondern auf den Begriff der Leistung als Kriterium, um an Stipendien zu gelangen. Noten als quantifizierbare Daten sagen nichts über die Fähigkeit der Studierenden aus, wissenschaftliche Leistungen zu erbringen. Vielfach erhalten die guten Noten nur diejenigen, die sich ohne materielle Sorgen ausschließlich um ihre Studienleistungen kümmern, also die Kinder reicher Eltern! Dann werden sie durch die Stipendien dafür auch noch belohnt!
Daher bedarf es einer grundlegenden Überarbeitung des Stipendiensystems. Zudem lehnen wir - übrigens wie auch viele Hochschulen aufgrund des Verwaltungsaufwands - das Deutschlandstipendium als eine zusätzliche Elitenförderung ab. Gesellschaft kann nicht in der Zementierung gesellschaftlicher Unterschiede bestehen, sondern muss allen Bevölkerungsteilen die Möglichkeit geben zu partizipieren.
Welche Pläne verfolgen Sie, um mehr Menschen aus finanziell schlechter gestellten Familien zu einer Hochschulzugangsberechtigung zu verhelfen?
Als erste Maßnahme muss im Schulbereich die Empfehlung für die weiterführende Schule von der sozialen Lage der Eltern entkoppelt werden. Sinnvoll wäre daher "Eine Schule für Alle", denn an den Gesamtschulen in NRW erlangen über 70 Prozent der Schülerinnen und Schüler das Abitur, ohne in der 5. Klasse eine "Gymnasialeignung" von der Grundschule mitbekommen zu haben. Auslese ist nach wie vor das beherrschende Element des gegliederten Schulsystems in NRW.
Aber als zweite Maßnahme können auch Stellschrauben in den Hochschulen selbst für Menschen ohne Abitur gedreht werden: Der Handwerksmeister ist z. B. eine der Hochschulzugangsberechtigungen. Für den muss aber das BAFöG erhöht werden!
Den allermeisten mit weniger Geld wird aber der Hochschulzugang erschwert, weil es zu wenige Studienplätze gibt. Gerade sie können es sich am wenigsten leisten, jahrelang auf einen Studienplatz zu warten.
Hintergrund ist, dass der Hochschulzugang 1972 höchstrichterlich neu geordnet wurde. NC, Motivationsschreiben und Eignungstest (wie bei den Medizinern) gehören seitdem zum "Geschäft" der Hochschulen. Schuld ist die chronische Unterfinanzierung des deutschen Hochschulwesens. Die Hochschulen zweckentfremden nun das Urteil und ihre "Auswahlmacht", um ihre Haushalte weitestgehend konstant zu halten. In etwa 23 Prozent des Gesamthaushaltes der Hochschulen bestehen aus der Leistungsorientierten Mittelvergabe (LOM), welche sich u. a. an der Anzahl der Studierenden in Regelstudienzeit bemisst. Welche Hochschule führt da nicht gerne Eignungstest, NC und Motivationsschreiben ein, um sicherzugehen, dass die Bewerber/innen auch ohne Zeitverzögerung ihr Studium abschließen? Der wichtigste Ansatz ist also, die Zahl der Studienplätze zu erhöhen.
Die Zahl der Master-Studienplätze ist Gegenstand vieler Debatten, insbesondere da es offenbar immer wieder zu gewissen Engpässen kommt. Welche Übergangsquote zwischen Bachelor und Master sehen Sie insgesamt als sinnvoll an? Wie stehen Sie zur Umsetzung des Konzeptes der Bachelor-Master-Studiengänge in Deutschland? Welchen Entwicklungsbedarf sehen Sie auf diesem Gebiet?
