Hintergrundtexte zum Thema Bildungsstreik und -reformVon »Leuchttürmen«, »Hochbegabten« – und der »Masse«
Vorbemerkung zum Text
Über den Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi)
Seit seiner Gründung 1968 engagiert sich der BdWi für eine Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung. Er bezieht auf Kongressen, in wissenschaftlichen Publikationen und politischen Stellungnahmen öffentlich Position zu Fragen von Wissenschaft, Forschung und Hochschulentwicklung. Im BdWi haben sich über tausend Natur-, Geistes- und SozialwissenschaftlerInnen zusammengeschlossen. Sie alle verbindet ihr gemeinsames Interesse an einer emanzipatorischen Wissenschafts- und Bildungspolitik.
Der BdWi lebt dabei von seinen Mitgliedern: Sie finanzieren die Arbeit und engagieren sich ehrenamtlich. Ob ProfessorIn, WissenschaftlerIn oder Studierende – gemeinsam versuchen die Mitglieder des BdWi, die bildungs- und wissenschaftspolitische Debatte zu beeinflussen.
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Blickt man in die Zeitungsberichte und Sonntagsreden der letzten Jahre, dann zeigt sich, dass die Globalisierung auch die Bildung erreicht zu haben scheint. Neben den Schlagworten der Mobilität und Vergleichbarkeit bedeute dies insbesondere, dass die Hochschulen und Nationen sich in einem Wettbewerb um die "besten Köpfe" befänden. Um hier international konkurrenzfähig zu bleiben oder zu werden – so das Argument – müsse differenzierter gefördert werden.
Morus Markard hat 2004, als die Debatte um »Elitenförderung« gerade in der Bildungspolitik Fahrt aufnahm, davor gewarnt, »Elite« als politisch neutralen Funktionsbegriff zu verstehen. Aus heutiger Perspektive ist diese Mahnung umso relevanter, als »Elite« sich im bildungspolitischen Diskurs etabliert zu haben scheint, auf neue Felder (Stichwort: Exzellenz in der Lehre) ausweitet und durchaus von progressiver Seite unterstützt wird. Markard verweist nun darauf, dass »Elite« historisch und politikwissenschaftlich gesehen untrennbar mit einem hierarchischen Gesellschaftsmodell gedacht werden muss, in welchem einige wenige Ausgewählte über die Mehrheit herrschten. Markard sieht daher in der »Elitedebatte« eine antidemokratische Tendenz, die gesellschaftliche Ungleichheit legitimieren solle und nach »Führung« verlange. Eine »Resozialisierung« des Begriffs lehnt er mit dem Hinweis darauf ab, dass es eine positive, progressive und demokratische Variante des Konzeptes, welche lediglich von Verzerrungen befreit werden müsste, nicht gebe.
In der bildungspolitischen Elite-Förderung werde die antidemokratische Tendenz noch klarer sichtbar: Während in der damaligen PISA-Debatte die unterschiedlichen Leistungsniveaus von Finnland und Deutschland noch im Schulsystem und damit in der Förderung gesehen wurden, gehe man in der Elitedebatte erstens von angeborenen Fähigkeiten – Begabung – aus, welche zu finden und zu fördern seien. Auch wenn Leistungsunterschiede eindeutig zu beobachten seien, so sei doch »Begabung« aus epistemologischen Gründen eine problematische, ja anzuzweifelnde Kategorie. Zweitens liege der Fokus der »Elite-Hochschul-Wettbewerbe« nicht darauf, "inhaltliche Kriterien zu diskutieren und zu erfüllen, sondern [es gehe] ausschließlich darum, dass die eine Hochschule besser sein soll als die andere – anders formuliert, dass viele – sozusagen die Masse der – Hochschulen schlechter sein sollen als einige wenige".
Der Verweis auf den unauflösbaren Widerspruch zwischen Elitekonzept und demokratischen Gleichheitsansprüchen macht diesen Text auch heute noch zu einem der Grundlagentexte der Bildungspolitik. Er ist zuerst erschienen in:
Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi) / freier zusammenschluss von studentInnenschaften (fzs): Studiengebühren, Elitekonzeptionen & Agenda 2010, Marburg 2004.
Weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten unter http://www.bdwi.de/verlag/gesamtkatalog/98695.html
Elite – Kampfbegriff der hochschulpolitischen Agenda 2010
Wer aktuell von »Elite-Universitäten« spricht, versucht, »Elite« als politisch indifferenten Funktionsbegriff zu setzen. Und so zu neutralisieren. Auf diese Weise verschwindet die ideologiegeschichtliche Tradition dieses Begriffes ebenso wie sein pädagogischer Ansatz, der auf einem naturalistischen Begabungskonzept wurzelt. Morus Markard problematisiert dies.
