Wahlprüfsteine HochschulpolitikAntworten der SPD NRW
Wir haben uns stets für eine Weiterentwicklung der ZVS als Serviceeinrichtung für Studierende und Hochschulen eingesetzt und sind im Gegensatz zur schwarz-gelben Landesregierung nicht für eine Abschaffung der ZVS eingetreten. Die aktuelle Entwicklung in Bezug auf die zahlreichen nicht besetzten Studienplätze auf Grund von Mehreinschreibungen bestätigt, dass eine zentrale Vergabe von Studienplätzen weiterhin sinnvoll ist.
2. Die gesicherte Studienfinanzierung ist ein entscheidender Punkt, um Menschen aus allen sozialen und gesellschaftlichen Schichten ein Studium zu ermöglichen. In Deutschland spielen hierfür Unterhaltsrecht und BAföG zusammen, nicht immer optimal. Welche Vorstellungen haben Sie in diesen Bereichen für eine Weiterentwicklung?
Das BAföG ist aus unserer Sicht die einzige sozial ausgewogene, krisensichere und unabhängige Studienfinanzierung. Stipendiensysteme halten wir lediglich als Ergänzung dazu für sinnvoll. Nur mit einer Ausweitung des BAföG kann wirklich mehr Menschen der Zugang zu den Hochschulen ermöglicht werden. Das zeigen die positiven Folgen der BAföG-Reform von 2001. Danach stieg die Bildungsbeteiligung von Arbeiterkindern um 50 Prozent auf 18 Prozent an. Deshalb setzen wir uns nicht nur für eine Erhöhung, sondern auch für eine Weiterentwicklung des BAföG in zwei Richtungen ein. Auf der einen Seite müssen die Regelsätze über den Inflationsausgleich hinaus erhöht werden. Die geplanten Anpassungen der jetzigen Bundesregierung bei Freibeträgen und Bedarfssätzen reichen nicht, um mehr Studierende zu fördern. Die vorgeschlagene Erhöhung der Freibeträge verhindert allenfalls eine kalte Progression beim BAföG und ist keine wirkliche Verbesserung. In einem zweiten Schritt muss die Gruppe der Bezugsberechtigten vergrößert werden. Das bedeutet, dass die Freibeträge und die Altersgrenzen deutlich erhöht werden müssen. Aus unserer Sicht sollten auch Teilzeit- und weiterbildende Masterstudiengänge gefördert werden.
3. Das in NRW bereits eingeführte Stipendien-Programm soll nach dem Willen der Bundesregierung bundesweit etabliert werden. Unterstützen Sie diesen Plan? Wie ist grundsätzlich Ihre Einstellung zu leistungsabhängigen Stipendien im Spannungsfeld der Finanzierbarkeit bspw. des BAföGs?
Das in NRW eingeführte Stipendien-Programm verfehlt eines der wichtigsten Ziele der Bildungspolitik: es trägt nicht dazu bei, mehr Studierenden den Zugang zu den Hochschulen zu ermöglichen. In NRW erreicht es statt der versprochenen 10 Prozent gerade einmal 0,3 Prozent der Studierenden - Studiengebühren zahlen fast alle. Außerdem richtet es sich an die, die den Weg an die Hochschulen bereits geschafft haben. Es wird also keine zusätzlichen Bildungspotenziale erschließen und junge Menschen aus bildungsfernen Schichten außen vor lassen. Denn bekanntermaßen fördern Stiftungen, die begabte Studierende unterstützen sollen, in erster Linie Jugendliche aus Akademikerhaushalten. Dass sich nun auch die Bundesregierung auf die Subventionierung privater Stipendien konzentrieren will, sehen wir mit Sorge. Der Entwurf des BMBF-Haushalts 2010 spiegelt diese falsche Prioritätensetzung wider. So soll die Begabtenförderung im Vergleich zu 2009 um mehr als 50 Prozent erhöht werden, während gleichzeitig die BAföG-Mittel um 3,55 Prozent absinken.
