Public-Private-PartnershipWie staatliche Hochschulen ihre Studienabschlüsse verkaufen
Von Ralf Hutter
- "Die Unternehmen brauchen heute nicht mehr eigene Hochschulen zu gründen, um sinnvoll zu investieren, sie können das an den staatlichen Hochschulen tun. Die sind nach der Entfesselung qualitativ genauso gut, wenn nicht besser."
Diese Feststellung ist nur etwas mehr als zwei Jahre alt und stammt von Detlef Müller-Böling, dem langjährigen Leiter und Vordenker des kapitalistisch orientierten Centrum für Hochschulentwicklung (CHE).
"Die Entfesselung"? Müller-Böling geht wohl nicht ganz zu Unrecht davon aus, dass die in seinem Buch "Die entfesselte Hochschule" (2000) veröffentlichten Überlegungen zur besseren Vermarktung des universitären Treibens (Managementstrukturen statt Mitbestimmung; ungleiche finanzielle Förderung der Unis statt einheitliche Uni-Landschaft usw.) die jüngsten Entwicklungen im deutschen Uni-Sektor mitgeprägt haben. Die Verzahnung von Unternehmen und universitärer Forschung beziehungsweise Ausbildung findet einen immer deutlicheren Ausdruck.
Wer an privaten Einrichtungen - auch im PPP-Modell - studiert, muss in der Regel mit Studiengebühren in Höhe von mehreren Tausend Euro im Semester rechnen.
Zum Einen zeigt sich das an dem Einstieg staatlicher Hochschulen in den kostenpflichtigen Weiterbildungssektor, über den hier schon bezüglich Berlin zu lesen war.1 In Bayern wurde Ende Februar ein Gesetz zur Einführung gebührenpflichtiger berufsbegleitender Studiengänge beschlossen.2 Modellversuche laufen bereits seit Dezember an vier Fachhochschulen. Kosten sollen die Studiengänge bis zu 2000, beziehungsweise bei ingenieurs- und naturwissenschaftlichen Fächern 3000 Euro pro Semester, wie das zuständige Landesministerium Studis Online mitteilte. Der Grund: "Die Gebühren sollen der Deckung des konkreten Mehraufwands der Hochschulen dienen."
Im Zuge dieser Neuerung wurde der Begriff "sonstige Studien" ins Hochschulgesetz aufgenommen. Er steht sogar im Titel des Artikels 56. "Sonstige Studien" sind keine Studiengänge, sondern dienen dem "Erwerb von wissenschaftlichen oder beruflichen Teilqualifikationen". Die Module können sowohl von Externen belegt werden, als auch von Studierenden zusätzlich zu ihrem Studiengang.
Zum Anderen kommt besagte Verzahnung zum Ausdruck, wenn Hochschulen Studien in Kooperation mit Unternehmen anbieten. Das sind zwar meistens ganze Studiengänge. Doch der in Bayern geprägte Begriff der "sonstigen Studien" macht durchaus auch in diesem Bereich Sinn, denn auch der sporadischen Weiterbildung dienende Angebote können ja in Zusammenarbeit mit Firmen organisiert sein.
Im Folgenden geht es um verschiedene Aspekte der öffentlich-privaten Kooperationen im Hochschulbereich. Schauplätze sind dabei Dortmund und das Bundesland Sachsen.
Franchising und Narrenfreiheit in Dortmund
In Dortmund gibt es gleich zwei Institutionen, die Hochschule und Unternehmen verzahnen – um nicht zu sagen: verschmelzen. Das liegt an der dortigen Fachhochschule, die staatliche Titel (akademische Grade) auch für privatwirtschaftlich organisierte unternehmensnahe Ausbildungen vergibt.
