HochschulpolitikFata morgana Elite-Uni - oder: was wirklich wichtig wäre
Die Debatte um Elite-Unis zeigt mal wieder die Zutaten, aus der ein Thema bestehen muss, dass es starke Resonanz erzeugt. Ein mit viel Emotionen besetzter Begriff ("Elite"), eine unerwartete Nutzung dieses Begriffs (der SPD wird ja traditionell gerade nicht die Vertretung einer Elite unterstellt) und ein Umfeld, in dem es noch brodelt (Streiks an Hochschulen ...). Ein wirkliches Konzept ist zunächst gar nicht nötig. Allerdings kann die Debatte Richtungen annehmen, die unerwünscht waren. Und das bleibt auch die größte Gefahr der laufenden Debatte.
Die SPD und die Elite
Auslöser des ganzen war ein eigentlich magerer Abschnitt in einem Papier des SPD-Vorstandes. Diese "Weimarer Leitlinien Innovation" wurden am vergangenen Wochenende als Entwurf bekannt und nun am 6.1.2004 durch den Partei-Vorstand beschlossen. Das SPD-Papier kam ohne das Reizwort "Elite-Uni" aus, dieses wurde erst in der Presse-Berichterstattung ins Spiel gebracht. Die SPD sprach von "Spitzenhochschulen" nach dem Vorbild Harvard-University. Liest man den Wortlaut, merkt man, was die mediale Aufmerksamkeit so alles bewirken kann ...
Nachdem es in den ersten Meldungen noch hieß, es solle mind. eine Hochschule zu einer Elite-Uni ausgebaut werden, hat Bundesbildungsministerin Bulmahn inzwischen klargestellt, dass es eher um die Größenordnung zehn Unis geht. Vielleicht aber auch nur, weil ihr klar wurde, welche Geister sie rief ...
SPIEGEL ONLINE kommentiert die SPD-"Innovationsoffensive" und die Einrichtung von Elite-Unis ganz treffend wie folgt: "Bund und Länder sind [...] weit davon entfernt, finanzielle und gesetzliche Voraussetzungen dafür zu schaffen. Vielmehr wollen die Genossen im Superwahljahr 2004 konservative Begriffe besetzen und Modernität simulieren."
Wer mitdiskutiert
Da am Ende ja vielleicht doch ein wenig Geld rausspringt, bringen sich einige Hochschulen bzw. Bundesländer schon mal als potentielle Standorte der Elite-Uni ins Gespräch. So bringt z.B. der Hamburger Wissenschaftssenator Dräger die Uni aus "seiner" Stadt ins Spiel. Der unvermeidliche Peter Glotz, der beim Thema Elite immer dabei ist, nennt neben der Berliner Humboldt-Uni die TH Aachen und TU München sowie die Unis in Heidelberg und Tübingen.
Natürlich versuchen sich auch einige der privaten Hochschulen ins Spiel zu bringen. Dabei hatten sie bei ihrer Gründung in den letzten Jahren vollmundig getönt, dass sie aus eigener Kraft erfolgreich sein werden. Wie sich mehr und mehr herausstellt, bleiben sie doch von größeren Zuschüssen der Länder abhängig. Auch von Organisation und Lehrplan ist bisher keine Innovation von ihnen ausgegangen.
Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) wirft die Zahl 100 Millionen als jährlicher Zuschuss für die Spitzenhochschulen ins Feld. Sicher auch im eigenen Interesse, denn wenn möglich würde die DFG sicher auch bei der Verteilung mitmischen wollen.
Elite - ihh! Und: warum die Debatte an der falschen Stelle ansetzt
Die SPD vermied in ihrem Papier das Wort Elite - aber der Geist ist sowieso aus der Flasche. Bundeskanzler Schröder in gewohnt forscher Art sagte daher, er habe keine Schwierigkeiten mit dem Wort - sofern Elite nicht auf Herkunft, sondern auf Leistung beruhe. Trotz dieser Aussage ist Vorsicht geboten. Denn die Auslese fängt ja lange vor der Hochschule an, so dass an der Schwelle zur Uni die Herkunft schon lange auch die Leistung beeinflusst hat. Diese Problematik spricht das SPD-Papier zwar indirekt auch an (Thema frühkindliche Förderung), es ist insofern erschreckend, dass sich die öffentliche Debatte nun auf das Thema Elite-Uni festbeißt, wo doch andere Teile des Bildungssystems (Kindergärten, Schulen) ebenfalls einer Verbesserung bedürfen. Solange das nicht ausreichend passiert, werden Menschen aus sozial schwächerem Umfeld entweder gar nicht bis zur Schwelle Hochschule kommen, wo es weiter zur Uni geht bzw. dort als "leistungsschwächer" ausgesiebt werden. Denn dieser Aspekt von "Elite-Unis" wird sich wohl durchsetzen: Die Hochschulen werden mehr und mehr Studierende selbst aussuchen dürfen.