4. Brandenburg will ein Landes-Schüler-BAföG einführen für diejenigen Schülerinnen und Schüler, die bisher kein BAföG bekommen können (insbesondere Schüler an gymnasialen Oberstufen, wenn sie noch bei ihren Eltern wohnen können). Was halten Sie von diesem Ansatz oder wie sind Ihre Vorstellungen, mehr Menschen aus finanziell schlechter gestellten Familien zu einer Hochschulzugangsberechtigung zu verhelfen?
Wir wollen, dass mehr junge Menschen die Chance auf gute Bildung und Ausbildung haben. Die Erhöhung aber vor allen Dingen Ausweitung des BAföG auf zusätzliche Einkommens- und Fördergruppen ist dafür unerlässlich. Deshalb unterstützen wir die SPD-Bundestagsfraktion bei ihrem Anliegen, das BAföG auf zu Hause wohnende Oberstufenschülerinnen und- schüler aus einkommensschwachen Familien auszuweiten.
5. Allgemeine Studiengebühren wurden in ihrem Bundesland eingeführt. Als Besonderheit können die Hochschulen selbst entscheiden, ob sie tatsächlich Gebühren erheben. Wollen Sie an dieser Regelung unverändert festhalten oder sehen Sie Änderungsbedarf (z.B. bei der Ausgestaltung der Gebühren-Darlehen und den Verwendungsmöglichkeiten der Einnahmen durch die Hochschulen) und in welcher Art?
Wir wollen Gebührenfreiheit von der Kita bis zur Hochschule. Deshalb werden wir jegliche Formen von Studiengebühren zeitnah nach der Wahl abschaffen. Wir wissen aber auch, dass die Hochschulen nicht auf die Mittel aus Studiengebühren verzichten können. Sie sind für die Verbesserung der Qualität der Lehre dringend nötig. Deshalb kann die Abschaffung der derzeitigen Studiengebühren nicht ohne eine Gegenfinanzierung in gleicher Höhe vorgenommen werden. Sogar das schwarz-gelb regierte Hessen hat die Studiengebühren abgeschafft und den Hochschulen Mittel in gleicher Höhe zur Verfügung gestellt. Damit dieses zusätzliche bereit gestellte Geld für die Stärkung der Qualität der Lehre genutzt wird, soll das Land einen klaren Kriterienkatalog vorgeben. Die Ausgestaltung dieses Programms soll gemeinsam vor Ort zwischen Lehrenden und Studierenden ausgehandelt werden.
6. Ist die Trennung in Fachhochschulen und Universitäten, gerade im Hinblick darauf, dass die inzwischen eingeführten Abschlüsse Bachelor und Master unabhängig von der Hochschulart gleichwertig sein sollen, noch zweckmäßig? Wenn ja, warum; wenn nein, was planen Sie stattdessen?
Der Aufbau von Fachhochschulen in NRW ist ein Erfolgsmodell, das nicht zuletzt durch die SPD entscheidend auf den Weg gebracht wurde. Die Größe der nordrhein-westfälischen Fachhochschulen macht die Organisation eines vielfältigen Studienangebots möglich. Die Schwerpunktsetzung in der Lehre ist ein Qualitätsmerkmal der Fachhochschulen, das wir nicht aufgeben wollen. Da die Fachhochschulen im Gegensatz zu den Universitäten und zu Gunsten der praxisnahen Ausbildung weniger eigenen wissenschaftlichen Nachwuchs ausbilden, wollen wir die Durchlässigkeit zwischen Universitäten und Fachhochschulen stärken. Dabei wollen wir insbesondere kooperative Promotionen fördern.
7. "Autonomie" ist ein Schlagwort der Hochschulreformen der letzten Jahre. "Demokratisierung" der Hochschulen dagegen nur noch selten. Wo legen Sie Ihre Schwerpunkte bei möglichen weiteren Änderungen der Hochschulgesetze Ihres Landes?
