Falsche VersprechungenDigitalisierung der Hochschulen
Digitale Medien sind Monster … jedenfalls falsch verwendet ;)
Studis Online: Wer ihren Namen googelt, erfährt, dass Sie Monsterologe sind, also so etwas wie ein Monster-Experte. An dieser Stelle sollen Sie vornehmlich als Pädagoge und Bildungsforscher gefragt sein, der hierzulande als einer von ganz wenigen Wissenschaftlern vor den Gefahren der digitalen Medien warnt, insbesondere vor deren Vordringen in das Bildungssystem – von Kitas, über Schulen bis hinein in die Hochschulen. Sehen Sie gleichwohl Berührungspunkte zwischen beiden Forschungsfeldern?
Matthias Burchardt: In der Tat nimmt die Präsenz der digitalen Endgeräte monströse Ausmaße an. Wenn Sie mit offenen Augen in der U-Bahn sitzen, sehen Sie um sich herum ruhiggestellte Menschen, die von kybernetischen Exo-Parasiten kontrolliert werden. Manche dieser Invasoren schießen ihre weißen Tentakel in die Ohren der Menschen, andere bannen den Blick ihrer Wirte mit einem hypnotischen Leuchten an eine glänzende Oberfläche. Sie lassen sich streicheln und schmiegen sich an die warmen Körper, dabei regulieren sie die Aufmerksamkeit der Besiedelten, steuern ihr Verhalten und wenn Sie Hunger haben, versorgt sie der Wirt mit neuer Energie. Doch diese digitalen Schmarotzer wollen mehr als nur Strom, ihr Appetit gilt dem Leben der Wirte. Und sie pflanzen sich fort … Ansonsten sehe ich keinen Zusammenhang zwischen den Forschungsfeldern (lacht).
Was ist mit dem? Monster sorgen für schlaflose Nächte, das Internet auch. Die Online- und Spielsucht in Deutschland nimmt immer gravierende Ausmaße an. Laut der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), gelten heute bereits 560.000 Menschen als computersüchtig. Kinder und Jugendliche sind dabei besonders gefährdet. Gerade hat die Bundesregierung die Auflage eines fünf Milliarden Euro schweren Programms zur Ausstattung der Schulen mit modernster digitaler Technologie angekündigt. Den sogenannten Digital-Pakt#D bewirbt das von Johanna Wanka (CDU) geführte Bundesbildungsministerium mit: „Einmaleins und ABC nur noch mit PC.“ Wie gut schlafen Sie bei all dem noch, oder ihre Kinder?
Frau Wanka entfesselt die nächste Welle durch einen Pakt, der den Charakter einer Vergewaltigung im Gewand einer Wohltat hat. Mir bereitet dieser Angriff auf die Schulen tatsächlich große Sorgen. Meine Kinder dagegen schlafen gut, weil ihre innere Uhr abends nicht vom Bildschirmlicht gestört wird. Tatsächlich gehören Schlaf- und Konzentrationsstörungen zu den bedenklichen Nebenwirkungen dieser Systeme, von der hohen Suchtgefährdung ganz abgesehen.
Unser Interviewpartner Matthias Burchardt ist Akademischer Rat am Institut für Bildungsphilosophie, Anthropologie und Pädagogik der Lebensspanne an der Universität zu Köln und stellvertretender Geschäftsführer der Gesellschaft für Bildung und Wissen (GBW). Der Verein dient nach Eigendarstellung der „Auseinandersetzung mit den Grundzügen, Voraussetzungen und Folgen der gegenwärtigen umfassenden Bildungsreform von Schule und Hochschulen“ und nimmt Partei „für die grundlegende Aufgabe des Bildungswesens, nämlich die Vermittlung von Bildung und Wissen an die nachwachsende Generation“.
Mehr von Matthias Burchardt: Wider die neoliberale Zurichtung des Menschen. pad-Verlag. Bezugsquelle: . ISBN 978-88515-279-8
Was ist so anders daran, mit Smartphone oder Tablet zu lernen, verglichen mit den bisher gängigen Methoden? Sie sprachen von „Vergewaltigung“? Überziehen Sie damit nicht doch?