Ein ganz normaler Leuchtturm – nix mit Exzellenz ;)
Peter Gaethgens, früherer Präsident der FU Berlin, seit dem Sommersemester 2003 Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, wurde am 4. Februar 2004 vom Berliner Tagesspiegel gefragt: "Woran erkennen Sie einen zukünftigen Spitzenstudenten?" "Daran", antwortete er, "dass er ein ziemlich klares Konzept von seiner universitären Ausbildung und seiner Berufsorientierung hat und gut informiert ist über die Universitäten, an denen sein Wunschfach angeboten wird. Und er sollte die Wahl des Fachs gut auf seine eigenen Talente abgestimmt haben." Danach ist der Spitzenstudent mit sich schon fertig, bevor er überhaupt angefangen hat. Ein Studium verunsichert ihn nicht, er orientiert sich nicht um, er entwickelt sich nicht, er greift nicht in das Hochschulgeschehen ein, er sucht sich die Hochschule nur aus, und er hat Talente, die zu einem historisch vorfindlichen Fach passen wie Pott zum Deckel (zum Beispiel ein Geologie- oder Kleintierveterinär-Talent). Zusammengefasst ist der Spitzenstudent erstens männlich und zweitens der Prototyp des angepassten Strebers. Horkheimer1 hat das folgendermaßen ausgedrückt: "Auch heutige Gesellschaft beruht auf einem Abhängigkeits-Verhältnis, das auch die privaten Beziehungen durchdringt. Das sich selbst frei fühlende, die gesellschaftlichen Tatsachen als notwendig anerkennende, die eigenen Interessen auf dem Boden der Wirklichkeit verfolgende Individuum ist ihr Produkt". Mit dieser Haltung hat der »Spitzenstudent« gute Chancen, von Hochschulen, die in Gaethgens‘ Sinne die Studierenden selber aussuchen sollen ("Gebt uns Entscheidungsfreiheit", deklamiert er gar), ausgewählt zu werden – ein erster Schritt zur Elitezugehörigkeit? Tolle Berufsaussichten: Denn als Elite "im weiteren Sinne" gilt z.B. "Vizepräsident eines Landgerichts" oder "Oberbürgermeister einer bedeutenden Großstadt"2.
Elite und Selektion
Worum es im Kern bei der neuen Elitedebatte geht, hat schon 1992 ein, wie man heute sagt, »brain-trust«, nämlich der zentrale der CDU, die Konrad-Adenauer-Stiftung, auf den Punkt gebracht: "Wer Qualität sagt, der muss ... Selektion hinzudenken."3
Elite und Selektion gehören schon insofern zusammen, als sie beide denselben Wortstamm haben – es geht formal schlicht um eine Auswahl, worauf, auch um den Elitebegriff zu verharmlosen, gerne verwiesen wird. Bleiben wir zunächst bei dieser Beschreibungsebene: Hier unterscheidet die Soziologie Eliten nach den Kriterien der Auswahl: z.B. Geburtseliten (etwa den Adel), Werteliten (etwa Bundespräsidenten), Machteliten (in Politik, Militär und Ökonomie) oder Funktionseliten, die über beruflich-fachliche Leistungen definiert werden. Es ist wohl davon auszugehen, dass für den Bereich, mit dem wir uns zu beschäftigen haben, ein Zusammenhang von Leistung, Macht und Werten, also von Funktions- und Macht- und Werteliten relevant ist. Eine Professorin, die Bundespräsidentin werden will, repräsentiert so ein crossover von Funktions- zu Wertelite, obwohl manche Professoren ohnehin einen Hang zur Wertelite verspüren dürften.
Es ist allerdings überhaupt nicht zwingend, über »Leistung« unter Nutzung des Terminus »Elite« zu reden. Sachlich lässt sich das, was neuerdings unter »Elite« verhandelt wird, präziser unter Begriffen wie »Fachleute« oder eben »Vizepräsident eine Landgerichts« oder »Bundespräsident« abhandeln. Die Rede von »Eliten« hat gegenüber sachbezogenen Überlegungen in erster Linie bestimmte gesellschaftspolitische Funktionen, die ich hier kritisch analysieren möchte.
Wenn die designierte Verliererin der Bundespräsidentschaftswahlen von 2004, Gesine Schwan, meint, die "historische Erfahrung" zeige, "dass sich bisher in jeder Gesellschaft und unter jedem politischen System funktionale Eliten herausgebildet haben"4, trifft das zwar nicht auf die erst seit 200 Jahren gebräuchliche Vokabel »Elite« zu5; es ist aber in dem Sinne richtig, dass es schon in der 4-Klassen-Gesellschaft des antiken Sparta so etwas wie eine Elite gab. Am unteren Ende vegetierten in Sparta die »Heloten«, die Nachkommen unterworfener Bevölkerungsgruppen, die – quasi Staatseigentum – auf dem Feld schufteten, mindestens die Hälfte des dabei erwirtschafteten Ertrages abzuliefern hatten und zu Kriegszeiten als Waffenknechte benutzt wurden. »Elite« macht nur Sinn, wenn der historisch konkrete Gegenbegriff der Nicht-Elite mitgedacht wird. In Sparta also keine »Elite« ohne Heloten.
