Wahlprüfsteine HochschulpolitikAntworten der FDP NRW
Seit kurzem sind die allgemeinen Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen abgeschafft. Wollen Sie weiterhin am gebührenfreien Studium festhalten? Wie stehen Sie zu den sich ausbreitendem PPP-/Franchising-Modell, bei dem private Einrichtungen [siehe bspw. hier ] Studierende gegen (oft recht hohe) Studiengebühren meist berufsbegleitend unterrichten und am Ende staatliche Hochschulen den anerkannten Bachelor- oder Master-Titel vergeben. Wäre es da nicht besser, wie in Bayern für berufsbegleitende Studiengänge Studiengebühren an den staatlichen Hochschulen zuzulassen? Oder konsequenterweise solche Modelle zu verbieten, wenn man Studiengebühren wirklich allgemein ausschließen möchte?
Da es für das Land bei der stark angespannten Haushaltslage schon eine enorme finanzielle Herausforderung ist, die Grundausstattung der Hochschulen dem Bedarf anzupassen, die Sanierung sowie Modernisierung voranzutreiben und die Studienplatzangebote auszubauen, ist nach Auffassung der FDP die von Rot-Grün mangelhaft und ausschließlich über neue Schulden finanzierte Kompensation des Wegfalls der Studienbeiträge ein falscher Schritt gewesen, der faktisch zu einem Mittelentzug geführt hat. Wir halten es zudem für äußerst problematisch, dass entgegen allen rot-grünen Beteuerungen die Einnahmeverluste der Hochschulen durch den Wegfall der Studienbeiträge nicht umfassend und verteilungsgerecht kompensiert werden. Die Summe der "Kompensationsmittel" beträgt statisch 249 Millionen Euro – eine Anpassung an den neuen Rekordstand bei den Studienanfängern erfolgt nicht. Diese Summe reicht bei weitem nicht, um die erreichten Verbesserungen der Studienbedingungen zu erhalten.
Die Zahlen machen deutlich, welche finanzielle Lücke bereits jetzt bei den Hochschulen klafft: Im Wintersemester 2009/2010 als Basisjahr der "Ausgleichsmittel" studierten rund 500.000 junge Menschen in Nordrhein-Westfalen. Im Wintersemester 2011/2012 sind es bereits über 586.000. Nach Einschätzung der Vorsitzenden der Landesrektorenkonferenz, Ursula Gather, könnte die Finanzierungslücke im Jahr 2013 auf 50 Millionen Euro anwachsen. Bei den wegen des doppelten Abiturjahrgangs weiter zu erwartenden ansteigenden Studierendenzahlen werden sich die derzeit absehbaren Qualitätseinbußen daher weiter verfestigen und die Planungssicherheit für die Hochschulen wird weiter abnehmen. Das ist für uns nicht hinnehmbar.
In Bezug auf den angesprochenen Aspekt der berufsbegleitenden Studiengänge merken wir an, dass die Themen stetige Weiterbildung und Fernstudium in unserer heutigen Wissenschaftsgesellschaft in puncto lebenslanges Lernen eine immer wichtigere Rolle einnehmen. Den Ausbau von berufsbegleitenden Studiengängen an unseren Hochschulen halten die Liberalen daher für unverzichtbar. Wir wollen das berufsbegleitende Studium – auch in Form dualer Studiengänge – fördern und die Hochschulen anregen, inhaltlich und organisatorisch passgenaue Angebote für Berufstätige zu entwickeln. So wird auch den Weiterbildungsinteressen von Bachelor-Absolventinnen und -Absolventen Rechnung getragen, die sich nach dem ersten Abschluss wissenschaftlich noch weiter qualifizieren wollen. Zudem ist ein berufsbegleitendes Studium für viele häufig die einzige Möglichkeit, sich orts- und zeitunabhängig weiter zu qualifizieren. Dass für derartige Angebote auch ein finanzieller Beitrag zu leisten ist, halten wir ebenso wie beim "klassischen Studium" in einem überschaubar finanziellen Rahmen für vertretbar. Zudem muss berücksichtigt werden, dass eine Weiterbildung, die mit dem derzeitigen Beruf in Verbindung steht, von der Steuer abgesetzt werden kann. Relevante Kosten, die aufgerechnet werden können, sind etwa Studienbeiträge, Bücher, Fachzeitschriften sowie eventuell anfallende Fahrt- und Übernachtungskosten. Nicht selten kommt es vor, dass sich der Arbeitgeber, der von dem großen Engagement in der Regel auch profitiert, dazu bereit erklärt, einen gewissen Teil der Kosten zu übernehmen.
