Wahlprüfsteine HochschulpolitikAntworten der Grünen Sachsen-Anhalt
Die Grünen Sachsen-Anhalt |
Wie sollten diese rechtlichen Grundlagen nach Ihrer Vorstellung weiterentwickelt werden? Könnten Sie sich vorstellen, sich über den Bundesrat dafür einzusetzen das Unterhaltsrecht z. B. in Richtung einer vom Einkommen der Eltern unabhängigen Förderung zu reformieren?
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben sich schon viele Jahre für eine direkte Studienfinanzierung unabhängig von den Eltern eingesetzt und schon vor über 10 Jahren Modelle zur Finanzierung entwickelt.
Wir sind jederzeit bereit, uns für derartige Weiterentwicklungen von Unterhaltsrecht und BAföG einzusetzen.
2. Die Bundesregierung hat die bundesweite Einführung eines "Deutschlandstipendiums" beschlossen, das den "Leistungsstärksten" pro Monat 300 Euro - je zur Hälfte finanziert durch den Bund und private Sponsoren - einbringen soll. Unterstützen Sie diesen Plan?
Wie ist Ihre grundsätzliche Einstellung zu leistungsabhängigen Stipendien im Verhältnis zum BAföG?
Das vordringliche Ziel von Stipendien muss es sein, möglichst vielen jungen Menschen ein Studium zu ermöglichen, eben unabhängig von den materiellen Bedingungen im Elternhaus oder dem Schulabschluss der Eltern. Jeder junge Mensch, der dazu gemäß seiner schulischen oder beruflichen Leistungen in der Lage ist, soll studieren können. Davon sind wir in Deutschland weit entfernt. 71% der Abiturienten aus Akademikerfamilien, aber nur 24% der Kinder von Nicht-AkademikerInnen studieren heute. Insofern geht das Deutschlandstipendium am Ziel vorbei. Für die leistungsstärkeren Studierenden gibt es zudem bereits jetzt auch die staatlich finanzierten Förderwerke.
3. Studiengebühren sind seit ihrer Einführung ein stark umstrittenes Thema. In sieben Bundesländern wurden allgemeine Studiengebühren eingeführt, zwei (Hessen und Saarland) haben sie mittlerweile wieder abgeschafft, in Nordrhein-Westfalen ist die Abschaffung geplant. Bayern dagegen hat Pläne, bei berufsbegleitenden Bachelor-Studiengängen sogar höhere Studiengebühren von zunächst bis zu 2000 Euro zuzulassen.
Welche Pläne haben Sie für Sachsen-Anhalt?
Wir sind wegen der sozialen Selektionswirkung grundsätzlich gegen die Einführung von Studiengebühren. Wir halten auch die bestehenden Langzeitstudiengebühren und Gebühren für Zweitstudien für gesellschaftlich kontraproduktiv, da sie zügige Studienabschlüsse behindern. Die Bezahlung des Studiums muss über das aus ihm später erzielte Einkommen im Rahmen der Einkommensbesteuerung erfolgen.
4. Was halten Sie von den sozialen Bewegungen, die Demokratie nicht mehrnur als System, bei dem man alle vier Jahre seine Stimme abgibt, verstehen wollen (bspw. das Bildungsstreik-Bündnis, die Proteste gegen Stuttgart 21)?
Ist Ihres Erachtens mehr Mitsprache und Mitbestimmung "von unten" nötig und möglich?
Sind Ihrer Auffassung nach in diesem Sinne auch an den Hochschulen Veränderungen notwendig?
Das Demokratieverständnis von Bündnis90/Die Grünen hat schon immer die außerparlamentarische Mitsprache von Bürgern einbezogen. Wir sind offen für neue Instrumente der Partizipation und Mitbestimmung. Das gilt auch für die Hochschulen. Hier sollte das Mandat der beteiligten Gruppen (Studierende, Professorinnen und Professoren, wissenschaftlicher Mittelbau) zu einer echten Drittelparität ausgebaut werden und der Einfluss der Hochschulgremien gegenüber der Hochschulleitung und dem Land gestärkt werden.
5. Brandenburg hat ein Landes-Schüler-BAföG für diejenigen Schülerinnen und Schüler eingeführt, die bisher kein BAföG bekommen können (insbesondere für Schüler an gymnasialen Oberstufen, die noch bei ihren Eltern wohnen). Was halten Sie von diesem Ansatz bzw. was für Pläne verfolgen sie, um mehr Menschen aus finanziell schlechter gestellten Familien zu einer Hochschulzugangsberechtigung zu verhelfen?
Prinzipiell ist das ein richtiger Schritt für mehr Bildungsgerechtigkeit. Sofern der Landeshaushalt durch Umschichtungen das finanzierbar macht, unterstützen wir ein Schüler-BAföG wie in Brandenburg.
6. Der Anteil der staatlichen Grundmittel für die Finanzierung der Hochschulen ist von 1980 bis 2007 von 72,3 auf 50,1 Prozent gesunken, während im gleichen Zeitraum die Finanzierung über Drittmittel- und Verwaltungseinnahmen in den letzten Jahrzehnten massiv zugenommen haben.