Da ist zum einen der Aus- und Weiterbildungsanbieter "W3L-Akademie". "W3L" steht für "Web Life Long Learning", also lebenslanges Lernen vermittels des Internets. Einziges Studienfach ist dort Web- und Medieninformatik. Nicht nur dieser Bachelor-Abschluss wird über die W3L-Akademie von der FH Dortmund verliehen, sondern auch ein halbes Dutzend damit zusammenhängender Weiterbildungszertifikate, die einzeln absolviert werden können und Namen wie "Junior-Programmierer/in" und "Software-Architekt/in" tragen.
Bemerkenswert ist dabei, dass sich diese so genannte "Akademie" mindestens genauso sehr wie an die potenziellen Studierenden, auch an die Unternehmen wendet: "Die W3L-Akadmie bietet Unternehmen die Möglichkeit, ihre Nachwuchsförderung um das Angebot des Dualen Studiums zu erweitern.", ist in ihrem Internetauftritt zu lesen. Und weiter: "Das W3L-Online-Studium erlaubt den Verbleib des Studierenden im Unternehmen, 8 Stunden am Tag, 5 Tage die Woche, wobei die Lern- und Arbeitszeiten vollständig flexibel zwischen Unternehmen und Studierenden vereinbart werden können."
Dieses "Study&Job-Modell" versteht sich als Alternative zum Präsenzstudium, denn die Lerninhalte werden per Internet konsumiert. Der Studieneinstieg kann jederzeit erfolgen, fünf Mal pro Jahr können Prüfungen gemacht werden. Ein Modul kostet übrigens 400 Euro und pro Semester werden 150 Euro fällig, so dass selbst wer die 36 Module in sechs Semestern studiert (was einem Vollzeitstudium entspräche) über 15 000 Euro bezahlt.
Ebenfalls eine duale Ausbildung bietet das IT-Center Dortmund (ITC), das nach eigenen Angaben "seit 2000 in kompakten, praxisorientierten Studienprogrammen IT-Spezialisten für die Wirtschaft ausbildet". Kompakt und praxisorientiert ist das offensichtlich – aber ein Studium hatten wir uns bisher anders vorgestellt. "Deutschlands schnellstes Informatik-Studium", so die Selbstbezeichnung, dauert nämlich nur zwei Jahre. Es endet auch nicht mit einem Bachelor-Titel, sondern mit dem Abschluss "IT-Professional". Das Modell sieht so aus: "Die ITC'ler sind 14 Monate und damit mehr als die Hälfte ihrer Studienzeit als Mitarbeiter in der IT-Abteilung ihres Partnerunternehmens tätig. Während des Semesters sind sie zwei Mal in der Woche im Unternehmen tätig. Zudem verbringen sie die vorlesungsfreie Zeit vollständig im Unternehmen."
Da ist es kein Wunder, dass das Unternehmen die Studiengebühren von 520 Euro pro Monat übernimmt und "in der Regel" zusätzlich ein "Praktikantengehalt" zahlt. Im Anschluss kann übrigens nach zwei Semestern Abendschule der ebenfalls von der FH Dortmund verliehene Titel "IT-Bachelor" erreicht werden.
Angesichts dieser Freizügigkeit der FH Dortmund, was ihre Titel angeht, tun sich Fragen auf. Studis Online stellte dem zuständigen Landesministerium eine ganze Reihe:
Ist es von der Staatsregierung gewünscht, dass in Zukunft weitere privatwirtschaftliche Anbieter solche Kooperationen anbieten und Kurse durchführen, die eine staatliche Hochschule dann mit einem Titel krönt?
Wie viele solcher Einrichtungen und Kooperationen gibt es ungefähr in NRW?
Die W3L-Akademie bewirbt ihr Fernstudium mit Abschluss der FH Dortmund unter anderem damit, dass das eine Alternative zum Präsenzstudium sei. Wie steht die Staatsregierung zur Einrichtung von staatlichen Fernstudiumsangeboten, für die dann die gleichen Bedingungen, insbesondere im Bereich der Studienförderung, gelten, wie für normale staatliche Hochschulen? Gibt es da eine Marktlücke, die momentan nur privatwirtschaftliche Akteure füllen?
