StudiengebührenPolitische Lage auf Bundesebene
Für Bildung sind in Deutschland vor allem die Bundesländer verantwortlich. Durch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts am 26.01.2005 hat der Bund seinen Einfluss auf Studiengebühren faktisch verloren (und auch die Verfassten Studierendenschaft. Mit der großen Koalition (2005-2009) und der Föderalismusreform (2006) ist der Einfluss des Bundes auch in anderen Bereichen der Bildungspolitik weiter gesunken. Die schwarz-gelbe Koalition (2009-2013) wollte den verbleibenden Rest des Hochschulrahmengesetzes endgültig abschaffen, hat dies aber doch nicht umgesetzt. Danach wurden dem Bund sogar wieder Kompetenzen gegeben, vor allem aber die Möglichkeit, mehr Geld ins Bildungssystem zu pumpen.
Die Entwicklung vom Verbot von Studiengebühren im HRG bis einige Monate nach dem Fall dieser Regelung (2002 bis 2005)
Am 25.04.2002 wurde vom Bundestag die 6. Novelle des Hochschulrahmengesetzes verabschiedet, in der Studiengebühren ausgeschlossen werden. Allerdings ist dieses „Verbot“ löchrig: Gebührenfrei sollte nur das Erststudium bleiben und dabei lediglich die Regelstudienzeit plus einiger Semester.
Selbst dieses löchrige Verbot hatte nicht lange Bestand: Am 23.05.2003 reichten die sechs CDU/CSU-regierten Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt eine Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gegen die 6. Novelle des Hochschulrahmengesetzes (HRG) ein. Begründet wird die Klage damit, dass der Bund zu weit in die Bildungshochheit der Länder eingreift (z.B. mit dem Verbot allgemeiner Studiengebühren, aber auch mit Regelungen zur Verfassten Studierendenschaft).
Was beim Fallen des Verbots – aus Sicht Anfang 2005 – längerfristig kommen könnte, war bspw. in unserem Jahresausblick 2004 nachzulesen: Gebühren in bis zu 5-stelliger Höhe pro Semester ...
Bundeskanzler Schröder – es erstaunt ja fast – schien dagegen am Verbot von allgemeinen Studiengebühren festzuhalten. So jedenfalls äußerte er sich noch Anfang Februar 2004.
Interessant für die Debatte könnte auch sein, dass einige Steuerrechtler meinen, man könne Studiengebühren später im Berufsleben als „vorgezogene Werbungskosten“ absetzen. Dann würden Gebühren finanzpolitisch keinen Sinn mehr machen. Leider hörte man zu diesem Thema später nichts mehr, es ist unklar, was daraus geworden ist.
Die Union (so erklärte jedenfalls Hamburgs Wissenschaftssenator Dräger im August 2004) will offenbar mit 500 Euro Studiengebühren ab 2006 einsteigen - wenn das Studiengebührenverbot fällt. CHE und andere schalten sich ebenfalls in die Debatte im Sommerloch ein. Bildungsministerin Bulmahn erklärt einige Tage darauf in einem FOCUS-Interview, sie wäre für Studienkonten, damit wäre die Gebührenfreiheit für Deutsche und EU-Bürger im Erststudium gewährt. Langzeitstudierende und Nicht-EU-Ausländer sollten dagegen zahlen.
Anfang September konkretisiert Dräger seine Vorstellungen: BAföG streichen, Studiengebühren einführen und dazu „zinsgünstige“ Volldarlehen, die aber kaum reichen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten (weniger als BAföG). Auch der BDA wollte sich nicht raushalten und plädiert Ende September erneut für Studiengebühren und präsentiert ein „eigenes“ Modell.
Richtig rund ging es dann ab Ende 2004. Hier die chronologische Auflistung der Artikel dazu:
20.10.2004: Studiengebühren jetzt - oder lieber nicht?
04.11.2004: Studierende zeigen Flagge gegen Studiengebühren und für die Verfasste Studierendenschaft
08.11.2004: Hochschulrahmengesetz vor dem Bundesverfassungsgericht - SPD-Länder für Studiengebühren?
09.11.2004: Kippt Bundesverfassungsgericht Verbot von Studiengebühren? Alles Propaganda!
11.11.2004: BMBF sagt nichts zu Studiengebühren-Debatte
15.11.2004: „Die Auseinandersetzung um Studiengebühren ist primär eine politische, keine juristische“ (Interview mit dem früheren Geschäftsführer des Aktionsbündnis gegen Studiengebühren)
15.11.2004: Studiengebühren-Debatte kocht weiter
30.11.2004: Weihnachten wird heiß - Aktionen für Studiengebührenfreiheit
14.12.2004: Hochschulrahmengesetz, Studiengebühren und Verfasste Studierendenschaft
17.12.2004: Föderalismusreform gescheitert - vor allem an der Bildungspolitik
05.01.2005: Verzinstes elternunabhängiges „Studiendarlehen“ statt BAföG?
12.01.2005: Bankkredite für Studiengebühren und Lebensunterhalt?
17.01.2005: Sollen Hochschulen über Studiengebühren entscheiden? Studierende kündigen Proteste an
20.01.2005: 500 Euro Studiengebühren „eine Hausnummer“ (Vorstellung diverser Gebühren-Modelle)
26.01.2005: Bundesverfassungsgericht erlaubt Studiengebühren und Welche Länder Studiengebühren planen
01.02.2005: Wie teuer Studiengebühren und Studium auf Pump werden
03.02.2005: Zehntausend(e) bei Demonstrationen gegen Studiengebühren
09.02.2005: Studienfinanzierungsmodell des BDA frisch aufgebrüht
16.02.2005: Hochschulrektorenkonferenz will Studiengebühren gestalten, aber keine Verantwortung tragen
17.02.2005: CHE, KfW und Stifterverband präsentieren Studiendarlehen-Modell - und wollen Studiengebühren
01.03.2005: Der Zusammenhang von Bildungsfonds, Studiendarlehen und Studiengebühren
21.03.2005: CDU-Studiengebühren-Eckpunkte von allen Seiten kritisiert
28.04.2005: Heiße Proteste gegen Studiengebühren?
Alles danach war dann im Grunde bundeslandspezifisch – siehe dafür die Artikel zu den Bundesländern (siehe Spalte).