DIE LINKE spricht sich dafür aus, Überleitungsquoten der realen Nachfrage anzupassen. Auch nach dem Vordiplom war nicht plötzlich für 80 Prozent der Studierenden Schluss, nur weil sie keine 1,9 im Schnitt schafften. Kapazitätsengpässe und Lehrkräftemangel sind lediglich vorgeschobene Argumente. Wer einen Masterstudiengang absolvieren möchte, muss dieses auch können dürfen. Aber auch hier wirkt derzeit die LOM entgegen, da Hochschulen für Masterstudienplätze weniger Geld erhalten und diese damit weniger attraktiv für das "Unternehmen Hochschule" sind.
Die Umstellung auf Bachelor-/Masterstudiengänge hat durch die gleichzeitig damit einhergehenden Strukturreformen im Hochschulwesen hin zur sogenannten "Hochschulfreiheit" dafür gesorgt, dass nunmehr Hochschulen um "die besten Köpfe" werben, weil nur die den schnellen Durchlauf durch die Hochschule und damit das dringend benötigte Geld garantieren.
Um dieses Ziel zu erreichen, haben die Hochschulen ganz viele und unterschiedlichste Studiengänge geschaffen und akkreditieren lassen, um gewisse Alleinstellungsmerkmale gemäß ihres Profils den potenziellen Bewerbern/-innen anzubieten. Resultat ist aber, dass man schon allein in NRW riesige Schwierigkeiten hat, dem ursprünglich intendierten Mobilitätsgedanken zu folgen. Hier benötigen wir dringend eine mindestens deutschlandweite gegenseitige Anerkennung von Studiengängen, auch wenn sie noch so exotisch klingen. Die von allen kritisierten Punkte, wie z. B. Anwesenheitspflichten, Verschulung, Bulimielernen und Klausurschwemme, sind immer noch nicht gelöst und bedürfen schnellstmöglicher Änderungen.
Welchen allgemeinen Handlungsbedarf sehen in Hinblick auf den Ausbau der Hochschulinfrastrukturen, aber auch der "sozialen Infrastruktur" (Wohnheime, BAföG-Ämter, Mensen etc.) insbesondere angesichts der durch den doppelten Abiturjahrgang 2013 in NRW zu erwartenden steigenden Studierendenzahlen in den nächsten Jahren?
Trotz zweier "Hochschulpakte" zwischen Bund und Ländern ist die finanzielle Ausstattung der Hochschulen wie auch der Studentenwerke nach wie vor kritisch. Es wurde im Hinblick auf die 2005 prognostizierten Zahlen für 2010/2011 kaum zusätzlicher studentischer Wohnraum geschaffen. Die BAföG-Ämter sind mit den großen Studierendenzahlen hoffnungslos überfordert, ohne dass der doppelte Abiturjahrgang in NRW schon zu Buche schlägt. Lehr- und Seminarräume sind immer noch vielerorts Mangelware. Grundsätzlich ließen sich heute durch ein besseres Hörsaalmanagement an so mancher Hochschule große Engpässe vermeiden. Doch um die weiter steigenden Studierendenzahlen abzufangen, wird grundsätzlich mehr Platz benötigt - zum Lehren, zum Lernen und zum Forschen, genauso wie auch zum Wohnen und zum Essen. Hier hat sich DIE LINKE in der letzten Legislatur besonders stark gemacht. So reichte DIE LINKE einen Antrag zur Anhebung der Kompensationsmittel für die Studiengebühren ein, damit die Hochschulen mit den zusätzlichen Geldern auf den Ansturm gerade noch rechtzeitig reagieren können. Ebenso beantragte DIE LINKE mehr Gelder für die BAföG-Ämter, damit die Bedürftigen nicht drei Monate ohne BAföG dastehen und evtl. sogar wegen ausbleibender Mietzahlungen ihre Wohnungen verlieren. Diesem Problem will sich DIE LINKE auch zukünftig im neuen Landtag von NRW annehmen.
