Kann die Demokratisierung der Hochschule grundgesetzwidrig sein?Die Gruppenhochschule und die Wissenschaftsfreiheit
Dieser Artikel erschien zuerst in Forum Recht (Heft 1/2009). Wir danken dem Herausgeber Forum Recht e.V. und der Autorin für die Genehmigung, den Artikel auch bei Studis Online publizieren zu dürfen.
Die europäischen Universitäten haben in ihrer jahrhundertelangen Geschichte eine Reihe grundlegender Veränderungen erlebt. Die Gründung neuer Fächer, die Expansion in andere Länder, die Humboldtschen Reformen, die Abschaffung der universitären Sondergerichtsbarkeit und die Einführung des Frauenstudiums – sie alle muteten zu ihrer Zeit fast revolutionär an. Und in der Tat, es verschoben sich hier nicht nur die Grundbedingungen der Hochschule, sondern es spiegelten sich auch langfristige gesamtgesellschaftliche Veränderungen wider. Gerade an den Hochschulen zeigen sich jedoch auch die konservativen Beharrungskräfte besonders deutlich. Im Namen der Wissenschaftsfreiheit wird so seit mehr als 50 Jahren über die Bedeutung der Demokratie in der Hochschule und der Hochschule in der Demokratie gestritten.
Die deutschen Hochschulen knüpften 1945 in ihrer inneren Organisation und ihrem Selbstverständnis an jene Traditionen an, die durch das nationalsozialistische 'Führerprinzip' überlagert worden waren. Im Mittelpunkt stand erneut der (zumeist noch männliche) 'Ordinarius', also 'Lehrstuhlinhaber'. Ordinarien konnten als Direktoren ihrer Institute, die die organisatorische Grundeinheit der Universitäten bildeten, alleinverantwortlich über deren Angelegenheiten verfügen. Sie bildeten die Fakultät und verstanden sich als deren engere Mitglieder. Die Selbstverwaltungsorgane der Gesamtuniversität waren ebenso wie die Fakultäten lediglich „Repräsentativorgane des Lehrkörpers“, zu denen VertreterInnen der übrigen Hochschulangehörigen – PrivatdozentInnen, AssistentInnen und Studierende – nur selten hinzugezogen wurden, zumeist lediglich in beratender Funktion in „sie betreffenden Angelegenheiten“. Die studentische Repräsentation wurde hierbei von den Organen der Verfassten Studierendenschaft übernommen, welche institutionell als außerhalb der universitären Selbstverwaltungsstrukturen stehend verstanden wurde. Dennoch wurden die Studierenden im Sinne der „Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden“ als Mitglieder der Universität betrachtet, denen aber lediglich eine Form abgestuften Bürgerrechtes zugestanden wurde, welches nur die Treuepflicht gegenüber den Ordinarien, jedoch keinerlei Stimmrechte umfasste. Als „eigentliche“ Mitglieder der Hochschule betrachteten sich die Ordinarien als Träger eines Individualgrundrechtes auf Wissenschaftsfreiheit, wie es Art. 5 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) garantiert.
Die Wissenschaftsfreiheit in den Reformmodellen
Gegen diese frühneuzeitlich anmutende Form der Wissenschaftsorganisation regte sich in den 1960er Jahren Unmut. Unter dem Schlagwort der „Demokratisierung“ wurde eine neue Konzeption der Hochschule entworfen: Die Gruppenhochschule.
Als grundlegend hierfür gelten die 1961 und 1965 im Umfeld des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) veröffentlichten Schriften „Hochschule in der Demokratie“. Hierin wird ein Bild der Universität entworfen, welche sich fakultätsübergreifend in die Gruppen der Studierenden, der ProfessorInnen und des akademischen Mittelbaus gliedert. Diese Strukturierung war nicht als noch zu erkämpfende Alternative konzipiert, sondern wurde als Beschreibung des zeitgenössischen Zustandes verstanden, der allerdings – so der SDS – die Organstruktur nicht entspreche.