Um eines klarzustellen: Wenn ich den Slogan richtig deute, ist Frau Wanka nicht in erster Linie an einer soliden Geräteausstattung gelegen, die dann nach fachdidaktischen Entscheidungen der Lehrerin oder des Lehrers bedarfsweise eingesetzt wird. Ihr geht es um einen Umbau der pädagogischen Substanz von Schule: „Nur noch mit PC.“ Bisher galt aus guten Gründen, dass Lernen in Beziehung stattfindet, verantwortet von einer in Fach und Vermittlung souveränen Lehrperson. Diese soziale Dimension von Bildung wird aber verdrängt, wenn der Bildschirm zunehmend zum Bezugspunkt wird.
Es ist übrigens eine Illusion zu glauben, dass diese Geräte ein neutrales Instrument wären, das in den Händen der richtigen Leute zu mehr Bildungsgerechtigkeit beitragen würde. Zum einen vergrößert digitalisierter Unterricht die soziale Spaltung anstatt sie zu überwinden. Mehr denn je wird nämlich das kulturelle Kapital der Eltern ausschlaggebend für den Bildungserfolg. Zum anderen verkennt man die Eigengesetzlichkeit des Mediums, das einem nämlich nur dann gehorcht, wenn man sich ihm unterwirft. Im Grunde funktionieren die digitalen Medien wie ein Fetisch. Sie suggerieren dem Nutzer Freiheit und Souveränität, liefern ihn aber einer Abhängigkeit aus. So wenig der Seidenstrumpf oder die Götterstatue tatsächliches Liebesglück oder religiöse Erlösung zustande bringen, so wenig können digitale Lehrmittel und Medien die Aufgaben eines Lehrers ersetzen oder auf technischem Weg die Bildung von Schülern bewerkstelligen. Das gilt übrigens auch für die Hochschule.
Was genau meinen Sie? Dass digitaler Mediengebrauch nicht notwendig dazu verhilft, mehr Kinder aus Arbeiterhaushalten oder sogenannten bildungsfernen Familien an die Hochschulen zu führen. Oder dass ihr Einsatz der Hochschulbildung insgesamt schadet?
Sowohl als auch! Ich rate meinen Studierenden immer, den Arbeitsplatz vom digitalen Kommunikationsplatz räumlich zu trennen. Die Unterbrechungen und Ablenkungen sind denkfeindlich, sie führen zu einer habitualisierten Zerstreutheit. Wir sind biologisch darauf angelegt, eine Unterbrechung als relevanter zu erachten als die gerade vollzogene Tätigkeit. Es hat ja auch Sinn, dass ich den Blick vom Lagerfeuer abwende, wenn der Säbelzahntiger auf die Lichtung tritt. Doch meine Überlegungen zu Kants Aufklärungsbegriff oder Marx’ Analysen des Fetisch zu unterbrechen, weil ein entfernter Bekannter einen Kürbis fotografiert hat, ist weniger sinnvoll. Auch an der Uni haben digitale Endgeräte Einzug gefunden. Sie bieten eine willkommene Ablenkung in langweiligen Vorlesungen oder werden zum heimlichen Mitschneiden der Inhalte genutzt. Das ist kein Kavaliersdelikt, denn man verschafft sich dadurch einen unrechtmäßigen Vorteil und verletzt die Persönlichkeitsrechte anderer.
Von solchen „Missbrauchsdelikten“ mal abgesehen, sollen digitale Techniken und Vermittlungskanäle die Lehre ja geradezu revolutionieren. Geben Sie da auch so rigoros kontra?
Sie meinen den hochschuldidaktisch geadelten Einsatz der Technik als Lehrmedium. Auch da sehe ich eher Gefahren als Chancen: Digital verschickte Texte werden weniger aufmerksam gelesen als Photokopien. Powerpoint-Präsentationen folgen auch dem McLuhan-Motto „Das Medium ist die Botschaft“ und servieren meist bloß Foliensalat, der die Studierenden durch Sieben-Punkte-Häppchen infantilisiert. Natürlich kann man das besser und schlechter machen. In der beruflichen Bildung und an der Hochschule bin ich weniger kategorisch als in der Schule.
Sie sprachen von der Unterwerfung des Menschen unter die Eigengesetzlichkeit des Mediums. Wie und warum „unterwirft“ man sich der digitalen Technologie, wenn man, um beim Beispiel zu bleiben, das Alphabet auf dem Tablet einübt?