Dieser eindeutige Unterwerfungs- und Unterdrückungszusammenhang zwischen den Eliten (die – wie Gesine Schwan sich einbildet – "sich herausgebildet" haben) und dem Rest der Gesellschaft geht in Geschichtsschreibung und Sozialtheorie allerdings leicht unter, wie Marx an der von ihm so bezeichneten mythologischen Fassung der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals feststellte: Die "ursprüngliche Akkumulation spielt in der politischen Ökonomie ungefähr dieselbe Rolle wie der Sündenfall in der Theologie. Adam biss in den Apfel, und damit kam über das Menschengeschlecht die Sünde. Ihr Ursprung wird erklärt, indem er als Anekdote der Vergangenheit erzählt wird. In einer längst verfloßnen Zeit gab es auf der einen Seite eine fleißige, intelligente und vor allem sparsame Elite [vgl. auch Bolz, s.u., M.M.] und auf der andren faulenzende, ihr alles und mehr verjubelnde Lumpen ... In der wirklichen Geschichte spielen bekanntlich Eroberung, Unterjochung, Raubmord, kurz Gewalt die große Rolle. In der sanften politischen Ökonomie herrschte von jeher die Idylle."6 In dieser von Marx persiflierten Mythologie löst sich also der strukturelle Unterwerfungs- und Unterdrückungszusammenhang in Personalisierungen auf: Herrschaft verschwindet in unterschiedlichen Eigenschaften von Menschen; das Vorhandensein von Oben und Unten, von Elite und Lumpen, soll verständlich werden aus unterschiedlichen, entgegengesetzten Eigenschaften – nicht bloß als Tatsache, sondern als eine quasi sachlogische Notwendigkeit.
Sofern nun die da unten, also die Lumpen, gegen die da oben, die Elite, aufbegehren, stellt dies die natürliche, sachgerechte und insofern eben auch gesellschaftlich gerechte Ordnung der Dinge in Frage. Diese praktische Infragestellung systematisierte sich z.B. im Zuge organisierter sozialistischer Bestrebungen und Umtriebe im 19. Jahrhundert. Die Rechtfertigung und Aufrechterhaltung der natürlichen Gerechtigkeit der kapitalistischen Ordnung der Dinge oblag (und obliegt) den empirischen Sozialwissenschaften bzw. der Psychologie, welche – offenkundig nicht zufällig – auch zu dieser Zeit entstanden und das Konzept der social control erdachten, womit uns eine den Machteliten besonders gefallende, weil ihnen gefällig sich erweisende Verbindung von Funktions- und Wertelite begegnet.
Für unseren Zusammenhang der Funktionskritik des Elitebegriffs ist nun wesentlich: Der Begriff der social control ist so konzipiert, dass die schon Mächtigen (Machteliten) das Steuer keinesfalls aus der Hand geben müssen. Die sog. »Masse«, die Mehrheit der Bevölkerung, ist nicht als Subjekt, sondern als Objekt der Kontrolle vorgesehen, ein Objekt, dessen Befindlichkeit aber nun insofern ernster genommen wurde, als diese ins Herrschaftskalkül einbezogen wird – zum Beispiel über sog. Meinungsumfragen statt über praktisches Eingreifen.
In dieser Tradition liegt es, gegenwärtig im Hochschulbereich Mitbestimmung durch Meinungsumfragen und Rankings zu ersetzen. Dieses Konzept entspricht dem Interesse, die »Massen« – hier die Studierenden – zwar »irgendwie« in die Regelung universitärer Angelegenheiten einzubeziehen, ihnen aber gleichzeitig realen Einfluss zu entziehen bzw. diesen Einfluss völlig kontrollieren zu können. Insofern gehört die Abfrage einflusslosen Meinens und Dafürhaltens zum ideologischen Ensemble der demokratieförmigen Absicherung bürgerlicher Herrschaft, auch in den Hochschulen.
Legitimierung der Ungleichheit
War schon generell, wie der Soziologie Martindale das einmal formulierte, die Entstehung der Soziologie eine "konservative Antwort" auf den Sozialismus als Bewegung, gilt das allemal für die Entstehung einer dezidierten »Massenpsychologie«, deren wesentlicher Beitrag zum wertelitären Überbau darin bestand, die Auf- und Widerständigkeit der »Lumpen« zu irrationalisieren und zu pathologisieren – und eben den Lumpen im Plural, vor allem organisierte Lumpen, als »Masse« abzuqualifizieren.
1899 schon hatte ein gewisser Ellwood die Sozialpsychologie in direkte Konkurrenz zum Sozialismus gestellt: "Wenn die Sozialpsychologie die Vollkommenheitsstufe erreicht hat, in der sie eine Doktrin sozialer Verbesserung oder einer 'sozialen Teleologie' hervorbringen kann, tritt möglicherweise eine andere Person neben den Sozialisten, die genau weiß, was sie für die Verbesserung der Gesellschaft tun will; diese Person wird der Sozialpsychologe sein."7 Dieser Sozialpsychologie repräsentierte dann auch das, was man unter Elite verstehen darf – eine Art Führer der Massen.
