StudiumWas studiert wird und warum die Studierneigung sinkt
Studienberechtigte 2004 Erste Schritte in Studium und Berufsausbildung Es handelt sich um eine Vorauswertung der Befragung der Studienberechtigten (also nicht nur Abiturienten, sondern aller mit Hochschulreife) 2004 ein halbes Jahr nach Schulabgang. Entsprechende Befragungen werden regelmäßig durchgeführt (in der Studie werden vor allem Daten von 1990, 1996, 1999, 2002 und 2004 verglichen) und zeigen die Tendenzen bei Ausbildungswahl und Gründen, warum bspw. eine Lehre einem Studium vorgezogen wird. Durchgeführt wurde die Befragung vom Hochschul Informations System (HIS) im Auftrag des BMBF. Download des PDF zur Studie (ca. 612 kB) |
Für die wichtigsten Fachrichtungen zeigt die folgende Grafik, wie sich das Interesse im Laufe der Jahre entwickelt hat. Man sieht den Hype des Internets und der New Economy - daher der "Berg" bei Mathematik/Informatik 1999 (nebenbei bemerkt ist im Osten das Interesse für Mathematik und Informatik durchgehend höher). Der Bedarf an LehrerInnen sollte steigen (und es wird auch mehr und mehr für ein Lehramtsstudium geworben) - prompt studieren wieder so viele wie Anfang der 90er, nachdem es Mitte/Ende der 90er ein "Tal" gab.
Das Desinteresse an Maschinenbau und Elektrotechnik hält inzwischen schon länger an - hier ist zu erwarten, dass wieder mehr derartig ausgebildete Menschen benötigt werden. Bei beiden Fächern sind es allerdings - trotz einiger etwas unbeholfener Bemühungen der Hochschulen - hauptsächlich Männer, die ein solches Studium aufnehmen wollen.
Nachdem 1990 ostdeutsche "Studierfähige" noch genauso häufig Wirtschaftswissenschaften studieren wollten, wie solche aus dem Westen, ist die Neigung zu Wirtschaftswissenschaftzen inzwischen im Osten gesunken - auf dort 9% (statt 12% bei denen aus dem Westen). Während dagegen im Westen das Interesse an Kultur- und Sprachwissenschaften konstant bei 5% geblieben ist, wählen Studierenden aus dem Osten inzwischen zu 7% ein solches Fach - 1990 waren es nur 3%.
Studierneigung sinkt - vor allem bei Frauen
Wieviele Menschen eines Altersjahrgangs schließlich studieren, hängt zunächst an der Quote derer, die überhaupt eine Hochschulzugangsberechtigung (meist Abitur, aber es gibt ja auch noch ein paar eingeschränktere Formen) erwerben. Hier steht Deutschland im internationalen Vergleich bekanntermaßen nicht sonderlich gut.
Von denen, die rein von der formellen Qualifikation ein Studium aufnehmen könnten, nutzen die große Mehrheit die Möglichkeit, dies auch zu machen. Dieser Anteil - derer mit "Studierneigung" - ist 2004 auf 70% gesunken. Der Höchstwert in den letzten Jahren wurde 1990 erreicht (76%), sank dann etwas ab (66%), um 2002 bei 73% erneut recht hoch zu liegen.
Bedenklich dabei ist, dass Jahre nach der Wiedervereinigung die Studierquote in Ostdeutschland immer noch niedriger ist (2004 lag sie bei 67%) - offenbar aus finanziellen Gründen (wie weitere Ergebnisse der Studie zeigen, die weiter unten präsentiert werden). Und Frauen scheinen aus ähnlichen Gründen ebenfalls weniger zu einem Studium tendieren - nur noch 66% (nach noch 71% im Jahr 2002). Bei den Männern liegt die Studierneigung inzwischen bei 74% (und ist somit nur um 1% im Vergleich zu 2002 gefallen).