Diese Unterwerfung hat mehrere Dimensionen. Zum einen hat Lernsoftware bei allem Geblinke und Gedudel die Dialogfähigkeit eines Formulars und die Sturheit eines Sprachmenüs bei einer Servicehotline. Rückfragen, Verständigung oder auch Einflussnahme auf Inhalt und Art des Lerngeschehens sind nicht wirklich möglich. Im zwischenmenschlichen Unterricht kann der Schüler mittendrin die Sinnfrage aufwerfen, ganz im Sinne von Ruth Cohn: „Störungen haben Vorrang!“ Software ist rigoroser als jeder autoritäre Lehrer, die Entmündigung geschieht auf dem Wege des anonymen Algorithmus, gegen den es kein Aufbegehren geben kann.
Und dann gibt es eine noch verborgenere Form der Unterwerfung: Die Geräte spionieren ihre Nutzer aus, erheben Daten, generieren Verhaltensprofile und gewinnen so ein Herrschaftswissen, das zur Steuerung der Menschen genutzt werden kann. Sicher wird man hier behaupten, dass dies alles der Optimierung von Lernen dienen soll. Aber worin besteht dieses Optimum? Mündigkeit oder Anpassung an Sachzwänge, die uns die sture Maschine präsentiert – als Einübung für die Insassen der Industrie 4.0?
Apropos – von der Industrie 4.0 heißt es ja auch, dass sie der Menschheit nur Segnungen bescheren wird, ohne dass irgendeiner der Protagonisten auch nur die Frage stellen würde, wie der künftig von Hand- und Denkarbeit befreite Mensch sein Brot verdient oder wovon er dann noch Autos, Tablets oder Smartphones kaufen soll. Ist Zukunftsblindheit ein Wesenszug von Fortschritt?
Es kommt ja nicht von ungefähr, dass ausgerechnet Jörg Dräger von der Bertelsmann Stiftung die Digitale Revolution im Bildungssektor ausruft. Medienkonzerne wie Bertelsmann würden sicher zu den Gewinnern dieser Entwicklung zählen. Ob und inwieweit die Arbeitswelt tatsächlich in dem prognostizierten Ausmaß verändert wird, bleibt abzuwarten. Aber ähnlich wie bei der Globalisierung wird auch bei der Digitalisierung das Erzählmuster der Alternativlosigkeit bemüht. Nur wer sich dem Digitalisierungsimperativ unterwirft, so suggeriert die Vokabel der „Zukunftsfähigkeit“, hat die Chance auch in den Genuss dieser Zukunft zu kommen. So als wäre Zukunft nicht in einem offenen demokratischen Prozess zu gestalten, sondern säße ihrerseits zu Gericht über Menschen und Lebensentwürfe der Gegenwart. Es ist an der Zeit zu prüfen, inwieweit diese vermeintlichen Sachzwänge von Interessengruppen konstruiert werden. Das Brot und die Freiheit der Menschen, welche Sie in Ihrer Frage ansprechen, müssen nicht zwangsläufig auch im Interesse der engagierten Lobbygruppen sein.
Vor zwei Jahren hat Bertelsmann verkündet, ganz groß ins Geschäft mit Bildung einzusteigen und damit in drei bis fünf Jahren eine Milliarde Euro zu erlösen. Riesige Profite verspricht sich Europas führender Medienkonzern vor allem durch E-Learning-Angebote für Schulen und Hochschulen. Fast zeitgleich hat die Bundesregierung im Sommer 2014 ihre „digitale Agenda“ ausgerufen, in deren Rahmen man die deutschen Bildungseinrichtungen zunächst mit der Hardware versorgen will, die es für die schönen neuen Softwarelösungen braucht. Die Koinzidenz beider Vorstöße lässt erahnen: Gütersloh und das Kanzleramt sind schon jetzt bestens vernetzt.
Eine Kollegin war in Berlin anwesend, als Frau Wanka die Digitalisierungsinitiative vorgestellt hat. Sie berichtet, dass die Ministerin ausdrücklich auf ihren „Freund Jörg Dräger“ verwiesen hat, der ihr den erfolgreichen Einsatz digitaler Lehrmittel demonstriert habe. Zudem müsse man an die Daten der Schüler kommen. Über diese anekdotische Annäherung hinaus bedarf es natürlich einer systematischen Aufarbeitung der Beziehungen zwischen der Politik und der Stiftung. Einen ersten, wesentlichen Beitrag dazu hat die Landtagsfraktion der Piraten in Nordrhein-Westfalen mit einer großen Anfrage zu den Verflechtungen zwischen Gütersloh und Düsseldorf geleistet. Die Antwort der Regierung liegt vor, aber obwohl sie durchaus skandalöse Aspekte enthält, berichten die Qualitätsmedien nicht darüber.