Wie verträgt sich der Abschluss "IT-Professional" des ITC Dortmund, der nach 2 Jahren "Studien"-Zeit einen berufsqualifizierenden Titel darstellt, mit der von der europäischen Ebene kommenden Übereinkunft, dass ein Erststudium 3 Jahre dauern solle? Wie bewertet es die Staatsregierung zudem, dass im Rahmen dieser Ausbildung die vorlesungsfreie Zeit vollständig im Partnerunternehmen verbracht wird und selbst in der Vorlesungszeit an zwei Tagen in der Woche im Unternehmen gearbeitet wird (was den Studienumfang weiter reduziert)?
Ist die Möglichkeit gegeben, dass besagte 3-Jahres-Vorgabe durch solche öffentlich-privaten Kooperationen unterlaufen wird?
An welchen Hochschulen in NRW ist es möglich, ohne Hochschulreife-Zeugnis zu studieren? Ist die W3L-Akademie, wo beispielsweise 3 Jahre Berufserfahrung ausreichen, um ein "fachtreues" Studium zu beginnen, diesbezüglich eher der Normalfall, oder eine Ausnahme?
Die Antwort kam erst eine Email, eine telefonische Nachfrage und sechs Wochen später:
- "Der Grad wird vergeben seit dem 1. August 2001. Diese spezielle Kooperation ist wegen des IT-Fachkräftemangels nur in Dortmund gegründet worden. Das Studium wird angeboten im Rahmen des "Franchising der Hochschulen in staatlicher Trägerschaft" nach dem NRW-Hochschulgesetz. Die Fachhochschule muss die Qualität des Studiums an der anderen Bildungseinrichtung garantieren und überprüfen."
Diese Antwort hat zwar wenig mit den gestellten Fragen zu tun – aber na gut, es war mitten in der Karnevalswoche. Auf nochmalige Zusendung der Fragen kam jedoch die Antwort, mehr könne dazu "leider" nicht gesagt werden.
Dezentrale Studien und rechtliche Grauzone in Sachsen
Während in Dortmund die ganze Struktur des "Studiums" von der Einbezogenheit der Unternehmen geprägt ist, sehen öffentlich-private Kooperationen in Sachsen eher so aus, dass traditionell strukturierte Studienangebote in Kooperation mit privatwirtschaftlichen Einrichtungen erbracht werden.
Eine der, zeitlich und – mehr noch – konzeptionell gesehen, Vorreitereinrichtungen dürfte dabei die AMAK aus dem Städtchen Mittweida sein: "Die Akademie für multimediale Ausbildung und Kommunikation an der Hochschule Mittweida (AMAK AG) ist ein außergewöhnliches Bildungsunternehmen", da sie "in der für hochschulnahe Einrichtungen noch seltenen Rechtsform einer Aktiengesellschaft" arbeitet, so die Selbstvorstellung im Internet. "Hochschulnah" bedeutet: Die AMAK bietet mit Kooperationspartnern in verschiedenen deutschen Städten nach dem Motto "privat studieren, staatlich abschließen" (so der Münchener Partner Campus M21) Ausbildungen an, die am Ende mit einem Titel der Hochschule Mittweida gekrönt werden.
Am profiliertesten ist die AMAK, und wohl auch die Hochschule selbst, im Medienbereich. Zwei der vier von der AMAK angebotenen Bachelor-Studiengänge sind aus diesem Bereich, und über 90 Prozent der AMAK-Studierenden.
Die "Partnerakademien" der AMAK sind zahlreich und auf ganz Deutschland verteilt. Dort finden die eigentlichen Kurse statt. Erst im fünften Semester geht es für fünf Wochen nach Mittweida. Dort soll dann auch im sechsten Semester die Bachelor-Arbeit geschrieben werden. Der mit Abstand größte Teil des Studiums findet also nicht an der Hochschule statt. Das Studienmodell wird deshalb als dezentral und von der Hochschule nur gelenkt bezeichnet.