Im Sinne einer pragmatischen Politik leitete der SDS daher das Organisationsmodell einer Gruppenuniversität in bzw. neben der bestehenden Ordinarienuniversität her, die dadurch langfristig abgelöst werden sollte: Zusätzlich zu den bestehenden professoralen Gremien und der studentischen Selbstverwaltung sollte eine organisierte AssistentInnenschaft als Teilkorporation der Hochschule entstehen. Alle Angelegenheiten, die jeweils nur die Mitglieder der eigenen Korporation beträfen, sollten von dieser autonom geregelt werden – damit konnten die Ordinariengremien ihre Funktion vorläufig behalten. Sei „der Kernbereich des gemeinsamen Vollzugs von Forschung, Lehre und Studium“ betroffen, sollten die Körperschaften diese Fragen zusammenwirkend klären. Dies beträfe v. a. Rahmenlehrpläne, Prüfungsordnungen und die Koordination der Semesterpläne. Für alle Fragen der eigentlichen Hochschulselbstverwaltung sollten jedoch auf allen Universitätsebenen neben den Selbstverwaltungsorganen allgemeine akademische Gremien geschaffen werden, in denen VertreterInnen aller drei Korporationen mitwirkten.
SDS: Wissenschaftsfreiheit für alle
Wichtig für die Schlussfolgerung, dass die Gruppen an der inneruniversitären Entscheidungsfindung zu beteiligen seien, sind die Vorstellungen der AutorInnen zur Wissenschaftsfreiheit. Aus der historischen Weiterentwicklung der Freiheitsrechte von liberalen Abwehrrechten des 19. Jahrhunderts zu den sozialstaatlichen Leistungsrechten des 20. Jahrhunderts folgern sie einen Anspruch auf individuelle und institutionalisierte Teilhaberechte, welche die spannungsgeladene Trias von Demokratie, Sozial- und Rechtsstaat ermöglichten. Diese Teilhaberechte müssten rechtsstaatlich gesichert und demokratisch kontrolliert werden und stünden in einer Wechselbeziehung zum sich ausdehnenden Gleichheitsgrundsatz. Die Wissenschaftsfreiheit umfasse unmittelbar eben nur das unpersönliche Abstraktum 'Wissenschaft'. Nur als – für den Geltungsanspruch notwendige – Personalisierung der Wissenschaft würden die wissenschaftlich Tätigen und die Universität als Institution mittelbar geschützt. Für die SDS-AutorInnen umfasst die Wissenschaftsfreiheit alle wissenschaftlich Tätigen, da sie alle eine Funktion im Wissenschaftsprozess besäßen. Insbesondere sei auch das Studium Teil der wissenschaftlichen Arbeit bzw. Vorbereitung auf eigene wissenschaftliche Tätigkeit. Frei könne wissenschaftliche Betätigung jedoch nur sein, wenn auch eine freie Verfügung über die notwendigen Lehr-, Lern- und Forschungsmittel vorläge. Hier manifestiere sich nun die Wissenschaftsfreiheit als Teilhaberecht, in dem sie allen wissenschaftlich Tätigen eine Mitbestimmung über die Vergabe und Verwaltung der inneruniversitären Finanz- und Organisationsmittel einräume. Der Bruch mit der Vorstellung, dass nur Ordinarien über Wissenschaftsfreiheit verfügten, konnte größer kaum sein. In dieser Negierung eines unmittelbaren institutionellen wie individuellen Grundrechtsschutzes der WissenschaftlerInnen und der Universität lag der grundlegende Unterschied sowohl zu der sich in den Folgejahren entwickelnden Verfassungsrechtsprechung als auch zu der Konzeption der Habermas'schen Gruppenhochschule.
Habermas: Aber in Maßen!