Wie stehen Sie dazu, dass die öffentliche Finanzierung der Hochschulen in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr zurückgefahren wurde?
Wir sehen Drittmittel als schlechten Ersatz für eine mangelhafte Grundausstattung der Hochschulen. Wir fordern ausfinanzierte Hochschulen, die ihre Grundlagenforschung und ihren Bildungsauftrag eigenständig realisieren können. Erst dadurch kommen sie in die Lage, auch mehr Drittmittel einwerben zu können.
7. Was halten Sie von der so genannten "Schuldenbremse", die nach Ihrem Einzug ins Grundgesetz nun aktuell auch in immer mehr Landesverfassungen aufgenommen wird? Die Bildungsgewerkschaft GEW vertritt hier sehr pointiert die Auffassung, dass diese "Bremse" vor allem zu Sozialabbau führe und daher nichts anderes als eine "Bildungsbremse" sei. Wie stehen Sie dazu?
Wir finden eine Begrenzung der Schulden sinnvoll, wenn sie mit Augenmaß vollzogen wird. Aus unserer Sicht muss sie aber konjunkturabhängig sein, damit in Krisen ein Gegensteuern möglich ist. Damit sie nicht als Argument für Sozialabbau und Bildungsarmut dient, müssen die erforderlichen Einnahmen gesichert und bei unnötigen Ausgaben gespart werden. So wollen wir in Sachsen-Anhalt Investitionen in Bildung dadurch finanzieren, indem das Land 100 Millionen Euro an umweltschädlichen Ausgaben z.B. für Straßenbau abbaut und umweltschädliche Subventionen z.B. für Bergbau zurückfährt.
8. Eine vor kurzem veröffentlichte Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) hat ergeben, dass "bis 2020 bis zu einer Million mehr Studienplätze erforderlich [sind]. Unter Berücksichtigung des Hochschulpakts besteht somit ein Finanzierungsbedarf für weitere 700.000 Plätze. Dieser Bedarf an Studienplätzen ergibt sich daraus, dass bis 2020 jedes Jahr mindestens 400.000 Studienanfänger an die Hochschulen drängen."
Stimmen Sie dieser Analyse zu? Wenn ja, wie wollen Sie die Vergrößerung des Studienplatzangebots realisieren?
Diese Prognose erscheint uns, auf das ganze Bundesgebiet bezogen, realistisch. In Sachsen-Anhalt findet aber bereits ein Rückgang der Nachfrage nach Studienplätzen durch Landeskinder statt.
Angesichts des Bundestrends und der Verpflichtungen aus dem Hochschulpakt muss die Zahl der vorhandenen Studienplätze beibehalten, eher punktuell wie bei der Lehrerausbildung ausgebaut werden. Die Anwerbung von Studierenden aus anderen Bundesländern auf diese Studienplätze stellt für Sachsen-Anhalt eine große Chance dar, etwas gegen den demographischen Trend im Land zu tun.
9. Aktuell wird der Bachelor-Abschluss für immer mehr Studierende zur Sackgasse, da es nicht genug Master-Studienplätze gibt. Wie stehen Sie zu der Umsetzung des Konzepts der Bachelor-Master-Studiengänge in Deutschland - i.d.R. sechssemesteriges Bachelor-Studium, Übergangsquoten in Höhe von ca. 30 – 70%, Neubewerbung für ein Master-Studium?
Welchen Entwicklungsbedarf sehen Sie auf diesem Gebiet?
Wir sind als die "Dagegenpartei" auch gegen jegliche Quoten für den Übergang vom Bachelor zum Master. Allen Studierenden muss die Möglichkeit zu einem Masterstudium gegeben werden. Das kann auch durch neue zusätzliche Masterangebote erfolgen.
10. Viele Studienfächer sind inzwischen zulassungsbeschränkt. Studieninteressierte sind daher gezwungen, sich an einer größeren Zahl von Hochschulen zu bewerben und Bewerbungen wieder zurückzuziehen, falls doch ein Platz an einer bevorzugten Hochschulen frei wird. Nun gibt es offenbar bereits Streit um die Kostenverteilung bei der ab kommenden Wintersemester geplanten zentralen (wenn auch freiwilligen) Koordinierung durch die Stiftung für Hochschulzulassung / hochschulSTART.de.
Wollen Sie sich in diese Auseinandersetzung einmischen und die Hochschulen ihres Landes zu einer einheitlichen Linie drängen bzw. durch finanzielle Zusagen des Landes eine Teilnahme aller Hochschulen des Landes ermöglichen?
Es ist ein Skandal, dass ein jahrzehntelang gut funktionierendes Zulassungsverfahren durch völliges neoliberales Chaos ersetzt wurde. Die verdeckten Kosten an den Hochschulen durch Mehrfachbewerbungen sind hoch, ganz zu schweigen von der Situation der BewerberInnen. Eine funktionierende zentrale Lösung ist für das Land kostengünstiger.