Studiengebühren in DeutschlandErst zahlen, dann studieren - Archiv 2000-2003
„Höhepunkte“ seit Anfang 2000 (Chronologisch)
18. Januar 2000: Der rheinlandpfälzische Bildungsminister Zöllner stellt sein Studienkonten-Modell vor. Dies sollte nach seinen Angaben ein Vorschlag für eine bundesweite Regelung sein. Damit Ihr Euch auch genauer informieren könnt, findet Ihr bei uns auch das Grundsatzpapier zu Studienkonten von Zöllner. Wie die Entwicklung inzwischen zeigt, hat das Modell eher den Studiengebührenbefürwortern in die Hände gearbeitet. Soviel also dazu, dass Zöllner sein Modell angepriesen hat, um Gebühren zu verhindern ...
Der Wissenschaftsminister von Baden-Württemberg, Klaus von Trotha (CDU) prescht im Februar 2000 mit einem Modell vor, das ein Kombination aus nachlaufenden Studiengebühren und einer Landesausbildungsförderung (LAföG) zusätzlich zum BAföG vorsieht. Die Gebühren sollen allerdings „nur“ um die 153 € (300 DM) im Semester betragen. Wahrscheinlich auch deswegen, weil andernfalls allgemeine Studiengebühren verfassungsrechtlich nicht durchsetzbar sind, solange über die ZVS Studierende zwangsweise an Hochschulen verwiesen werden. Allerdings ist das LAföG ebenfalls verfassungsrechtlich kaum möglich, da für derartige Leistungen der Bund zuständig ist. Der Koalitionspartner der CDU in BaWü, die FDP, scheint trotzdem recht begeistert von diesem Vorschlag zu sein, möchte dann aber auf die Langzeitstudiengebühr (s.u.) verzichten. Tatsächlich ist nichts von alldem passiert und es war wohl vor allem ein Marketinggag von von Trotha, um im Gespräch zu bleiben und vor allem Studiengebühren zu pushen.
Im Mai 2000 wollte die Kultusministerkonfernz (KMK) ähnlich wie die Bundesbildungsministerin Bulmahn eine Regelung zu Studiengebühren verabschieden, scheiterte aber am Widerstand einiger Bundesländer. Auch die Bundesbildungsministerin Bulmahn machte sich diese Vorschläge in Folge zu eigen, obwohl sie (und die SPD) doch vor Bundestagswahl 1998 noch versprochen hatte, Studiengebühren auszuschließen. Die damligen Vorschläge der KMK finden sich auf einer extra Seite bei uns.
In Hamburg hat seit 1. Oktober 2000 die Bucerius Law School ihren Betrieb begonnen. An dieser Privatuniversität für Rechtswissenschaften studieren ausgewählte Studierende, die bereit sind, 15.000 DM Studiengebühren im Jahr aufzubringen. Dazu ein Ausschnitt aus einem Kommentar aus der taz vom 27. Juli 2000: Aber obwohl die Elite neuerdings so selbstzufrieden auftritt – tatsächlich ist sie panisch. Denn die Grausamkeit der Konkurrenz beschränkt sich nicht auf die Verlierer, auch die Gewinner fühlen sich gefährdet, jederzeit ist ein Abrutschen ins Versagen möglich. (...) Tatsächlich geht es nackt um Sicherheit um die erwähnte „Garantie“, schnell das Examen zu bestehen und einen gut dotierten Job zu ergattern. Die neue Elite wirkt sehr ängstlich.
Ende Juli 2001 (25.7.) hat das Bundesverwaltungsgericht die Gebühren für Langzeitstudierende (bisher nur in Baden-Württemberg erhoben) für rechtmässig erklärt. Die Presseerklärung und das Urteil selbst haben wir hier dokumentiert. Zwar bleibt noch der Gang zum Bundesverfassungsgericht, die Chancen, dort einen anderen Beschluss zu erwirken, scheinen aber gering zu sein, da das Für und Wider von Gebühren eher eine politische denn eine verfassungstechnische Frage ist.
Im Rahmen der Gerichtsentscheidung meldete sich auch Bundesbildungsministerin Bulmahn zu Wort und erklärte, dass sie es legitim findet, von Langzeitstudierenden Gebühren zu erhaben. Und das, obwohl sie vor den Bundestagswahlen 1998 noch getönt hatte, mit ihr werde es ein Verbot von Studiengebühren inkl. der Langzeitstudiengebühren geben. Jetzt ist davon die Rede, Gebühren nur für das Erststudium bis zu einer angemessenen Semesteranzahl zu verbieten – also im Prinzip Langzeitstudiengebühren zu erlauben. Die Reaktion vieler Studierendenverbände: Ein offener Brief mit Rücktrittsforderung an Bulmahn denn das Umknicken bei den Studiengebühren ist nicht das erste gebrochene Versprechen der Ministerin.
Einige Länder spielen nach dem Gerichtsentscheid (und den Äußerungen der Bundesbildungsminsiterin) umso mehr mit dem Gedanken, nach dem Vorbild Baden-Württemberg auch selbst Langzeitstudiengebühren einzuführen.