Elite ist eben kein bloßer Beschreibungsbegriff, sondern ein historisch gewordenes und historisch belastetes Konzept, dessen systematische Verwendung heute wohl kalkuliert ist, auf jeden Fall den gezeigten Abwertungs-Effekt der »anderen« hat, ein Effekt, der sich auf den Begriff des Anti-Egalitarismus bringen lässt: Die Rede von der Elite dient der Legitimierung systematischer gesellschaftlicher und sozialer Ungleichheit. Schon in der Zeit vom 14. September 2000 hatte Ernst Tugendhat angesichts der Nietzsche-Renaissance vor der "Verharmlosung" der anti-egalitaristischen Tradition von Nietzsche bis Hitler gewarnt. Für Nietzsche, darauf wiederum hat Safranski in seiner Nietzsche-Biographie (2000) hingewiesen, war Kultur nur auf der Basis einer ausgebeuteten und selber von Kultur ausgeschlossenen Masse möglich: Nietzsche, so Safranski (ebd., 70), "erblickte im sozialen Fortschritt eine Bedrohung für die Kunst", wenn er schrieb, die "Auflehnung der unterdrückten Massen gegen drohnenartige Einzelne" werde die "Mauern der Kultur" umreißen. Nietzsche scheute sich allerdings nicht, die Elite als – allerdings von ihm als kultur-notwendig erachtete – »Drohnen« zu bezeichnen.
Die Frage, warum gerade jetzt die Elite-Diskussion (mal) wieder auftaucht, hat Oskar Negt so beantwortet: Es sei der "Zustand kultureller und sozialer Selbstzerrissenheit, in dem die sprunghaft angewachsenen Orientierungsbedürfnisse auf schnell beschreitbare Auswege drängen". Je aussichtsloser die Lage erscheine, in der man aber nicht "bestehenden Macht- und Herrschaftsverhältnisse antasten" wolle, desto lauter erschalle der Ruf nach Eliten8. In der Tat: Dieser Ruf ist die etwas vornehmere Variante der Stammtischforderung nach dem »starken Mann«9. Man sollte nicht übersehen, dass damit gleichzeitig, wie Negt es formuliert, die Vorstellung einer "Blockadehaltung der Durchschnittsmenschen" einher geht, die sich nach Auffassung der antidemokratischen Elitetheoretiker z.B. immer noch zu massenhaft in Gewerkschaften als derzeit zentraler gesellschaftlicher Blockadeinstanzen verschanzen – gegen eine angebliche gesellschaftliche Vernunft, die bspw. Glotz mit seinem Elite-Fimmel als "Ein-Mann-Vernunft gegen das Dunkel des sozialistischen Ressentiments" repräsentiert, wie Norbert Bolz meint10. »Leuchtturm« und »Armleuchter« scheinen mir hier nicht weit voneinander entfernt. Oder wieder etwas vornehmer mit Horkheimers Kollegen Adorno: Dieser hat den Elitebegriff als "Phrase" bezeichnet, deren "Unwahrhaftigkeit" darin bestehe, "dass die Privilegien bestimmter Gruppen teleologisch für das Resultat eines wie immer gearteten objektiven Ausleseprozesses ausgegeben werden, während niemand die Eliten ausgelesen hat als etwa diese sich selber"11.
Kapitalistische Konkurrenz
In der kapitalistischen Gesellschaft zur (sich eben selbst so nennenden) Elite zu gehören, ist, wie schon angedeutet, gleichbedeutend damit, Erfolg zu repräsentieren. Nun ist »Erfolg« in der bürgerlichen Gesellschaft aber damit belastet, nicht einer Sache zu dienen, sondern im Wesentlichen im konkurrenziellen Ausstechen, Ruinieren oder Übertölpeln Anderer zu bestehen. "Diesen Vorgang als Leistung darzustellen und die Gewinner als Elite und nicht als Gauner, ist die Aufgabe der bürgerlichen Moral."12 Eine selbstreferenzielle Aufgabe der Wertelite.
Elite-Unis und die damit verbundenen Selektionsprozesse sollen auf eben diese Moral, vorbereiten, indem sie – Kernforderung – sich die Studierenden selber aussuchen können (s.o.), die, weitere Kernforderung, Gebühren zahlen sollen. Die Hebung der Qualität der Hochschulen wird so allein in Form der Konkurrenz gedacht. Es geht weniger darum bestimmte inhaltliche Kriterien zu diskutieren und zu erfüllen, sondern ausschließlich darum, dass die eine Hochschule besser sein soll als die andere – anders formuliert, dass viele – sozusagen die Masse der – Hochschulen schlechter sein sollen als einige wenige.
Wie gesagt: Von gesellschaftlichen Leistungen zu reden, deren Sinn jeweils zu explizieren wäre impliziert keineswegs, von Elite reden zu müssen. Eher deutet die Rede von »Elite« auf gesellschaftliche Zustände hin, in denen Leistungen von der Frage nach der Nützlichkeit für welche gesellschaftliche Gruppe abgekoppelt gedacht werden. Leistende Eliten haben auf Lumpen und Massen und deren Nützlichkeitserwägungen keine Rücksicht zu nehmen. Das wäre dann durchaus das, was Nietzsche mit der erwähnten Drohnenhaftigkeit der Eliten meinte.