Der beteiligte Professor Ludwig Hilmer erklärt gegenüber Studis Online:
- "Das DHS-Modell (dezentrales hochschulgelenktes Studium) besteht seit einem Jahrzehnt. Es ermöglicht den Studierenden, im unmittelbaren Branchenunfeld zu studieren. Die Gründung der AMAK erfolgte 1999/2000 auf Anregung des damaligen sächsischen Wissenschaftsministers Prof. Dr. Joachim Mayer. Er wollte das staatliche sächsische Hochschulwesen u.a. mit diesem Kooperationsmodell gegen die sich damals abzeichnende (und mittlerweile eingetretene) demographische Entwicklung/Krise stärken."
Zur Gründung einer Aktiengesellschaft braucht es ja Kapital. Mit wessen Geld wurde die AMAK also gestartet? Dazu führt Hilmer aus:
- "Entsprechend der Gründungsintention, nach der der Freistaat finanziell entlastet werden sollte, ist die Hochschule nicht Gesellschafter. Sie nimmt aber durch Kontroll- und Aufsichtsgremien starken Einfluss. Die Gesellschafter der AMAK AG sind Professoren der Hochschule, Brachenexperten sowie Vertreter der örtlichen sächsischen Wirtschaft."
Das Unternehmen hat übrigens bescheidene Dimensionen. Nach Hilmers Angaben besteht der Vorstand aus zwei, und der Aufsichtsrat aus drei Personen. Und Gewinne werden demnach nicht ausgeschüttet, sondern reinvestiert.
Wenn das Land Sachsen finanziell entlastet werden sollte – wer wird dann belastet? Doch nicht etwa die Studis? Nein, Studiengebühren gebe es keine, antwortete jüngst das zuständige Landesministerium auf eine Parlamentsanfrage. Doch das ist nur formal richtig. Es sind die Partnerakademien, die Geld nehmen. Zwischen 17.000 und knapp 25.000 Euro kosten die vier Semester dort. Davon erhält die AMAK einen prozentualen Anteil.
Wichtig zu wissen ist dabei, dass eine Immatrikulation erst zum fünften Semester erfolgt. Vorher kann es also auch gar kein BaföG-Geld geben. Die Frage, ob bei Studienabbruch vor Immatrikulation die erbrachten Leistungen an einer anderen staatlichen Hochschule anerkannt werden, beantwortete das sächsische Hochschulministerium so:
- "Während der zehnjährigen Laufzeit des Modells stellten Studienabbrecher einen so geringen Anteil, dass keine praktischen Erfahrungen zu diesem Thema vorliegen."
Die Hochschule Mittweida fährt übrigens nicht nur mit der AMAK das DHS-Modell. In Österreich gibt es gleich zwei Partner, die ein paar technikwissenschaftliche und betriebswirtschaftliche Studiengänge für sie anbieten. In Kooperation mit zwei eingetragenen Vereinen werden darüber hinaus Master in Sozialmanagement und Sozialer Arbeit angeboten.
Parlamentarische Anfragen bringen etwas Licht ins Dunkel – vieles bleibt aber unklar
Eine Anfrage zu dem Thema von Studis Online an die meisten Oppositionsfraktionen im sächsischen Parlament mit der Bitte um politische Bewertung führte zu mehreren parlamentarischen Anfragen. Bekannt wurde so: Sachsen ist für öffentlich-private Kooperationen im Hochschulbereich ein gutes Pflaster. Es gibt sie an insgesamt fünf – und somit der Hälfte – seiner Hochschulen: Universität Leipzig, Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig, Hochschule Mittweida, Hochschule Zittau/ Görlitz und Westsächsische Hochschule Zwickau. Je Hochschule gibt es zwischen einem (Zwickau) und elf (Mittweida) solcher Angebote. Es dominieren medien- und betriebswirtschaftliche Studiengänge, und einige der Abschlüsse werden berufsbegleitend erworben.