Zu den geistigen Vätern der Gruppenhochschule gehörten auch die Hochschulprofessoren Habermas, Denninger, von Friedeburg und Wiethölter. Ihr Ziel war eine effiziente Selbstverwaltung einer weitgehend autonomen Hochschule, die vom Staat nur beaufsichtigt, nicht jedoch dirigiert wird. Sie interpretierten die Wissenschaftsfreiheit aber nicht nur als institutionelles Abwehrrecht, sondern leiteten daraus auch ein Teilhaberecht ab: Die Autonomie sei unpolitisch nicht umsetzbar, sondern „sie verlangt, daß die am Lehr- und Forschungsprozeß unmittelbar beteiligten Gruppen die unvermeidlichen gesellschaftlichen Abhängigkeiten reflektieren und die gesellschaftlichen Funktionen der Wissenschaft im Bewußtsein politischer Verantwortung für Folgen und Nebenfolgen erörtern.“ Die Vorstellung, dass eine effiziente Selbstverwaltung partizipatorisch organisiert sein müsse, stützt sich dabei auf das 1967 von Habermas dargelegte Konzept des herrschaftsfreien Diskurses in der Universität. „Dieses Prinzip, daß – kantisch gesprochen – allein Vernunft Gewalt haben soll, verbindet die demokratische Form der politischen Willensbildung mit jener Art Diskussion, der auch die Wissenschaften ihren Fortschritt verdanken; denn in diesem Fortschritt dürfen wir das Moment der Willensbildung nicht übersehen.“ Daraus folgt für Habermas die Anwendbarkeit demokratischer Entscheidungswege in der Universität, die er als politischen Raum begreift.
Im Gegensatz zum Modell des SDS bricht die Hochschulkonzeption von Habermas u. a. vollständig mit den Strukturen der Ordinarienuniversität, indem alle grundlegenden Kompetenzen den zu schaffenden Selbstverwaltungsorganen zugewiesen und die Universitäten statt in Lehrstühle und Fakultäten in Institute, Kliniken und Abteilungen eingeteilt werden. Dennoch sahen die Autoren die Notwendigkeit, die Partizipationsrechte zu differenzieren: Bei Entscheidungen, die besondere Fachkompetenz verlangten (v.a. Berufungen und Forschungsmittelvergabe), statten sie die HochschullehrerInnen mit einer größeren Entscheidungsmacht aus. Diese Fragen sollten nicht gegen die Mehrheit der professoralen Mitglieder entschieden werden können.
Die Drittelparität als Konsequenz?
Diese letzte Einschränkung bildet den größten Unterschied zu dem dritten zentralen und folgenschwersten Reformkonzept der 1960er Jahre: der Idee der Drittelparität. Grundlegend hierfür war ein Gesetzes-Alternativentwurf von Detlev Albers, damals Vorsitzender des Hamburger Allgemeinen Studierenden Ausschusses. Ausgehend von der Forderung, dass „den maßgeblichen, für die Universität zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Gruppen von Universitätsmitgliedern ein gleicher Anteil an der Universitätsselbstverwaltung zukommt“, entwickelte Albers verschiedene Paritätenmodelle, um schlussendlich die Drittelparität abzuleiten: In den neu zu bildenden akademischen Selbstverwaltungsorganen sollten die drei Gruppen jeweils mit der gleichen Anzahl an VertreterInnen und Stimmen teilhaben. Alle drei Gruppen besäßen spezifische Interessen, die idealiter in gleichwertigen „Interessen-Abständen“ zueinander stünden und strategische Dauerkoalitionen verhinderten. Außerdem zwinge die Unmöglichkeit, die anderen Gruppen zu majorisieren, zu einem Höchstmaß an sachlich orientierter Entscheidungsfindung. Albers ist sich der Angriffspunkte seines Konzeptes bewusst, insbesondere des Vorwurfes, bei der Drittelparität handele es sich um kein demokratisches, sondern ein ständisches Modell. Er rechtfertigt seinen Demokratisierungsanspruch aber in Relation zur bestehenden oligarchischen Universitätsverfassung. Eine direkte Beteiligung aller Universitätsangehörigen nach dem Prinzip „one man one vote“ würde in der hochschulpolitischen Gegenwart einer Reform zuwiderlaufen, da sie zu radikal sei, um überhaupt diskutiert zu werden. Wie alle anderen zeitgenössischen Konzepte blieb Albers aber für eine andere ständische Komponente seines Modells zunächst blind: Er berücksichtigte die vierte Gruppe, die der nicht-wissenschaftlichen MitarbeiterInnen, in seiner Konzeption in keiner Weise.