Hochschulautonomie funktioniert nicht ohne Demokratie. In den letzten Jahren sind Entscheidungsstrukturen in die falsche Richtung verändert und Mitbestimmungsrechte abgebaut worden. Wir halten es für falsch, Hochschulen, wie in NRW geschehen, einem Unternehmen nachzubauen. Für uns ist die demokratische Selbstverwaltung Ausdruck der Wissenschaftsfreiheit.
Allen beteiligten Gruppen muss ein Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrecht eingeräumt werden. Deshalb werden wird die Mitbestimmung an den Hochschulen wieder aufbauen und mindestens auf das Niveau des Jahres 2005 bringen. Das beinhaltet die Stärkung der Personalvertretungen. Der Hochschulrat soll in Zukunft ein beratendes Gremium mit Vorschlagsrecht gegenüber den Hochschulgremien sein.
8. Spätestens der Bildungsstreik von Studierenden, Schülerinnen und Schülern im letzten Jahr zeigte, dass bei den Reformen an den Hochschulen (und Schulen) in den letzten Jahres einiges nicht optimal gelaufen ist. Welche Maßnahmen planen Sie von Seiten des Landes - z.B. (aber nicht nur!) im Bereich "Studierbarkeit" der Bachelor/Master-Studiengänge -, um auf die teilweise sicherlich berechtigte Kritik einzugehen?
Wir wollen einen Bologna-TÜV, eine Reform der Reform und die Bachelorstudiengänge gemeinsam mit den Hochschulen wieder studierbar machen. Studienstrukturen müssen flexibel, Prüfungsbelastungen reduziert werden. Beispielsweise sollte eine flexible Erweiterung der Bachelorphase in Einzelfällen auf bis zu 8 Semester möglich sein. Die Anzahl der Prüfungen sollte reduziert werden. Wir werden, im Gegensatz zur derzeitigen Landesregierung, die sich mit dem FDP/CDU-Hochschulgesetz aus der Verantwortung für die Hochschulen gestohlen hat, gemeinsam mit den Hochschulen kooperative Standards für die wechselseitige Abstimmung der Studieninhalte entwickeln. Auch wenn die Hochschulen die Umstellung auf die Bachelor- und Master-Abschlüsse umsetzen müssen, an den Fehlentwicklungen der letzten Jahre ist deutlich geworden: die Qualitätskriterien für das Studium müssen gemeinsam mit den Hochschulen definiert und überwacht werden. Die Interessen der Studierenden müssen stärker beachtet werden. Die Studieninhalte müssen mit denen an anderen Hochschulen kompatibel sein und Mobilität fördern. Es muss sichergestellt werden, dass das Fächerangebot an den Universitäten nicht einseitig ausgedünnt wird.
Aus unserer Sicht muss sich die Wissenschaftspolitik wieder stärker um die Qualität der Lehre kümmern, anstatt die Lehrenden in immer neue Wettbewerbe, Antragsrunden, Evaluierungen zu schicken. Nur so profitieren auch die Studierenden von der Exzellenz der Professorenschaft und der Hochschulen. Wir wollen von Seiten der Politik Anreize setzen, dass gute Lehre als Profilierungsmerkmal für die Hochschulen das gleiche Gewicht gewinnt wie gute Forschung. Über zusätzliche Mittel und Zielvereinbarungen wollen wir sicherstellen, dass gezielt mehr Personalstellen zu vernünftigen Bedingungen geschaffen werden, und zwar sowohl bei Professorinnen und Professoren wie auch im akademischen Mittelbau. Juniorprofessuren sollten verstärkt mit tenure track, das heißt mit einer Übernahmeoption auf eine Professorenstelle ausgeschrieben werden. Damit der Einstieg ins Studium, beispielsweise auch für Studierende ohne Abitur, besser gelingt, sollen die Hochschulen zu einer Studieneingangsbegleitung verpflichtet werden, die während des ersten Semesters methodische Grundlagen vermittelt. Um den Umfang der verpflichtenden Veranstaltungen für die Studierenden nicht weiter zu erhöhen, soll diese gegebenenfalls im Wahlbereich stattfinden.