In den letzten Monaten gab vor allem immer wieder das Thema "Hochschulfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen" Anlass zu Auseinandersetzungen. Ein großer Kritikpunkt an diesem Gesetz scheint die Tatsache zu sein, dass die Hochschulen von einem mit überwiegend externen besetzten, nicht pluralistisch zusammengesetzten Hochschulrat mit weitgehenden Kompetenzen gesteuert würden. In letzter Konsequenz sei das vor allem ein Widerspruch zur Wissenschaftsfreiheit. In Baden-Württemberg wurde das Konzept der "unternehmerischen Hochschule" bereits im Koalitionsvertrag der rot-grünen Regierung überdacht. Welche Haltung nehmen Sie zu diesem Konzept ein? Bzw. was ist Ihre Alternative?
"Hochschulfreiheit" nannten CDU und FDP in ihrer NRW-Regierungszeit das Gesetz, welches in Wirklichkeit die Hochschulen in NRW zu wettbewerbsorientierten Unternehmen machte. Das bedeutet konkret: Wirtschaftliches Handeln steht im Vordergrund. Lehre, Forschung und Wissenschaft müssen "sich rechnen", um gegenseitig voreinander bestehen zu können und nicht ganz wegrationalisiert zu werden. Ein Studium gilt nur noch als Investition, die Arbeitskräfte in der Hochschule und die Studierenden nur noch als Teil einer wirtschaftlichen Wertschöpfungskette. Am besten arbeitet, lehrt und studiert es sich heute kinderlos, reich und kerngesund, denn nur so rechnet es sich für die Hochschulen. DIE LINKE lehnt dieses Prinzip der "unternehmerischen Hochschule" ab, weil es zutiefst menschen- und wissenschaftsfeindlich ist! Die Hochschulräte als bestimmende und letztentscheidende Aufsichtsräte der Hochschule lenken fernab jeglicher demokratischer Kontrolle die Geschicke des Wissenschaftssystems in NRW. DIE LINKE will eine echte Mitbestimmung aller Statusgruppen an der Hochschule, paritätisch (nur in Ausnahmefällen mit Professoren/-innenmehrheit) geführt und gesellschaftlich überwacht.
Die Hochschulen müssen wieder zurückkehren zu ihrer Bestimmung: Wissenschaft hat zur Aufgabe, die Gesellschaft voranzubringen, das Leben für alle zu verbessern, den akademischen Nachwuchs auszubilden – und das im Geiste des Friedens und der Gleichheit aller Menschen! Wir wollen also eine inklusive und sozial gerechte Hochschule - "eine Hochschule für Alle"!
Was für eine Rolle soll Demokratie an der Hochschule nach Auffassung Ihrer Partei spielen? Haben Sie Konzepte für eine stärkere Demokratisierung der Hochschulen und wenn ja, welche? Wie soll insbesondere die Partizipation der Studierenden aussehen?
Diese Frage ist eng mit der Frage 7 verzahnt und bedarf vielleicht lediglich einzelner Ausführungen. Unser Konzept der "Hochschule für Alle" demokratisiert durch die Beteiligung aller:
Es ermöglicht z. B. chronisch kranken, sozial benachteiligten oder mit Elternpflichten belasteten Studierenden ein Studium ohne Nachteile. Unser Konzept der "Hochschule für Alle" demokratisiert hinsichtlich der Mitbestimmung der Statusgruppen, weil grundsätzlich in allen Gremien der Hochschule eine Parität vorgesehen ist. Unser Konzept der "Hochschule für Alle" demokratisiert hinsichtlich der Personalvertretung für studentisch Beschäftigte, die als Mitarbeiter/-innen der Hochschule eine andere Interessenvertretung benötigen als einen AStA, der nur ihre Studierendenbelange vertritt. Unser Konzept der "Hochschule für Alle" demokratisiert, wie in Frage 7 ausgeführt, die Mitbestimmung an und über die Hochschule, weil wir die Hochschulräte abschaffen wollen. Unser Konzept der "Hochschule für Alle" schließt aber Forschung zu militärischen Zwecken aus, weil dieses dem Ziel einer weltweiten Anerkennung von Menschenrechten widerspricht. Sie sehen, die Demokratisierung der Hochschulen ist die Grundlage unserer hochschulpolitischen Zielsetzungen.