Als Befürworter einer vielfältigen Bildungslandschaft begrüßt die FDP, dass sich im Sektor der berufsbegleitenden Studiengänge auch private Anbieter engagieren. Sie ergänzen staatlich geförderte Angebote wie die Fernuniversität Hagen. Private Hochschulangebote sind für uns ein fester Bestandteil des akademischen Bildungsangebots und bereichern die regionale Vielfalt. Das Verbot eines solchen Angebots lehnen wir entschieden ab.
Gibt es Vorhaben zur Weiterentwicklung der bestehenden rechtlichen Grundlagen zum BAföG und des Unterhaltsrechtes? Sollte Ihrer Meinung nach das BAföG und Unterhaltsrecht in Richtung einer vom Eikommen der Eltern unabhängigen Förderung geändert werden? Haben Sie weitere / andere Pläne im Bereich der Studienfinanzierung?
Solange das BAföG ein Element des Familienlastenausgleichs darstellt, stellen die Liberalen das Prinzip der familienabhängigen Förderung nicht in Frage. Niemand sollte allerdings aus finanziellen Gründen von einem Studium abgehalten werden. Daher sollte jedem die Möglichkeit einer elternunabhängigen Finanzierung der Lebenshaltungskosten durch ein nachlaufendes Darlehen, welches erst nach dem Studium und nur bei Erzielung eines ausreichenden Einkommens fällig wird, eröffnet werden.
Wie ist Ihre allgemeine Einstellung gegenüber leistungsabhängigen Stipendien im Verhältnis zum BAföG?
Es muss zunächst hervorgehoben werden, dass die Stipendienmodelle wie das NRW-Stipendienprogramm oder das Deutschlandstipendienprogramm, für deren Einführung sich die Liberalen maßgeblich eingesetzt haben, zusätzlich zum BAföG gezahlt werden. Zurzeit erhalten in NRW über 2.565 Stipendiaten im Zuge des NRW-Stipendienprogramms, welches unter Regierungsbeteiligung der FDP eingeführt worden ist, einen monatlichen Zuschuss in Höhe von 300 Euro. Die Hälfte der Summe gibt das Land, die übrigen 150 Euro wurden als private Mittel eingeworben. Die Stipendien werden nach Leistung vergeben und unabhängig vom Einkommen der Eltern gewährt. Jeder kann sich für ein Stipendium bewerben. BAföG-Empfänger erhalten die gleichen Chancen wie alle anderen Bewerber. Zudem müssen sie sich das Stipendien-Einkommen nicht anrechnen lassen. Der Leistungsbegriff, der dem Stipendium zugrunde liegt, ist bewusst weit gefasst: Gute Noten und Studienleistungen gehören ebenso dazu wie die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen oder das erfolgreiche Meistern von Hindernissen im eigenen Lebens- und Bildungsweg. Vom Bundesstipendienprogramm - dem Deutschlandstipendium -, welches sich am Vorbild des NRW-Stipendienprogramms orientiert und im Jahr 2011 von der schwarz-gelben Bundesregierung eingeführt wurde, profitieren seit dem Wintersemester 2011/2012 allein in NRW über 1.560 junge Menschen.