Warum nicht studiert wird
Diejenigen, die zwar studieren könnten, aber es nicht wollen, geben als Grund vor allem an, dass sie schnell Geld verdienen wollten. Die folgende Grafik zeigt, wieviele der "Nicht-Studierenden" in den letzten entsprechenden Befragungen dieses Grund (unter anderem) angeführt hatten.
Interessant - und bedenklich - ist dabei, dass in Ostdeutschland dieser Grund deutlich häufiger genannt wird. Bei den Frauen scheint das ebenfalls Steigen dieses Grundes eine Begründung für die sinkende Studierneigung zu sein. Unterstrichen wird die für Frauen offenbar unübersehbarere finanzielle Lage während eines Studiums auch dadurch, dass sie häufiger als Männer angeben, sie könnten nicht studieren, weil die finanziellen Voraussetzungen nicht gegeben seien.
Trotz der zunehmenden Einführung von im Vergleich zum Diplom kürzeren Bachelor-Studiengängen (die allerdings auch eine geringere Qualifikation bedeuten) wird häufiger eine zu lange Studiendauer als Grund gegen ein Studium genannt (wohl auch hier im Zusammenhang mit finanziellen Ängsten zu sehen). Das deckt sich mit der Beobachtung, dass Frauen offenbar häufiger nach dem Bachelor-Abschluss die Hochschule verlassen, Männer dagegen auch noch den Master machen.
Dass die Anforderungen eines Studiums unübersichtlich und unklar wärem, führen immer weniger derer an, die nicht studieren wollen. Informationsmangel scheint es also zunehmend weniger zu geben. Frauen haben mit diesem Punkt deutlich weniger Probleme (nur 2% geben ihn als einen Grund, der gegen ein Studium spricht an) als Männer (bei denen immer noch 12% darin ein Grund gegen ein Studium sehen. Offen bleibt jedoch, ob dieser Grund von Frauen nur seltener genannt wird, weil die anderen Gründen so stark überwiegen, dass dieser gar nicht mehr genannt wird, oder ob Männer tatsächlich weniger in der Lage sind, sich zu informieren ;-)
Kommentar
Die sinkende Studierneigung bei Frauen und die immer niedrigere liegenden Werte aus Ostdeutschland sind kein Grund zur Freude. Das BAföG ist seit einigen Jahren nicht mehr erhöht worden - und dieses Jahr gab es bereits mehr oder weniger offene Diskussionen über eine mögliche Abschaffung.
Die von einigen Banken geplanten Studienkredite können keine wirkliche Alternative sein - der potentielle Schuldenberg wäre enorm und immerhin 16% derer, die sich gegen ein Studium entschieden haben, hatten selbst vor den deutlich geringeren BAföG-Schulden Angst (vielleicht wussten sie aber auch nicht, dass die Schuldenlast beim BAföG absolut auf 10.000 Euro begrenzt ist).
Die Studienkredite wurden auch erst im Zusammenhang mit den Planungen von allgemeinen Studiengebühren stärker ins Rampenlicht gerückt. Studiengebühren könnten demnächst in einigen Ländern eingeführt werden - und werden die Studierneigung nicht gerade fördern. Von grundsätzlichen Gründen abgesehen, die man gegen Studiengebühren anführen kann, werden die Gebühren wohl auch nicht zu Verbesserungen an den Hochschulen führen, sondern - jedenfalls mittelfristig - eher zur Entlastung der Haushalte und dem Erhalt des Status Quo.
Notwendig wäre stattdessen ein Verzicht auf Studiengebühren, deutliche Investitionen ins Bildungssystem insgesamt und insbesondere ein deutlicher Ausbau des BAföGs, am besten ergänzt um elternunabhängige Komponenten. Den meisten BildungspolitikerInnen scheint diese Notwendigkeit leider nicht klar zu sein. Wird jedoch nicht bald gehandelt, könnte Deutschland noch weiter im internationalen Vergleich hinterher hinken, was der Anteil von Menschen mit Hochschulbildung betrifft. Vom Frauenanteil und der regionalen Verteilung ganz zu schweigen.
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