Das Zauberwort, mit Blick auf die Schulen wie auch die Hochschulen, lautet „individualisiertes oder selbstreguliertes Lernen“. Für die Uni der Zukunft heißt das, der Dozent tritt nur noch im Hintergrund auf, als sogenannter Lernbegleiter oder -manager. Seine physische Existenz verflüchtigt sich quasi, an seine Stelle treten Onlinekurse, Onlineseminare und Erklärvideos, die der Student zu Hause oder sonst wo auf der Welt durcharbeitet. Selbst Prüfungen und Studienmodule legt er via Internet ab. Ist die Präsenzuni also nur noch ein Auslaufmodell?
Das ist der eigentliche Punkt! Allein, dass es das Wort „Präsenzlehre“ gibt, ist doch schon ein Krisensignal, oder? Die Professorin oder der Professor wird letztlich zum Avatar, wenn nicht mehr die gemeinsame Situation im Hörsaal den Kern des Studiums bildet. Nach dem Kosten-Nutzen-Kalkül ist ein MOOC (Massive Open Online Course, d. Red.) natürlich ein gutes Geschäft: Eine Veranstaltung für potenziell 80 Milliarden Hörer, und zwar zu jeder beliebigen Zeit, bedeutet nichts anderes als die Industrialisierung der Lehre. Ebenso wenig haben sich Lernplattformen bewährt. Der Physiker Jörn Loviscach hat selbst diese Formate produziert und gehört aufgrund seiner schlechten Erfahrungen inzwischen zu den Skeptikern (Hinweis der Redaktion: Sehenswert ist Loviscachs Vortrag „Bildung steht nicht nur im Modulhandbuch – von den Gefahren einer naiven Digitalisierung“). Er beklagt gravierende Abbruchquoten. Nur ein Bruchteil der vielen angemeldeten Teilnehmer machen einen Kurs „ordentlich“ mit und von Hunderten meldet sich dann nur ein einziger zur Prüfung an. Insgesamt ist es außerdem bedenklich, wenn private MOOC-Anbieter Lehre gratis anbieten, für Prüfungen Geld verlangen und öffentliche Hochschulen und Universitäten diese Zertifikate dann anerkennen sollen.
Wenn es nach dem Willen der Modernisierer geht, die ein Geschäftsmodell wittern, ist die „Präsenzlehre“ tatsächlich ein Auslaufmodell. „Fernuni für alle“ wäre die Devise, während wie an den Elitehochschulen in den USA die Privilegierten unter sich natürlich von Angesicht zu Angesicht mit ihren Professoren arbeiten würden. Die Digitalisierung der Hochschuldidaktik ist eine Totgeburt!
Sie sprechen es an. Ende August war in einem Artikel der New York Post zu lesen, dass leitende Angestellte aus dem Silicon-Valley ihre Kinder gerade nicht in diese hippen Technoschulen schicken, wo schon kleine Pimpfe mit Smartphone und Tablet großgezogen werden. Und gleichzeitig machen diese Leute Milliardenprofite damit, dass Unmengen Kinder und Jugendliche ihr ganzes Leben bei Facebook, Twitter und Youtube entblößen. Ist es wirklich nur das Geld, das die Internethysterie befeuert?
Es ist bekannt, dass die Kinder von Steve Jobs kein iPad oder iPhone hatten. Ganz nach dem Motto: „Analog ist das neue Bio“ gestalten Eltern das Leben ihrer Kinder bewusst frei von digitalen Medien, sogar wenn sie mit IT ihr Geld verdienen. Ich glaube aber nicht, dass es nur um Geschäfte geht. Wie oben angedeutet, entsteht ein Instrument totaler Überwachung und Steuerung, das den Ansprüchen einer aufklärerisch-emanzipatorischen Gesellschaft fundamental entgegenwirkt und uns zu Insassen eines technischen Kraftfeldes macht, das nicht im Netz endet, sondern auch das Politische selbst vernichtet.
