Die Master-FrageBleibt der Übergang vom Bachelor zum Master ein Nadelöhr?
Von Florian Muhl
Im Zuge des Bologna-Prozesses wurde an den europäischen Hochschulen in der Mehrzahl der Studiengänge die Einführung von Bachelor- und Master-Abschlüssen vollzogen. Bei den Bildungsprotestender letzten Jahre wurde neben der neuen Form des Studiums (Modularisierung der Studieninhalte und – mehr oder weniger – strikt abzuarbeitende Studienpläne) insbesondere kritisiert, dass massive Zugangshürden beim Übergang zum Master-Studium geschaffen wurden.
Aktuell kann der Masterzugang ein Nadelöhr sein, da einige Master nur bei bestimmten Mindestnoten im Bachelor zugänglich sind.
Auch wenn sich die Bundesbildungsministerin Annette Schavan im Juli 2009 während des Bildungsstreiks dafür aussprach, dass der Übergang vom Bachelor zum Master problemlos möglich sein müsse und dass Studierende selbst entscheiden können sollten, ob sie einen Master machen wollen oder nicht, sieht die Realität derzeit anders aus.
Mehr als 25 % der Master-Studiengänge zulassungsbeschränkt
Klemens Himpele, Referent beim Hauptvorstand der GEW, stellte auf der Tagung zur Master-Frage anhand aktueller Daten die derzeitige Situation des Zugangs zum Bachelor- und zum Master-Studium dar. Während die Regelung der Zugangsberechtigung für das Erststudium (den Bachelor) rechtlich weitgehend klar ist, ist der Zugang zu Master-Studiengängen problematisch. Grund dafür sind u.a. die Strukturvorgaben der Kultusministerkonferenz (KMK) zur Akkreditierung von Bachelor- und Master-Studiengängen, die in der Fassung vom Februar 2010 Folgendes festlegen:
"Zur Qualitätssicherung oder aus Kapazitätsgründen können für den Zugang oder die Zulassung zu Masterstudiengängen weitere Voraussetzungen bestimmt werden." (Hervorhebung: F.M.; 2003 war von Seiten der KMK noch gefordert worden, dass besondere Zugangs- bzw. Zulassungsvoraussetzungen formuliert werden sollen.)
Die Zugangsberechtigung regelt, wer sich überhaupt einen Studienplatz bewerben darf. Es wird bspw. festgeschrieben, dass eine bestimmte Note im Bachelor-Abschluss Voraussetzung für einen Studienplatz ist, dass nur, wer eine bessere Note hat, überhaupt "befähigt" ist, ein entsprechendes Master-Studium aufzunehmen. Zu diesen Zugangsbeschränkungen gibt es keine Daten: Wie viele Studiengänge betroffen sind, ist unbekannt. Wenn sich nun mehr potentielle Studierende auf einen Studienplatz bewerben, dann greifen Zulassungsbeschränkungen, meist in Form eines Numerus clausus.
Dass die Hochschulen von der Möglichkeit Zulassungsbeschränkungen zu erlassen rege Gebrauch machen, zeigen folgende aktuellen Zahlen:
Einer Erhebung der KMK für das Wintersemester 2010/11 zufolge, sind derzeit 24 Prozent der Master-Studiengänge zulassungsbeschränkt (21,7 Prozent an Universitäten, 32,5 Prozent an Fachhochschulen). Diese Angaben basieren auf 4.713 berücksichtigten Master-Studiengänge.
Nach Berechnungen, die Himpele auf Grundlage der Angaben im aktuellen Hochschulkompass der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), in dem 5.834 Master-Studiengänge an 380 Hochschulen erfasst sind, angestellt hat, unterliegt jedoch ein wesentlich größerer Anteil der Master-Studiengänge, nämlich 37,2 %, örtlichen Zulassungsbeschränkungen. Die Situation stellt sich von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich dar: Der Anteil der zulassungsbeschränkten Master-Studiengänge reicht von "nur" 10,8 % in Mecklenburg- Vorpommern bis hin zu 67,0 % in Berlin.
Diese Praxis und auch die oben genannten Vorgaben der KMK stehen im Widerspruch zum Grundrecht auf freie Hochschulzulassung und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1972, wonach "Zulassungsbeschränkungen für Studienanfänger einer bestimmten Fachrichtung […] nur verfassungsmäßig [sind], [...] wenn sie in den Grenzen des unbedingt Erforderlichen unter erschöpfender Nutzung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten angeordnet werden […]."
(BVerfGE 33, 303, Hervorhebung: F.M.)
Rechtsgutachten: Bund hat Kompetenz zur Regelung des Zugangs zum Masterstudium
Wilhelm Achelpoehler stellt auf der GEW-Tagung "Die Master-Frage" am 14.04.2011 sein Rechtsgutachten vor.