Vom Erfolgsmodell zur Niederlage
Die Konzeption der Gruppenhochschule und der Drittelparität fiel auf erstaunlich fruchtbaren Boden. Da die Verabschiedung des geplanten Hochschulrahmengesetzes (HRG) bis 1975 auf sich warten ließ, lag die Zuständigkeit für die grundsätzliche Regelung der Hochschulpolitik noch bei den Ländern. Trotz aller Unterschiede im Detail sahen alle Hochschulgesetze eine Gliederung der akademischen Gremien im Sinne der Gruppenhochschule vor. Hiergegen konstituierte sich auf professoraler Seite Widerstand, der sich im „Bund Freiheit der Wissenschaft“ sammelte. Erstes öffentliches Zeichen bildete das „Marburger Manifest“, welches von 35 Marburger ProfessorInnen ausgearbeitet worden war und innerhalb kürzester Zeit von über 1500 HochschullehrerInnen unterzeichnet wurde. Eine erste Veröffentlichung dieses Manifests fand am 5. Juli 1968 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung statt. Ziel des Aufrufes war es, die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, welche Gefahr von der „Demokratisierung der Hochschule“ für die Freiheit von Forschung und Lehre und für die Existenz der wissenschaftlichen Hochschulen als Ganzes ausgehe.
Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen wurde eine bis heute maßgebliche Entscheidung durch eine nicht dem Hochschulbereich angehörende Instanz getroffen. Anlässlich des niedersächsischen Reformvorhabens reichten 398 HochschullehrerInnen Klage beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein. In seinem Urteil vom 29. Mai 1973 erklärte das BVerfG das entsprechende Gesetz für unvereinbar mit dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit. Dabei stellte das Gericht klar, dass eine Strukturierung der Hochschule nach mitspracheberechtigten Gruppen verfassungsgemäß sei und die Wissenschaftsfreiheit nicht per se einschränke. Aber: Das BVerfG stellte auch klar, dass die „herausgehobene Stellung“ der HochschullehrerInnen einen „maßgebenden Einfluß“ verlange – also die Hälfte aller Stimmen – bei allen die Lehre betreffenden Fragen. Bei allen die Forschung und die Berufungen betreffenden Entscheidungen schrieb es sogar einen „ausschlaggebenden Einfluß“ – also mehr als die Hälfte der Stimmen – vor. Damit wurden die vorliegenden drittelparitätischen Modelle als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar abgelehnt. Doch das BVerfG hatte nicht – wie die Klageführenden dies wohl erwartet hatten – die Hochschullehrenden als alleinige Grundrechtsträger bestätigt. Vielmehr sah auch das BVerfG die wissenschaftlichen MitarbeiterInnen und Studierenden als durch die Wissenschaftsfreiheit geschützt an. Es sah in Art. 5 Abs. 3 GG ein Zwillingsgrundrecht, welches sowohl die wissenschaftlich Tätigen individuell als auch die universitäre Autonomie institutionell umfasse. Seine Kritik an paritätischen Modellen stützte es daher auch nicht auf Art. 5 Abs. 3 GG, sondern verwies auf den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Da HochschullehrerInnen in besonderer Weise und langfristig Verantwortung zu tragen hätten, seien sie nicht mit anderen Gruppen gleichzusetzen. Ungleiches dürfe aber nicht gleich behandelt werden.
Mit dem Urteil war die Gruppenuniversität als Modell etabliert. Die Konsequenzen waren aus reformorientierter Sicht aber dennoch gravierend: Alle paritätischen Gremienmodelle waren mit einem Schlag vom Tisch gewischt – und das HRG ging in den Folgejahren sogar weit über die Anforderungen des BVerfG hinaus. So schrieb es in „Gremien mit Entscheidungsbefugnissen in Angelegenheiten, die Forschung, künstlerische Entwicklungsvorhaben, Lehre oder die Berufung von Professoren berühren“ eine absolute professorale Mehrheit fest, die 1985 auf praktisch alle Hochschulgremien ausgeweitet wurde.
Weniger oder mehr Demokratie wagen?
Daran wird sich in den kommenden Jahren auch durch den Wegfall des Hochschulrahmengesetzes und die alleinige Zuständigkeit der Länder nichts ändern. Denn die Landeshochschulgesetze haben nicht nur die professorale Mehrheit betoniert, sondern in Öffnungsklauseln sogar ermöglicht, in ausgesuchten Gremien nicht mehr alle Gruppen berücksichtigen zu müssen.