Die von uns eingeführten Stipendienmodelle sollen aber keine reine zusätzliche soziale Säule darstellen, sondern sind eine leistungsorientierte und einkommensunabhängige Förderung zusätzlich zum BAföG. Wir wollen das Stipendiensystem als zweite starke Säule der Studienfinanzierung etablieren. Unser Ziel ist es, dass von dem Bündnis aus zivilgesellschaftlichem Engagement und staatlicher Förderung mittelfristig bis zu acht Prozent aller Studierenden (ca. 160.000) an deutschen Hochschulen profitieren, wobei die Zahl der Geförderten kontinuierlich anwachsen soll.
Welche Pläne verfolgen Sie, um mehr Menschen aus finanziell schlechter gestellten Familien zu einer Hochschulzugangsberechtigung zu verhelfen?
In der Bundesrepublik Deutschland besteht – unabhängig von der Schulstruktur – nach wie vor ein sehr problematischer Zusammenhang zwischen schulischem Erfolg und der sozialen Herkunft. Für die FDP ist es unerlässlich, dass sich Kinder und Jugendliche in unserem Schulsystem bestmöglich entfalten können. Diese Chancen müssen unabhängig – von der sozialen, ethnischen oder religiösen Herkunft – allen Kindern und Jugendlichen offenstehen. Das zentrale Augenmerk muss daher auf die individuelle Förderung jeder Schülerin und jeden Schülers gelegt werden. Menschen unterscheiden sich in ihren Talenten und Begabungen. Diesen Herausforderungen und Chancen muss durch individuelle Ansprache Rechnung getragen werden.
Ein bedeutender Baustein zur Förderung stellt die Stärkung der frühzeitigen und vorschulischen Förderung dar, so dass bereits vor dem Eintritt in die Schule möglichen Benachteiligungen entgegengewirkt werden kann. So sind z.B., um möglichen Sprachproblemen entgegenzuwirken, die ein frühzeitiges Scheitern in der Schule zur Folge haben können, unter FDP-Regierungsbeteiligung verbindliche Sprachstandsfeststellungen im letzten Kindergartenjahr vor der Einschulung eingeführt worden. Bei Bedarf schließt sich hieran eine anschließende Sprachförderung an. Diese Maßnahmen müssen kontinuierlich verbessert werden.
Darüber hinaus werden auch in den unterschiedlichen Schulstufen von Seiten des Landes Lehrerstellen für die weitergehende Sprachförderung bereitgestellt. Um Schulen zu unterstützen, die in einem sozial schwierigen Wohnumfeld liegen, sind in der liberalen Regierungszeit Soziallehrerindexstellen zur Verfügung gestellt worden, so dass die Kinder und Jugendlichen dort eine verstärkte Unterstützung erhalten. Eine weitere wichtige Maßnahme stellt der konsequente, bedarfsgerechte Ausbau der Ganztagsangebote dar, durch den die individuelle Förderung vertieft und verstärkt werden kann. Eine Verkleinerung der Klassen, die ohne die Benachteiligung einzelner Schulformen erfolgen muss, kann den Pädagogen eine verbesserte individuelle Förderung ermöglichen. Darüber hinaus ist mit dem Bildungs- und Teilhabepaket auf Bundesebene eine Unterstützung für Kinder und Jugendliche aus einkommensarmen Familien beschlossen worden, damit diese nicht von kulturellen, sozialen oder sportlichen Angeboten ausgeschlossen sind. Auch kann eine Unterstützung für das Mittagessen, Klassenfahrten oder auch die Lernförderung ermöglicht werden. Diese Bausteine bilden wichtige Bestandteile einer umfassenden Förderung, die durch eine individuelle Unterstützung Schülerinnen und Schüler bei entsprechenden schulischen Leistungen den Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung möglich macht.