In diesem Zusammenhang ist bemerkenswert, wie Herfried Münkler, der in letzter Zeit die Feuilletons bereichert, meint, die Eliten(vorstellung) "resozialisieren" (sic!) zu können und zu müssen. Erst einmal aber werden sie, was Deutschland angeht, ein wenig entschuldet: "Die deutschen Eliten hatten nicht nur zwei Kriege verloren, sondern sich zuletzt auch mit Verbrechern eingelassen und gemein gemacht". Eigentlich also »anständig« und selber keine Verbrecher, die Eliten hatten nur schlechten Umgang, so dass die Ablehnung von Eliten letztlich ungerecht ist. "Askese", "Leistungsbereitschaft", "Verpflichtungsbewusstsein" machen die Elite aus (die Masse natürlich nicht; vgl. Marx, s.o.). Eine, wie Münkler meint, "demokratische Elitetheorie" müsse allerdings darüber hinaus "nach der Leistung der Eliten für die Gesellschaft fragen und dabei darauf bestehen, dass die Definition der erwarteten Leistung und die Überprüfung ihrer Erbringung in den Händen der Gesellschaft liegt"13. Das Problem ist allerdings, dass in der Rede von der Gesellschaft "die prekäre und irrationale Selbsterhaltung der Gesellschaft umgefälscht (wird) zu einer Leistung ihrer immanenten Gerechtigkeit oder 'Vernünftigkeit'", wie es Adorno kritisch gegen den Elitegedanken (a.a.O., 32) formulierte. Da nun gerade, wie skizziert, Eliten die Reproduktion systematischer Ungleichheit markieren, bedeutete eine Demokratie in einer Perspektive, in der – mit Marx & Engels – die freie Entwicklung eines jeden die freie Entwicklung aller ist, gerade nicht die Überprüfung von Eliten, sondern deren gesellschaftliche Überflüssigkeit. Die Konzepte »Elite« und »geistig-moralische Führung«, wie Helmut Kohl das nannte, sind nicht demokratisierbar, sondern antidemokratisch. Die grundsätzliche Problematisierung des Elitediskurses ist kein irrationales Ressentiment (Bolz, a.a.O.), keine "pauschale ... Verdammung" (Schwan, a.a.O.) verwirrter 68er, wie gerne insinuiert wird, sondern die Verbindung von historischer Erfahrung und politischer Analyse.
Natürlich(e) Eliten?
Die bildungspolitische Debatte, die vor allem auf »Funktionseliten« fokussiert, enthält eine Besonderheit, auf die ich abschließend kurz eingehen will: Diese Eliten werden nicht nur als das Resultat von Förderung angesehen, sondern auch als deren Gegenstand. Ihre Elitenhaftigkeit muss diesen Eliten schon vor den Resultaten der Förderung anhaften, diese Eliten müssen also eigentlich auch schon eine Art Geburtselite sein in der Weise, dass sie – und zwar im Unterschied zum Rest – von Geburt an zu elitenhafter Leistung befähigt wie bestimmt sind, womit wir als neue soziologische Kategorie die Geburts-Funktions-Kombi-Elite anbieten könnten. Das müssen wir aber deswegen nicht, weil es für diesen Gedanken schon ein sprachlich einfacheres und allgemein bekanntes Konstrukt gibt: das der Begabung.
Ich gehe also davon aus, dass der Begriff der »Begabung«, insbesondere der gegenwärtige noch beliebtere Begriff der »Hochbegabung«, in seiner populären, dispositionsorientierten Verwendung das individualpsychologische Pendant zum gruppenbezogenen Begriff der Elite darstellt, zumindest im Bildungsbereich. Die Elite bestünde, so gesehen, also vor allem aus den Begabten, so dass die Elitenförderung sozusagen nur natürliche, ohnehin bestehende Unterschiede reproduziert. Anders formuliert: Gesellschaftliche Ungleichheit ist so natürlich wie der Sozialdarwinismus vernünftig ist. (Insofern fällt der neue Elitediskurs hinter die PISA-Debatte zurück: Dass finnische Kinder begabter seien als Migrantenkinder in Deutschland hat in diesem Zusammenhang m. W. keiner behauptet.)
In Alltagsvorstellung und jener Psychologie, die Alltagsvorstellungen bedient und verdoppelt, ist »Begabung« eine nicht weiter rückführbare, natürliche, also angeborene Disposition, die zur Entäußerung besonderer Leistungen befähigt. Im Unterschied zu Leistungen allerdings, die auf der Beobachtungsebene liegen, ist »Begabung« ein Konstrukt, das zur Erklärung von beobachteten Leistungen herangezogen wird14. Begabung ist nicht etwas, das man beobachten kann, sondern etwas, mit dem man Beobachtetes deutet, interpretiert, erklärt. Das Zirkuläre der Begabungsvorstellung liegt darin, dass von beobachteter Leistung unvermittelt auf Begabung geschlossen wird, diese aber als Ursache der Leistung herhalten soll. Andersherum: Den Begabungsbegriff zu problematisieren, schließt keineswegs notwendig ein, Leistungsunterschiede zu leugnen. Problematisiert werden damit allein die wissenschaftliche Dignität und die gesellschaftliche Funktionalität einer biologisch-genetischen Erklärung von Leistungsunterschieden.