Anfang September 2001 äußerte sich der niedersächsische Bildungsminister Oppermann in diese Richtung. Fakt ist also, dass der Wind den StudiengebührenkritikerInnen hart ins Gesicht bläst. Dabei haben sie durchaus gute Argumente, auch und im speziellen gegen die Einführung bzw. das Weiterbestehen von Langzeitstudiengebühren. Das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren stellt auf seinen Webseiten einen Flyer im PDFFormat zur Verfügung. Allgemeine Argumente gegen Studiengebühren haben wir bei uns zusammengestellt.
Zum Ende des Jahres 2001 war die Debatte um Studiengebühren wieder verstärkt aufgekocht. Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hatte sich mal wieder mit dem Thema beschäftigt, es gab ein Diskussions-Papier zusammen mit dem unvermeidlichen Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), das schon seit Jahren für allgemeine Studiengebühren plädiert. Es wurde zwar nichts beschlossen, aber offenbar sind auch immer mehr Rektoren für Gebühren bzw. wollen es den Hochschulen freistellen, in Eigenregie Gebühren zu erheben.
Anfang November 2001 verkündeten die Bildungs-MinisterInnen aus NRW und RheinlandPfalz, dass sie in ihren Bundesländern ab spätestens 2004 Studienkonten einführen wollen. Letztlich handelt es sich dabei um eine verfeinerte Variante von Langzeitstudiengebühren.
Im Januar 2002 war aus Schleswig-Holstein zu hören, dass zumindest bei der SPD ebenfalls daran gedacht wird, das Studienkontenmodell auch in diesem Bundesland einzuführen.
Am 25. April 2002 wurde vom Bundestag die sechste Novelle des Hochschulrahmengesetzes verabschiedet, in der Studiengebühren ausgeschlossen werden. Allerdings ist dieses „Verbot“ löchrig: Gebührenfrei soll nur das Erststudium bleiben und dabei auch nur die Regelstudienzeit plus einiger Semester.
Im November 2002 gab es in Baden-Württemberg sogar schon einen Prüfauftrag an die Haushaltsstrukturkomission bezüglich der Einfürung allgemeiner Studiengebühren. Diese Gebühren sollten nach dem Studium zurückgezahlt werden („nachlaufende Studiengebühren“). Das Wissenschaftsministerium ließ jedoch dementieren, das die Einführung solcher Gebühren unmittelbar bevorsteht (was auch wegen der Regelung im Hochschulrahmengesetz wirklich nicht gegangen wäre wogegen das Land klagt).
Anfang November 2003 hatte sich die Debatte um Studiengebühren verschärft, auf Bundesebene durch Vorstöße einiger SPD und Grünen-PolitikerInnen (in beiden Parteien gibt es Parteitagsbeschlüsse gegen Gebühren), in Hessen und Bayern durch Gesetzgebungsverfahren bzw. Diskussion in der regierenden CDU bzw. CSU-Fraktion. Und selbst in NRW wird schon spekuliert. Dazu kommen geplante rigide Sparmaßnahmen insbesondere in Niedersachsen und Hessen. In Berlin gibt es ebenfalls Pläne, weitere Gebühren einzuführen und stark zu sparen.
Das Centrum für Hochschulentwicklung lancierte kurz vor den bundesweiten Studierenden-Demos im Dezember 2003 eine Presseerklärung, dass nach einer im Auftrag des CHE erstellten Forsa-Umfrage nun auch Studierende mehrheitlich für Studiengebühren seien. Wie sich inzwischen herausgestellt hat, hat das CHE die Umfrage mal wieder sehr einseitig gestalten lassen: Studierende nur manipuliert für Studiengebühren (19.12.2003).
Wie ging es danach weiter...
Materialien und Links
Papiere und Beiträge von Studiengebührengegner und -befürworterInnen, Juristisches
- Grundsatzpapier zum Studienkonten-Modell (6.11.2001)
- Eckpunktepapier zum Studienkonten-Modell (6.11.2001)
- Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zu Langzeitstudiengebühren (25.7.2001)
- KMK-Vorschlag (25.5.2000)
- Studienkonten-Modell, erster Entwurf, mit studentischer Kritik dazu (18.1.2000)
Webseiten zum Thema Studiengebühren
Artikel zu Studiengebühren und Streik in Nordrheinwesfalen (Mai/Juni 2002 und später)
Nur Artikel von spiegel.de, da dort die Artikel auch viele Jahre später immer noch leicht aufzufinden.
- Studenten belagerten NRW-Landtag: Rückmeldegebühren sind offenbar vom Tisch (18.6.2002)
- Demo in Düsseldorf: The University streiks back (10.6.2002)
- Gebühren: Studenten sammeln sich zum Massenstreik (5.6.2002)
- Langzeitstudent Oliver Bierhoff (aus dem UniSPIEGEL ONLINE, 22.5.2002)
- „Wer jetzt nicht handelt, wird verkauft“ – Zu den beginnenden Protestaktionen in NRW (18.5.2002)
- UniSPIEGEL ONLINE zu den TUM/CHE-Geheimplänen für Studiengebühren (17.5.2002)
- „Auch die Bastion Nordrhein-Westfalen wankt“ (9.5.2002)