Die Zahl der Master-Studienplätze ist Gegenstand vieler Debatten, insbesondere da es offenbar immer wieder zu gewissen Engpässen kommt. Welche Übergangsquote zwischen Bachelor und Master sehen Sie insgesamt als sinnvoll an? Wie stehen Sie zur Umsetzung des Konzeptes der Bachelor-Master-Studiengänge in Deutschland? Welchen Entwicklungsbedarf sehen Sie auf diesem Gebiet?
Die FDP bewertet die Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge in Nordrhein-Westfalen positiv. Die Ziele – Förderung von Mobilität, internationaler Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungsfähigkeit sowie Verkürzung der Studiendauer – sind in einer Gesellschaft, in der nahezu die Hälfte eines Jahrgangs ein Studium anstrebt, richtig und wichtig.
Für die Studierenden ist es überaus wichtig, dass Studiengänge inhaltlich nicht überfrachtet sind, die Anschlussmöglichkeit eines Masters tatsächlich besteht und Mobilität nicht nur auf dem Papier gewährt wird. Den Bologna-Prozess zu optimieren und studierbarer zu machen, ist derzeit eine der größten Herausforderungen in der Hochschulpolitik. Im Zuge der Weiterentwicklung der Bologna-Studiengänge wird es vor allem von großer Bedeutung sein, dass sich die Betreuungsrelation weiter verbessert. Denn Lehrinhalte brauchen Personen, die sie vermitteln, erst dann wird ein Studium auch lebendig und studierbar. Wer – wie die rot-grüne Landesregierung – bei Rekordstudierendenzahlen allerdings Studienbeiträge abschafft und die Mittel nur unzureichend kompensiert, leistet einen Beitrag dazu, dass sich die Betreuungsrelation und damit die Studienbedingungen an den Hochschulen massiv verschlechtern.
Die Einführung einer starren Übergangsquote für Masterstudiengänge lehnt die FDP ab. Dies geht an der Realität vorbei. Denn es lässt sich schwer vorhersagen, wie viele Studenten direkt an ihr Bachelor-Studium ein Master-Studium anschließen und an welcher Hochschule sie dies tun wollen. Außerdem gibt es die Möglichkeit, nach dem Bachelor-Studium zunächst ins Berufsleben einzusteigen und erst nach einiger Zeit ein Master-Studium zu beginnen. Wann sich wie viele Studenten zu diesem Schritt entschließen, ist schwer im Voraus zu ermitteln. Wir wollen keinem Bachelor-Absolventen diktieren, dass er einen Master machen muss bzw. wann und wo er diesen zu machen hat.
Welchen allgemeinen Handlungsbedarf sehen in Hinblick auf den Ausbau der Hochschulinfrastrukturen, aber auch der "sozialen Infrastruktur" (Wohnheime, BAföG-Ämter, Mensen etc.) insbesondere angesichts der durch den doppelten Abiturjahrgang 2013 in NRW zu erwartenden steigenden Studierendenzahlen in den nächsten Jahren?
Die Studienanfängerzahlen, die allein in Nordrhein-Westfalen im Wintersemester 2011/2012 mit 115.000 einen neuen Rekord erreicht haben und absehbar noch weiter steigen werden, stellen die Hochschulen vor enorme Herausforderungen. Für die Liberalen ist es wichtig, der wachsenden Zahl von Studienanfängern in Nordrhein-Westfalen gute Studiermöglichkeiten zu bieten. Das bedeutet für uns auch, dass das Land die Verantwortung übernehmen und die notwendigen Maßnahmen einleiten muss. Rot-Grün hat für den weiter zu erwartenden Studierendenansturm bisher keine ausreichende Vorsorge getroffen. Geflissentlich wurde der Umstand ignoriert, dass die Prognosen für Nordrhein-Westfalen hinsichtlich der Studienanfängerzahlen für die kommenden Jahre neu berechnet werden und hieraus abzuleitende Handlungsnotwendigkeiten umgesetzt werden müssen. Die fehlende Vorsorge wird unerfreuliche Zustände in Hörsälen, Bibliotheken, Seminarräumen und Laborräumen zur Folge haben – alles zu Lasten der Studentinnen und Studenten. Damit die Hochschulen nicht im Chaos versinken, müssen rasch Maßnahmen zum Angebotsausbau und zur Verbesserung der Studiensituation eingeleitet werden. Weitere Verzögerungen können wir uns nicht leisten.