Um die Frage zu klären, ob der Bund die Kompetenz zur gesetzlichen Regelung eines freien Zugangs zum Masterstudium hat, hatte die GEW den Fachanwalt für Verwaltungsrecht Wilhelm Achelpöhler mit dem Erstellen eines Rechtsgutachtens beauftragt, das er auf der Tagung vorstellte.
Er weist darin nach, dass der Bund eindeutig sowohl die Kompetenz zur Regelung des Kapazitätsrechts der Hochschulzulassung im engeren Sinne (Ermittlung der vorhandenen Ausbildungskapazität und Verteilungsverfahren dieser Studienplätze), als auch die Kompetenz zur Regelung des Zugangs zum Masterstudium hat. Der freie Zugang zum Master-Studium, also der Verzicht auf besondere Zugangs- und Zulassungsvoraussetzungen, könnte somit durchaus – wenn politisch gewollt – durch ein Bundesgesetz vorgegeben werden. Achelpöhler macht – in Anlehnung an das Hochschulgesetz in Nordrhein-Westfalen – folgenden Formulierungsvorschlag zur Regelung des Zugangs zu konsekutiven Masterstudiengängen:
"Zugang zu einem Studiengang, der mit einem Mastergrad abgeschlossen wird, hat, wer einen ersten berufsqualifizierenden Abschluss nachweist, auf dem der Masterstudiengang aufbaut. Abschlüsse von akkreditierten Bachelorausbildungsgängen an Berufsakademien sind Bachelorabschlüssen von Hochschulen gleichgestellt. In Ausnahmefällen kann die Hochschule zulassen, dass das Studium bereits vor dem Erwerb der Zugangsvoraussetzungen nach den Sätzen 1 bis 3 aufgenommen wird, wenn diese Zugangsvoraussetzungen spätesten innerhalb eines Jahres nach Aufnahme des Studiums nachgewiesen werden."
Die rechtliche Situation nach der Föderalismusreform würde es den Bundesländern zwar ermöglichen, von dieser Regelung abzuweichen, es wäre jedoch ein starkes politisches Signal, wenn ein Gesetz in diesem Sinne erlassen würde.
Wie weiter? - Den freien Zugang zum Master durchsetzen
Es ist kein Zufall und auch kein schlichtes Missmanagement der Bildungspolitik, dass die Übergangsquoten vom Bachelor- zum Master-Studium teilweise so dramatisch niedrig sind. Ziele, die mit dem Bologna-Prozess erklärtermaßen verfolgt wurden, waren u.a. eine Erhöhung der Zahl "berufsqualifizierter" Arbeitskräfte, eine Verkürzung der durchschnittlichen Studienzeit und letztlich eine Dequalifizierung der "berufsqualifizierenden" Abschlüsse. Wurden für die Dauer der in den 80er Jahren eingeführten – ebenfalls "berufsqualifizierenden" – Diplom-Studiengänge in der Regel noch neun Semester veranschlagt, wird in Deutschland derzeit bereits ein sechssemestriger Bachelor-Studiengang als "berufsqualifizierend" definiert. Die Forderung nach einem rechtlich garantierten freien Zugang zum Master-Studium für all diejenigen, die das anstreben, ist also zentral um für eine Umkehr dieser Entwicklung zu sorgen. Dass dies rechtlich möglich ist, wurde mit dem Rechtsgutachten nachgewiesen.
Dass es auch politisch möglich wird, ist eine Frage der Kräfteverhältnisse. Fest steht, dass sowohl innerhalb als auch außerhalb der Parlamente weiterhin Druck gemacht werden muss, um für die Überwindung einer Hochschulpolitik nach dem Motto "Bachelor für die Masse, Master nur für die Elite" sorgen zu können. Es darf dabei nicht aus den Augen verloren werden, dass gleichzeitig ein bedarfsdeckender Ausbau der finanziellen Ressourcen für die Finanzierung der Hochschulen insgesamt nötig ist, will man nicht einen Ausbau der Master-Studienplätze mit einer Reduzierung der Bachelor-Plätze "erkaufen".
Die Fraktion der LINKEN im Bundestag fordert in einem Antrag vom 12.04.11 die Schaffung zusätzlicher Studienplätze und ein Bundeshochschulzulassungsgesetz, das auch ein Recht auf ein Masterstudium garantiert. Auch ein breites Spektrum von liberalen, grünen und linken hochschulpolitischen Gruppen spricht sich in einer gemeinsamen Erklärung für die Verwirklichung des Rechts auf einen freien Zugang zum Master-Studium aus und will auf der Bologna-Konferenz des Bundesministeriums für Bildung und Forschung am 6. Mai konkrete Vereinbarungen von Bund, Ländern und Hochschulen fordern.
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