Formal gesehen, ist das Problem übrigens dasselbe wie bei der Denkfigur, Verhaltensweisen von Männern und Frauen auf deren angebliche natürliche Männlichkeit und Weiblichkeit zurückzuführen, also die »gender«-Konstitution auszuklammern.
Allen Untersuchungen zum Trotz ist es bis heute nicht gelungen, »Begabung« (oder mit Gaethgens: "Talente", s.o.) unabhängig von beobachtbaren Leistungen bzw. Leistungsunterschieden (etwa in Abschlüssen in Kleintiermedizin) empirisch zu verifizieren. Allerdings: Auch wenn das Problem unentscheidbar ist, ist die Art und Weise, wissenschaftlich damit umzugehen, keineswegs gleichwertig, wie Holzkamp gezeigt hat: "Wissenschaft hat ja allgemein die Aufgabe, die untersuchten Phänomene jeweils soweit wie möglich in ihren Bedingungen und ihrem Zustandekommen aufzuklären. In dem Rückgriff auf Begabungsunterschiede als Ursache von Leistungsunterschieden liegt nun aber gerade ein Verzicht auf eine weitere Aufhellung der Bedingungen für ihre Entstehung. Anders: Wenn es mir in einem bestimmten Falle nicht gelungen ist, das Zustandekommen des Unterschieds zwischen einer Hochleistung und der üblichen Leistungshöhe hinreichend verständlich zu machen, so kann ich zwar grundsätzlich einmal Begabungsunterschiede dafür ins Feld führen, zum anderen kann ich annehmen, dass auch dafür bestimmte fördernde und behindernde Lebensverhältnisse samt ihrer subjektiven Verarbeitung verantwortlich sind, die ich – aufgrund mangelnder Differenziertheit meiner Begrifflichkeit und Methodik – nur bisher nicht gefunden habe. Dabei ergeben sich aber nur aus dieser zweiten Alternative weitere wissenschaftliche Forschungsfragen. Mit dem Rückgriff auf Begabungsunterschiede hingegen wird das wissenschaftliche Weiterfragen aufgrund einer dogmatischen, d.h. selbst nicht wissenschaftlich begründbaren, Vorentscheidung abgeschnitten."15
Insofern enthält die Aussage Charles Bukowskis, der gesagt haben soll: "Die meisten Menschen werden als Genies geboren, aber als Idioten beerdigt", eine wissenschaftlich fruchtbarere und gesellschaftlich fortschrittlichere Fragestellung als die Rede von der »Begabung«.
Begabung ist – wie Elite – kein wissenschaftlich tragfähiges Konzept, sondern beide sind notwendiger Gegenstand von Ideologiekritik.
Prof. Dr. Morus Markard ist Privatdozent für Psychologie an der FU Berlin
Fußnoten
1 Autorität und Familie, GS 3, 381
2 Michael Hartmann: Eliten in Deutschland, Das Parlament, Beilage vom 01.03. 2004, S. 19
3 Zit. nach: Torsten Bultmann: Die Eliten und die Massen. Kritik eines bildungspolitischen Stereotyps. In: Butterwegge/Hentges (Hg.): Alte und Neue Rechte an den Hochschulen, Münster 1999
4 Frankfurter Rundschau vom 16. 02.2004, S. 8
5 vgl. etwa Bernhard Schäfers in Das Parlament, Beilage vom 01.03.2004, S. 3
6 Das Kapital, Bd. 1, Marx-Engels-Werke Bd. 23, 741f
7 Am.J.Soc., 1898-89, 4, 664
8 Frankfurter Rundschau vom 26. 01.2004, S. 8
9 Vgl. Torsten Bultmann in uni-konkret WS 96/97
10 Frankfurter Rundschau vom 20. 01. 2004, S. 17
11 "Das Bewusstsein der Wissenssoziologie", GS 10 a, 33
12 Scharang, M.: Das Geschwätz von der Identität. In: Bittermann, K. (Hg.), Identität und Wahn. Über einen nationalen Minderwertigkeitskomplex. Berlin: Edition TIAMAT, 1994, 31-41, hier: S. 38
13 Scharang, M.: Das Geschwätz von der Identität. In: Bittermann, K. (Hg.), Identität und Wahn. Über einen nationalen Minderwertigkeitskomplex. Berlin: Edition TIAMAT, 1994, 31-41, hier: S. 38
14 Vgl. Holzkamp, K. 1992. "Hochbegabung": Wissenschaftlich verantwortbares Konzept oder Alltagsvorstellung? Forum Kritische Psychologie 29, 5-22
15 a.a.O., S. 14
Kommentierte Literaturliste
Exzellente Forschung?