Die Kosten betragen zwischen einigen Hundert und mehreren Tausend Euro pro Semester. Auch in anderen Fällen wird, wie in Mittweida, von der Hochschule selbst keine Rechnung gestellt. Wie viel Geld die Partnerinstitutionen nehmen, wird in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des sächsischen Landtagsabgeordneten Holger Mann, der allgemein nach Studiengebühren gefragt hatte, jedoch nicht angegeben.
Der hochschulpolitische Sprecher der SPD-Fraktion vermutet gegenüber Studis Online, dass nicht nur für den Fall Mittweida die Angaben des Ministeriums bezüglich der wirklichen Kosten der "Public-Private-Partnerships" (PPP) unzureichend sind:
- "Es ist davon auszugehen, dass auch bei den weiteren PPP-Studiengängen Entgelte von den privaten Institutionen erhoben werden. Dies bedarf einer parlamentarischen Nachfrage."
Ersichtlich wird aus den Angaben des Ministeriums hingegen, dass in den besagten Studiengängen Lehrveranstaltungen so gut wie gar nicht von den Hochschulen selbst erbracht werden. Das ist für Letztere natürlich reizvoll, denn sie haben sich im Rahmen des so genannten Hochschulpaktes von Bund und Ländern zu bestimmten Anzahlen von Studienplätzen verpflichtet, und die (frühestens im letzten Drittel der Ausbildungszeit immatrikulierten) PPP-Studierenden und ihre Abschlüsse werden ihnen gutgeschrieben.
Doch Holger Mann sieht diesen nur flüchtigen Kontakt zwischen Studis und Hochschule kritisch. In einer Frage, die das Ministerium allerdings anscheinend falsch verstand und deshalb am Thema vorbei beantwortete, bezieht er sich auf die "Beschlüsse der Kultusministerkonferenz (KMK) zur Anrechnung von außerhalb des Hochschulwesens erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten auf ein Hochschulstudium" von 2002 und 2008. Demnach soll "ein wesentlicher Teil der dem Hochschulabschluss zugrundeliegenden Ausbildung in der unmittelbaren Verantwortung, d. h. durch eigene Leistungen der verleihenden Hochschule" stattfinden. Doch wo trifft selbst die schwammige Formulierung "ein wesentlicher Teil" bei den PPP-Modellen zu?
Diese Modelle "stellen primär auf die Sicherung der Qualität des Studiums mittels (Abschluss-)Prüfungen und die Anerkennung von extern erworbenen Leistungen ab und bewegen sich in einem gesetzlichen Rahmen, der durchaus als Graubereich bezeichnet werden kann", so Mann gegenüber Studis Online. Eigentlich sollte durch die Akkreditierung der Abschlüsse die Einhaltung der KMK-Regelung gewährleistet sein.
- "Dennoch bleibt insbesondere beim Mittweida-Modell die Frage, ob die KMK-Standards erfüllt werden. Da mit den derzeit vorliegenden Informationen keine abschließende Bewertung vorgenommen werden kann, wird es zu diesem Sachverhalt weitere Rückfragen an den Akkreditierungsrat sowie die KMK beziehungsweise das Landesministerium geben."
Die Akkreditierungsagenturen – es läuft also auch auf diese neuen großen Unbekannten des Hochschulwesens hinaus. Eine ganze Handvoll Agenturen begutachtete sächsische PPP-Studiengänge. Wer kennt sie schon, wer durchschaut ihr Treiben? Dazu lernen wir von Holger Mann:
- "Eine detaillierte Kontrolle der Agenturen bzw. ihrer Entscheidungen obliegt in erster Linie dem Akkreditierungsrat, der nach meinen Erkenntnissen stichprobenartig prüft und sich in Präzedenzfällen auch beratend äußert. Auffällig ist, dass sehr viele Studiengänge noch nicht akkreditiert wurden und dass es starke Schwankungen in der Bewertung des PPP-Modells gibt. Beispielsweise hat die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig auf Grund der Akkreditierung das Anerkennungsverfahren an die KMK-Beschlüsse anpassen müssen."