Dabei zeigt eine gründliche Lektüre des Hochschulurteils von 1973, dass paritätische Gremien nie per se für verfassungswidrig erklärt worden sind. Und bei dieser Linie ist die höchstrichterliche Rechtsprechung auch geblieben. So bestätigte das BVerfG vor einigen Jahren erneut, dass eine professorale Mehrheit nur bei unmittelbar Forschung und Lehre betreffenden Fragen notwendig sei. Es sah die Wissenschaftsfreiheit nicht in Gefahr, wenn Studierende bspw. gleichberechtigt an der Wahl des Rektorats teilnähmen. Eine Differenzierung der Gremien nach Aufgaben und Zusammensetzung wäre also möglich.
Doch im Zuge der Reformen der Hochschullandschaft seit den 1990er Jahren wird die Frage von Wissenschaftsfreiheit und Partizipation unter neuen Vorzeichen diskutiert: Die Entmachtung der kollegialen Selbstverwaltungsorgane zugunsten starker Präsidien, die Schaffung von Hochschulräten, die Überführung von Hochschulen in die Trägerschaft von Stiftungen öffentlichen Rechts und die Akkreditierung von Studiengängen durch privat organisierte Stiftungen hat die Mitwirkungsmöglichkeiten der Hochschulangehörigen auf vielfältige Weise verändert. Auf all diesen Feldern wird darum gerungen, ob sie die institutionelle oder individuelle Wissenschaftsfreiheit (ggf. zu weit) einschränken. Dabei muss aufgrund des Doppelcharakters der Hochschule als staatlicher Anstalt einerseits und autonomer Körperschaft andererseits immer klar unterschieden werden, welche Kompetenzen delegiert werden und wessen Mitwirkung dadurch eingeschränkt wird. Während das Letztentscheidungsrecht eines Präsidiums bei Berufungen also in den Kernbereich der individuellen Wissenschaftsfreiheit von HochschullehrerInnen eingreifen könnte, sind weitreichende Entscheidungskompetenzen eines zu staatsfern besetzten Stiftungs- oder Hochschulrates nur schwer mit dem Demokratieprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG zu vereinbaren.
Vor diesem Hintergrund wird die Debatte um demokratischere Zusammensetzungen von Hochschulgremien nicht einfacher. Gleichzeitig scheint ein Rückschritt zum Paternalismus zu beobachten zu sein: Anstelle einer gleichberechtigten Betroffenenvertretung aller Hochschulangehörigen wird zunehmend eine Rückstufung nicht-professoraler Mitwirkung auf beratende Tätigkeit forciert. Mit Hinweis auf die unterschiedlichen Verweildauer und Kompetenzen wird erneut bezweifelt, ob eine Partizipation insbesondere der Studierenden überhaupt sinnvoll sei. Viel zu schnell werden „Wissenschaft“, „wissenschaftlich Tätige“ und „HochschullehrerInnen“ wieder in eins gesetzt. Und dabei sollte mittlerweile klar sein, dass die größten Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit in den letzten Jahren nicht im Namen der „Demokratisierung“, sondern im Namen der „Autonomie“ und damit mit Bezug auf die Zwillingskonzeption der Wissenschaftsfreiheit selbst erfolgten.
Weiterführende Literatur
Keller, Andreas, Hochschulreform und Hochschulrevolte. Selbstverwaltung und Mitbestimmung in der Ordinarienuniversität, der Gruppenuniversität und der Hochschule des 21. Jahrhunderts, 2000.
Sterzel, Dieter / Perels, Joachim, Freiheit der Wissenschaft und Hochschulmodernisierung. Das Niedersächsische Hochschulgesetz und das Selbstverwaltungsrecht der Universitäten, 2003.
Weitere Artikel zum Thema
- Rezension: Hochschule und Demokratie 1968-2008 (12.12.2008)
- Weniger Demokratie wagen? Zur Zukunft der Selbstverwaltung der Hochschulen (Ein Gastkommentar von Torsten Bultmann, veröffentlicht 14.08.2006)
Die Autorin
Alexandra Ortmann hat Geschichte, Politik und Öffentliches Recht studiert und promoviert zu Fragen der Strafprozessgeschichte.