Zu den zentralen neuen Förderinstrumenten des Elite-Diskurses gehört die »Exzellenzinitiative« der Bundesregierung. Ihr kommt eine besondere Bedeutung zu, da durch diese quasi regierungsamtlich der Gleichheit der Hochschulen aufgegeben und damit das Feld für eine Elitedebatte eröffnet wurde. Zum zweiten wurde jedoch auch deutlich, dass sich »Elite« auf die Forschung bezieht – und nicht auf die Lehre.
Einen knappen Überblick über die Ergebnisse der ersten beiden Wettbewerbsrunden zur Exzellenzinitiative bieten:
1. Runde: https://www.studis-online.de/HoPo/art-532-eliteuni.php
2. Runde: https://www.studis-online.de/HoPo/art-690-eliteuni2007.php
Eine ausführliche Sammlung an Hintergrundtexten über die Idee und Kontroversen rund um die Exzellenzinitiative findet sich hier:
http://v4.uebergebuehr.de/de/themen/hochschulreform/eliteuniversitaeten/
Eine Zwischenbilanz der Exzellenzinitiative aus Sicht der Hochschulforschung wurde auf einer Tagung des Instituts für Hochschulforschung (HoF) Wittenberg und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gezogen. Hier ging es neben der Historie des Förderprogramms auch um die Frage der Auswahlkriterien, des Begutachtungsverfahrens und der Legitimation. Der Tagungsbericht bietet einen ersten Einstieg in die Thesen:
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=1853
Ausführlich lassen sich die Ergebnisse der Tagung in der Dokumentation nachlesen:
Bloch, Roland / Keller, Andreas / Lottmann, André / Würmann, Carsten (Hg.), Making Excellence. Grundlagen, Praxis und Konsequenzen, Bertelsmann Verlag 2008, Reihe: GEW-Materialien aus Hochschule und Forschung Nr. 114; ISBN: 978-3-7639-3661-8; 19,90 Euro.
Eine gezielte Förderung der ‚Besten’ erzeugt zwangsläufig eine Ausdifferenzierung in Ausstattung und Renommee. Wolfgang Fach zeigt mit Hilfe einer Analogie zum Darwinismus auf, wie dadurch auch in der Bildung mittelfristig eine 2-Klassen-Geselschaft entsteht. Der Text ist online unter:
https://www.studis-online.de/HoPo/Hintergrund/unbedingte_universitaeten.php
Exzellente Studierende?
Das System der Studienstipendien sowie das dreigliedrigen Schulsystem sollen herausragende Leistungen Einzelner gezielter fördern, um so eine bestmögliche Entfaltung des individuellen Leistungspotentials zu ermöglichen. Diese Modelle beruhen auf der Annahme, dass Leistung als beobachtbare Kategorie auf eine – zumindest teilweise – angeborene, unterschiedlich in der Bevölkerung verteilten Begabung zurückzuführen sei. Dass es Begabung und Hochbegabung als natürliche Distinktionsmerkmale gebe, ist in der politischen Debatte weitgehend unumstritten. Morus Markard ist der Frage nachgegangen, welche Definitionen von »Hochbegabungen« es aber eigentlich in der psychologischen Forschung gibt und betont in seinem Beitrag, dass es bisher nicht möglich sei, genau zu bestimmen, welchen Anteil Natur und Gene einerseits oder Gesellschaft und Förderung andererseits an der Leistungsfähigkeit eines Individuums haben. Die bildungspolitische Funktion des Konzepts zeige sich in Zeiten knapper Ressourcen als Argument, um bestimmte Gruppen stärker finanziell zu fördern. Der Text ist online verfügbar: http://v4.uebergebuehr.de/de/themen/hochschulreform/eliteuniversitaeten/vertiefungstexte/konzept-hoch-begabung/
Forderungen nach Eliteförderungen tauchen in der deutschen Debatte zyklisch wieder auf und hängen häufig mit der Verteilung knapper Ressourcen zusammen. Torsten Bultmann sieht in den aktuellen Elitediskursen aber kein reines Revival, sondern eine neue Qualität: Die Verknüpfung von natürlicher Ungleichheit und betriebswirtschaftlicher Logik führe nun zu der Frage, wie viel Investition sich in bestimmte Personengruppen überhaupt lohnten. Eine solche – zumal dem Zeitgeist unterworfene – Selektion führe letztendlich zu einer intellektuellen Verödung der Gesellschaft.