Uns geht es hierbei nicht nur um Lösungen, die sich auf die Bereitstellung von mehr Finanzmitteln beschränken, sondern um kreative Konzepte, die auch die in der Zukunft liegende Nutzbarmachung der Infrastruktur berücksichtigen und für eine sinnvolle Mittelverwendung sorgen. Hierbei gilt es insbesondere die Raum-, Personal- und Lehrsituation, die Bibliotheks- und Arbeitsplatzkapazitäten, Beratungsangebote, Wohnraumknappheit, Engpässe im öffentlichen Nahverkehr und eine demografiefeste Infrastrukturplanung in den Blick zu nehmen.
Die FDP NRW begrüßt, dass sich die schwarz-gelbe Bundesregierung angesichts des anhaltenden Studienanfängerbooms erst jüngst dazu bereit erklärt hat, den Hochschulpakt, der als Bund-Länder-Programm die Finanzierung der bis 2015 erwarteten zusätzlich notwendigen Studienplätze regelt, aufzustocken. Die Liberalen werden im Sinne der Studierenden und der Hochschulen darauf achten, dass das zusätzliche Geld des Bundes nicht zu einer Senkung der Landeszuschüsse an den Hochschulen führt. Weitere Qualitätseinbrüche an unseren Hochschulen darf es nicht geben.
Um erfolgreich für mehr Unterstützung durch den Bund zu werben, ist es wichtig, dass das Land sich dem Bund gegenüber weiter als verlässlicher Verhandlungspartner präsentiert. Auf Bundesebene darf nicht der Eindruck entstehen, Nordrhein-Westfalen wolle selbst keine zusätzlichen Mittel für die wachsende Zahl der Studienanfänger bereitstellen. Dies wäre gerade vor dem Hintergrund des Wegfalls der Studienbeiträge, der die finanziellen Spielräume des Landes weiter einschränkt, prekär. Bund-Länder-Programme wie der Hochschulpakt, der Qualitätspakt Lehre oder die Exzellenzinitiative haben sich bewährt. Deshalb sollte das Land Nordrhein-Westfalen nicht das Signal senden, dass es bei der Hochschulfinanzierung allein den Bund in der Pflicht sehe. Dies würde auch unserem föderalen System widersprechen.
Die FDP setzt sich mit Nachdruck dafür ein, dass das Land, wie es unter dem liberalen Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart auch der Fall gewesen ist, seiner Verantwortung nachkommt. Aus diesem Grund hatte die FDP-Landtagsfraktion erst im November 2011 mit dem Antrag "Hochschulen für die kommenden Herausforderungen wappnen" die rot-grüne Landesregierung dazu aufgefordert, in Kooperation mit den Hochschulen ein Landeskonzept zu erstellen, wie den ansteigenden Studierendenzahlen speziell vor dem Hintergrund des doppelten Abiturjahrgangs 2013 und der Aussetzung der Wehrpflicht angemessen Rechnung getragen werden kann.
In den letzten Monaten gab vor allem immer wieder das Thema "Hochschulfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen" Anlass zu Auseinandersetzungen. Ein großer Kritikpunkt an diesem Gesetz scheint die Tatsache zu sein, dass die Hochschulen von einem mit überwiegend externen besetzten, nicht pluralistisch zusammengesetzten Hochschulrat mit weitgehenden Kompetenzen gesteuert würden. In letzter Konsequenz sei das vor allem ein Widerspruch zur Wissenschaftsfreiheit. In Baden-Württemberg wurde das Konzept der "unternehmerischen Hochschule" bereits im Koalitionsvertrag der rot-grünen Regierung überdacht. Welche Haltung nehmen Sie zu diesem Konzept ein? Bzw. was ist Ihre Alternative?