Mehr zum Thema
Die SPD und die Elite
Auslöser des ganzen war ein eigentlich magerer Abschnitt in einem Papier des SPD-Vorstandes. Diese "Weimarer Leitlinien Innovation" wurden am vergangenen Wochenende als Entwurf bekannt und nun am 6.1.2004 durch den Partei-Vorstand beschlossen. Das SPD-Papier kam ohne das Reizwort "Elite-Uni" aus, dieses wurde erst in der Presse-Berichterstattung ins Spiel gebracht. Die SPD sprach von "Spitzenhochschulen" nach dem Vorbild Harvard-University. Liest man den Wortlaut, merkt man, was die mediale Aufmerksamkeit so alles bewirken kann ...
Nachdem es in den ersten Meldungen noch hieß, es solle mind. eine Hochschule zu einer Elite-Uni ausgebaut werden, hat Bundesbildungsministerin Bulmahn inzwischen klargestellt, dass es eher um die Größenordnung zehn Unis geht. Vielleicht aber auch nur, weil ihr klar wurde, welche Geister sie rief ...
SPIEGEL ONLINE kommentiert die SPD-"Innovationsoffensive" und die Einrichtung von Elite-Unis ganz treffend wie folgt: "Bund und Länder sind [...] weit davon entfernt, finanzielle und gesetzliche Voraussetzungen dafür zu schaffen. Vielmehr wollen die Genossen im Superwahljahr 2004 konservative Begriffe besetzen und Modernität simulieren."
Wer mitdiskutiert
Da am Ende ja vielleicht doch ein wenig Geld rausspringt, bringen sich einige Hochschulen bzw. Bundesländer schon mal als potentielle Standorte der Elite-Uni ins Gespräch. So bringt z.B. der Hamburger Wissenschaftssenator Dräger die Uni aus "seiner" Stadt ins Spiel. Der unvermeidliche Peter Glotz, der beim Thema Elite immer dabei ist, nennt neben der Berliner Humboldt-Uni die TH Aachen und TU München sowie die Unis in Heidelberg und Tübingen.
Natürlich versuchen sich auch einige der privaten Hochschulen ins Spiel zu bringen. Dabei hatten sie bei ihrer Gründung in den letzten Jahren vollmundig getönt, dass sie aus eigener Kraft erfolgreich sein werden. Wie sich mehr und mehr herausstellt, bleiben sie doch von größeren Zuschüssen der Länder abhängig. Auch von Organisation und Lehrplan ist bisher keine Innovation von ihnen ausgegangen.
Der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) wirft die Zahl 100 Millionen als jährlicher Zuschuss für die Spitzenhochschulen ins Feld. Sicher auch im eigenen Interesse, denn wenn möglich würde die DFG sicher auch bei der Verteilung mitmischen wollen.
Elite - ihh! Und: warum die Debatte an der falschen Stelle ansetzt
Die SPD vermied in ihrem Papier das Wort Elite - aber der Geist ist sowieso aus der Flasche. Bundeskanzler Schröder in gewohnt forscher Art sagte daher, er habe keine Schwierigkeiten mit dem Wort - sofern Elite nicht auf Herkunft, sondern auf Leistung beruhe. Trotz dieser Aussage ist Vorsicht geboten. Denn die Auslese fängt ja lange vor der Hochschule an, so dass an der Schwelle zur Uni die Herkunft schon lange auch die Leistung beeinflusst hat. Diese Problematik spricht das SPD-Papier zwar indirekt auch an (Thema frühkindliche Förderung), es ist insofern erschreckend, dass sich die öffentliche Debatte nun auf das Thema Elite-Uni festbeißt, wo doch andere Teile des Bildungssystems (Kindergärten, Schulen) ebenfalls einer Verbesserung bedürfen. Solange das nicht ausreichend passiert, werden Menschen aus sozial schwächerem Umfeld entweder gar nicht bis zur Schwelle Hochschule kommen, wo es weiter zur Uni geht bzw. dort als "leistungsschwächer" ausgesiebt werden. Denn dieser Aspekt von "Elite-Unis" wird sich wohl durchsetzen: Die Hochschulen werden mehr und mehr Studierende selbst aussuchen dürfen.
- Weimarer Leitlinien Innovation (Das SPD-Papier als PDF)
- SPIEGEL ONLINE / Luftschloss Elite-Uni: Die drei großen Irrtümer der SPD (07.01.2004)
- Interview zu Elite-Unis: Was die Rektoren fordern (07.01.2004)
- taz-Schwerpunkt zum Thema Elite-Unis (07.01.2004)
- SPIEGEL ONLINE / Debatte um Spitzenforschung: Experten rätseln über Kosten für Spitzen-Unis (06.01.2004)
- "Elite" gegen "Masse" oder: Legitimation sozialer Ungleichheit und Die Eliten und die Massen (zwei ältere Texte, die der Bund demokratischer WissenschaftlerInnen - BdWi aus Anlass der aktuellen Debatte wieder zur Verfügung gestellt hat)