Der Text ist online zugänglich:
http://www.bdwi.de/texte/98571.html
Bereits seit Jahrzehnten gibt es in Deutschland ein etabliertes Stipendiensystem, in welchem Studierende über kirchen- und parteinahe Stiftungen finanziell und ideell gefördert werden sollen. Gefördert werden sollen dabei in der Regel besonders leistungsfähige bzw. »begabte« Studierende – unabhängig vom sozialen und finanziellen Hintergrund ihrer Eltern. Eine neue Studie der Hochschul-Informations-System GmbH hat nun belegt, dass das Stipendiensystem eine Reproduktion bestehender Eliten fördert, da insbesondere Studierende aus bildungsnahen und einkommensstarken Schichten zu den Geförderten gehören. Eine Synopse der zentralen Daten findet sich online:
http://www.his.de/pdf/pub_vt/21/2009-06-26_Sozialprofil-Begabte_Vortrag-Dueren-HIS.pdf
Elite als Konzept
"Ohne Elite geht es nicht" (Nolte) – unter diesem Credo fordern Befürworter des Elitegedankens ein entkrampfteres Verhältnis zur Idee der Elite und betonen, dass der Begriff in Deutschland nach 1945 – spätestens mit 1968 – zwar diskreditiert gewesen sei, man dabei aber das Kind mit dem Bade ausgeschüttet habe. Oskar Negt hält dem entgegen, dass ein Begriff nur dann entehrt werden könne, wenn er eine ehrenvolle Vorgeschichte habe – und spricht dem Elitekonzept selbige ab. Negts Plädoyer wider den Elitegedanken, der ursprünglich in der FR 2004 erschienen ist, ist online verfügbar:
http://www.gew-hessen.de/index.php?id=296&tx_ttnews[cat]=72&tx_ttnews[pS]=1109631600&tx_ttnews[pL]=2674799&tx_ttnews[arc]=1&tx_ttnews[tt_news]=2459&tx_ttnews[backPid]=632&cHash=a843264263&type=123
Ausgehend von der Feststellung, dass es sich bei der »Elite« um eine sozial herausgehobene Gruppe an Personen handelt, die über großen politischen und wirtschaftlichen Einfluss verfügen, ist die Frage zentral, wie gerecht der Zugang zu diesem engen Kreis eigentlich verteilt ist. Während die formalen Hürden auf den ersten Blick aufgebaut zu sein scheinen, wie Viktoria Kaina betont, ist die faktische Rekrutierung der gesellschaftlichen Elite höchst selektiv, wie die Forschungen Michael Hartmanns belegen. Deutlich ist dabei, dass die bundesdeutsche »Elite« noch immer ein stark männlich dominiertes Feld ist, zeigen insbesondere die Topfunktionen der Wirtschaft. Dieser von Hildegard Mache konstatierte Gender-Gap sei lediglich bei Politik, Wissenschaft und Gewerkschaften etwas geringer. Dass diese Bereiche noch vergleichsweise durchlässig sind, betont auch Bernhard Schäfers. Die genannten Beiträge sind alle online verfügbar in einer Ausgabe von "Aus Politik und Zeitgeschichte" 10/2004:
http://www1.bpb.de/publikationen/7PJD1G,0,0,Eliten_in_Deutschland.html
Dass Demokratien auf eine Gruppe an Personen angewiesen sei, die herausragende Einflusspositionen inne hat – ergo: eine Elite ist – hebt in derselben Ausgabe der APuZ Klaus Urban hervor. Michael Hartmann warnt allerdings in einem Interview im Tagesspiegel, dass Eliten eine Demokratie auch aushöhlen könnten, wenn sie sich an demokratische Legitimationen nicht mehr gebunden fühlten. Das Interview ist online unter:
http://www.tagesspiegel.de/kultur/Elite;art772,2481835
Michael Hartmann hat zudem empirisch die Frage der Eliten untersucht:
Hartmann, Michael: Der Mythos von den Leistungseliten: Spitzenkarrieren und soziale Herkunft in Wirtschaft, Politik, Justiz und Wissenschaft, Frankfurt/Main 2002. ISBN: 3-593-37151-0, 19,90 Euro.
Zu den informellen Rekrutierungsnetzen von gesellschaftlichen Eliten gehören studentische Verbindungen. Hier werden im Zuge von Lebensbundprinzip, »Exklusivität« und »Freundschaft« Netze fürs Leben geknüpft. Alexandra Kurth hat in einem Beitrag Geschichte und Soziologie der Verbindungen untersucht. Stephan Peters analysiert die Ziele korporationsstudentischer Erziehung. Beide Beiträge finden sich online in einem – nicht nur für Hannover interessanten – Reader:
http://www.apabiz.de/publikation/broschueren/Eliten%20und%20Untertanen.pdf
Eng verbunden mit der Forderung nach Elitenförderung ist ein Klagen über das Versagen der »herrschenden Elite«. Gefordert wird nämlich nicht einfach irgendeine Elite, sondern eine »neue Elite«, die über Leistungsfähigkeit, Verantwortung und Kreativität verfügen und eine als verstaubt oder blockiert betrachtete Gegenwartsgesellschaft voran bringen soll. Eine Tagung um den Politikwissenschaftler Herfried Münkler ist diesem Diskurs nachgegangen und hat eine umfangreiche Textsammlung vorgelegt, die den historischen und politischen Implikationen des Elitekonzepts in Deutschland nachgeht. Dabei wird auch auf die Rolle der Bildung eingegangen.
Herfried Münkler / Grit Straßenberger / Matthias Bolender (Hg.), Deutschlands Eliten im Wandel, Campus Verlag 2006; ISBN-10: 3593380269. 39,90 Euro
Eine umfangreiche Sammlung an Hintergrund- und Vertiefungstexten zur Exzellenzinitiativ und zum Elitekonzept findet sich auch auf:
http://v4.uebergebuehr.de/de/themen/hochschulreform/eliteuniversitaeten/