Die FDP weist jeden Versuch zurück, über eine politische Einflussnahme die Freiheit von Wissenschaft und Forschung wieder einzugrenzen. Hochschulen benötigen akademische Freiheit – und sie brauchen ergänzend Freiheit in Steuerungs- und Managementprozessen. Ein Rückschritt hinter den heute erreichten Stand würde die Chancen der Hochschulen in NRW im nationalen und internationalen Bildungswettbewerb deutlich verschlechtern. Leidtragende wären in einem solchen Fall die Studierenden und Wissenschaftler, denn die Hochschulen wären nicht mehr in der Lage, zeitnah und flexibel auf künftige Herausforderungen zu reagieren.
Den Hochschulrat als Beratungs- und Aufsichtsgremium wollen wir erhalten. Er ist unverzichtbarer Bestandteil der Hochschulfreiheit und hat dringend benötigte Kompetenzen in die Hochschulen eingebracht. Als Aufsichtsgremium stellt er sicher, dass die Selbständigkeit der Hochschule durch das Land oder das Wissenschaftsministerium nicht eingeschränkt wird. Der Rat berät die Hochschulen bei der Arbeit, Lehre und Forschung und hilft ihnen, ihre Ressourcen optimal einzusetzen. Und nicht zuletzt bringt er der Hochschule durch seine Zusammensetzung wichtige Fürsprecher in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft, wodurch es zu einer deutlich engeren Verbindung zwischen Hochschulen, Gesellschaft und Wirtschaft kam und kommt.
Die im Hochschulfreiheitsgesetz vorgesehene wissenschaftliche Evaluation des Gesetzes wollen wir noch im Jahr 2012 durchführen und als politisch neutralen und fachlich fundierten Prozess ausgestalten. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden für uns als Grundlage dafür dienen, das Hochschulfreiheitsgesetz weiter zu optimieren. Hierbei setzen wir auf ein transparentes Verfahren, um die Akzeptanz aller an der Hochschule beteiligten Gruppen und Personen zu gewährleisten. Bei den gesetzlichen Regelungen bezüglich der Hochschulräte sind für uns Weiterentwicklungen wie z.B. hinsichtlich der Abberufung von Hochschulratsmitgliedern, der Zusammensetzung oder der doppelten Legitimierung durch Hochschule und Staat denkbar. Es besteht aber kein Anlass, sie grundsätzlich in Frage zu stellen.
Was für eine Rolle soll Demokratie an der Hochschule nach Auffassung Ihrer Partei spielen? Haben Sie Konzepte für eine stärkere Demokratisierung der Hochschulen und wenn ja, welche? Wie soll insbesondere die Partizipation der Studierenden aussehen?
Die FDP NRW bekennt sich ausdrücklich zur studentischen Mitbestimmung. Es ist wichtig und richtig, dass im Hochschulfreiheitsgesetz studentische Mitbestimmungsrechte über die verfasste Studierendenschaft, Studierendenparlament (StuPa) und Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) vorgesehen sind. Möglichst viele Studierende sollten von diesen Mitbestimmungsmöglichkeiten auch Gebrauch machen. Sorge bereitet uns in diesem Zusammenhang vor allem die bei nur 10 bis 20 Prozent liegende niedrige Wahlbeteiligung bei den Studierendenparlamentswahlen. Repräsentativität ist bei einer solch niedrigen Wahlbeteiligung nur sehr schwer zu erzielen. Hier wollen wir ansetzen. Demokratische Prozesse, für die der Meinungspluralismus unabdingbar ist, leben von der Beteiligung. Wichtig ist uns ebenfalls, dass StuPa und AStA verantwortungsvoll und transparent mit dem in sie gesetzten Vertrauen der Studierenden und den ihnen zur Verfügung gestellten Mitteln umgehen.