Allzuviel sagt das Urteil dieser mittlerweile so wichtigen Agenturen aber nicht aus, so der SPD-Abgeordnete:
- "Die Akkreditierung prüft lediglich Mindeststandards und kann nur ein Element in einem Qualitätssicherungskreislauf sein. Ihr obliegt nicht, politisch motivierte Entscheidungen zu korrigieren oder zu revidieren. Sie kann jedoch dafür Sorge tragen, dass es eine Vergleichbarkeit auf Mindestniveau gibt. Allerdings scheint auch dieser Umstand durch die unterschiedliche Philosophie der jeweiligen Agentur nicht immer gegeben."
Wissenswert zu dem Punkt der "politisch motivierten Entscheidungen" ist noch:
- "Die PPP-Studiengänge wurden in einem Zeitraum gegründet, der das Akkreditierungswesen noch nicht kannte. Sie wurden vielmehr durch ministerielle Genehmigungen während der CDU-Alleinregierung auf den Weg gebracht."
Holger Mann sieht nicht nur die Gebühren für grundständige Studiengänge kritisch, sondern ein Ausufern des PPP-Modells an sich:
- "Akademische Weiterbildung sollte unter dem Dach der Hochschule etabliert werden, damit eben die zuständigen Gremien involviert sind, die Studierenden Rechte und Pflichten besitzen und die gesetzlichen Gebührenrahmen Anwendung finden. Diese Angebote können unter dem Aspekt der derzeitigen Finanzierungssituation der Hochschulen jedoch nicht an erster Stelle stehen, vielmehr muss das grundständige Angebot abgesichert werden und eine breitmögliche Öffnung des Hochschulwesens angestrebt werden."
Mann segnet also, vielleicht ohne es zu merken, zumindest bezüglich des Weiterbildungswesens den Trend zu öffentlich-privaten Kooperationen ab: Zwar wäre es anders wünschenswert, doch auf Grund der finanziellen Situation können die Hochschulen das eben nicht alleine leisten.
Fazit: Neuartige unternehmerische Eingriffe im Kommen?
Nun können die geschilderten Studienangebote von Dortmund und Sachsen zusammengedacht werden. Im ersten Fall sind spezifische "Studiengänge" zum größten Teil in Unternehmen selbst angesiedelt oder dienten als berufsbegleitende Weiterbildung direkt den Zwecken von Unternehmen. Im zweiten Fall sind die privatwirtschaftlichen Akteure Partner der Hochschulen und verdienen an der Ausbildung, und nicht an der verbesserten Arbeitskraft der Ausgebildeten.
Doch warum nicht beides zusammenführen? Angesichts der Tatsache, dass duales Studium und berufsbegleitende Weiterbildung (siehe Dortmund) nicht in allen Fächern und Branchen möglich sind, wäre es für finanzstarke Unternehmen reizvoll, zusätzlich zu solchen direkten Eingriffen in Studienstrukturen Institutionen aufzuziehen, die den finanziell ausgebluteten staatlichen Hochschulen Studiengang-Kooperationen anbieten, die in ihrem Interesse sind. Die Hochschulen sind jedenfalls entfesselt und warten auf Investitionen.
- Kooperationsmodell: Studiengang zu verkaufen (09.05.2011; ftd.de)
- Hochschulähnliche Bildungseinrichtungen (im Artikel "Hochschularten" von Studis Online)
Fußnoten
1 Vgl. "Deutsche Universität für Online-Chat" und "Weiterbildung auf Uni-Kosten" auf Studis Online (12.01.2011). Siehe auch den Deutschlandfunk-Beitrag "Fachkräfte nur für Elite-Firmen? - Universität für Weiterbildung in der Kritik" (15.03.2011).
2 Vgl. Bericht aus Bayern: Tausende Euro Studiengebühren und weniger Geld für die Hochschulen (Artikel stellt Pläne für die Studiengebühren für berufsbegleitenden Studiengänge dar, die dann auch ohne wesentliche Änderung verabschiedet wurden)