Die US-Politologin Wendy Brown hat darauf aufmerksam gemacht, dass mit dem Verfahren des Governance – als einem Steuerungsmodell gesellschaftlicher Prozesse auf Basis von Daten, Kennziffern und Sollwerten – den Akteuren eine neue geistige Firmware aufgespielt wurde. Das führt dazu, dass ein jeder die Illusion von Handlungsfreiheit und ethischer Integrität hat, aber gleichwohl aufgrund Systemlogik genau dieselben Entscheidungen trifft, die auch der durchtriebenste Verfechter des Neoliberalismus getroffen hätte.
In dieser Sicht sind wir also schon alle total fremdgesteuert und unbewusst Träger einer pervertierten Kultur. Das ist ziemlich harter Tobak. Und sagen Sie das mal einem Digital Native, der glaubt, mit sich und der Welt im Reinen zu sein.
Der jüdische Philosoph Günther Anders hat in seinem Brief an Klaus Eichmann, Sohn des zynischen Bürokraten des Holocaust Adolf Eichmann, schon 1964 darauf hingewiesen, dass im Medium der Technik ein neuer Totalitarismus droht: „Die Welt als Maschine ist wirklich der technisch totalitäre Zustand, dem wir entgegentreiben.“ Und wenig später schreibt er: „Wir haben uns darauf gefaßt zu machen, dass die Entsetzlichkeit des kommenden Reiches die des gestrigen weit in den Schatten stellen wird. (…) Noch wäre es verfrüht, zu behaupten, dass man uns heute bereits durchweg in der Rolle von Maschinenteilen, Rohstoffen oder virtuellen Abfall hineinzwinge; oder dass man uns nötige, unsere Mitmenschen nur noch in diesem Rollen zu sehen und sie nur noch als solche Rollenträger zu behandeln.“
In Zeiten von Governance, Populationsmanagement und Humankapitaldoktrin klingt dieser Satz nicht mehr allzu verwegen. Dazu noch ein Zitat des Medientheoretikers Friedrich Kittler: „Ich kann nur sagen, der Computer ist nicht erfunden worden, um den Menschen zu helfen. In Wahrheit sind beide, Atombombe und Computer, Produkte des zweiten Weltkriegs. Kein Mensch hat sie bestellt, sondern die militärische und strategische Situation des zweiten Weltkriegs hat sie notwendig gemacht. Es waren von vornherein keine Kommunikationsmittel, sondern Mittel des totalen Kriegs, die jetzt als Spin-off in die Bevölkerung hineingestreut werden.“
Hierzu passt ganz gut, was das neueste DSW-Journal, das Magazin des Deutschen Studentenwerks (DSW), über die „Digitale Hochschul-Revolution“ schreibt. Darin ist die Uni der Zukunft so skizziert: „Der Online-Campus ist nicht mehr nur ein virtueller Audimax mit Videoinputs, sondern ein riesiges Datenanalysezentrum. Es erhebt automatisiert die Leistungen und Eigenarten der Studierenden. Ein Künstliche-Intelligenz-Rechner analysiert, virtuelle Dozenten weisen den weiteren Weg.“ Was fällt Ihnen ein, wenn Sie das lesen?
Um es auf den Begriff zu bringen: De-Humanisierung. Wer Universität so gestalten möchte, hat nichts von dem verstanden, worum es bei Bildung geht. Ich schlage vor, dass die Studierenden dann auch selbst nicht mehr hingehen, sondern ihre Smartphones schicken!
Abschließende Frage: Was halten eigentlich Ihre Studierenden, denen Sie ja beibringen wollen, künftig gute Lehrinnen und Lehrer zu sein, davon, dass Sie ihnen am liebsten das Smartphone austreiben würden?
Die meisten werden mich für einen Dinosaurier halten, der das Aussterben verpasst hat. Manche hegen aus eigener Erfahrung ein gewisses Misstrauen gegen die Macht der Geräte. Eine Studentin hat sich nach einer Veranstaltung offenbart und um Hilfe beim Kampf gegen ihre Online-Sucht gebeten. Ich habe dann den Kontakt zur Suchtberatung hergestellt. Sie fand dort Hilfe und studiert inzwischen wieder erfolgreich. Ich glaube, dass man weniger über Ermahnungen oder Verbote erreicht als über das Vorleben von glückenden Alternativen. Mein Eindruck ist, dass bei vielen Nutzern die Begeisterung für die digitalen Medien erlischt und ein neues Gefühl aufkeimt: Heimweh nach der Wirklichkeit!
(rw)