Interview: Wie wird man eigentlich Lektorin?
Als Kind wird man oft gefragt, was man später werden möchte. Für manche ist das die Grundlage für die Entscheidung, welches Studium oder welche Ausbildung sie im Anschluss an die Schule aufnehmen - andere entscheiden sich um. Doch was passiert danach? Wie gelangt man mit dieser Basis zu dem für sich passenden Job? In unserer Interview-Serie stellt Simone Gölz vor, wie Menschen zu ihrem Beruf fanden.
Simone Gölz: Was haben Sie studiert?
Nora Nolt*: Neuere deutsche Literatur und Medien, Anglistik-Literaturwissenschaft auf Magister
Simone Gölz arbeitet als Coach und Karriereberaterin in Hamburg.
Wie war Ihr bisheriger Berufsweg?
Nach dem Studium habe ich in einem Antiquariatsbuchhandel gejobbt, dann 4 Monate Praktikum im PR-Bereich in einem renommierten kleinen Verlag gemacht und dann wieder einige Monate in einer Kochbuchhandlung gejobbt. Anschließend habe ich ein Lektorats-Volontariat (18 Monate) bei einem Hamburger Verlag gemacht.
Welche Studienrichtung würden Sie angehenden LektorInnen empfehlen?
Germanistik ist sicherlich sehr hilfreich, aber im Grunde sollte man hier nach inhaltlicher Neigung studieren. Es gibt wissenschaftliche Verlage, bei denen Naturwissenschaften wichtig sind, politische Verlage, bei denen ein Politikstudium Sinn macht, für Kochbücher ist oft ein Ökotrophologie-Studium Voraussetzung.
Sollte/ Muss man studieren?
Ja, nur selten kommt man über eine Ausbildung in diesen Beruf.
Haben Sie Praktika absolviert?
Ja, eines.
Wie sieht der Einstieg in den Beruf aus?
Es wird auf jeden Fall nach dem Hochschulstudium noch ein Volontariat verlangt, zuvor meist schon ein bis zwei einschlägige Praktika im Verlagsbereich oder ähnlichen Bereichen.
Welche Quellen (z.B. Jobbörsen) haben Sie während der Praktikums- bzw. Jobsuche genutzt?
Welche Voraussetzungen sollte man mitbringen?
Welche Persönlichkeitsmerkmale halten Sie für wichtig?
Lernfähigkeit
Wie sieht ein Arbeitstag / Tagesablauf bei Ihnen aus?
Sehr unterschiedlich je nach Verlags-Phase. Es ist vielleicht einfacher meine Aufgaben mal aufzulisten:
Titelakquise (Lizenzen aus dem Ausland; Titel, die von Literaturagenten angeboten werden; Ideen/Konzepte für Eigenproduktionen bei Sachbuch)
Programmvorschläge vor Verlagsleitung und Vertrieb machen (Verkaufsargumente haben)
gemeinsam mit dem Vertrieb und der Verlagsleitung die Auflagenhöhe bestimmen
Projektmanagement eines jeden Buches; dazu gehört: Teambildung (externe Übersetzer, Setzer, Lektoren, die die Texte redigieren und Korrektoren finden und beauftragen), Timing festlegen und planen, Cover briefen sowie Cover/Klappen- und Vorschautexte verfassen
Titel kalkulieren (Kostenaufstellung etc.) und durchs Controlling bringen
Programmpräsentation erst inhouse und dann vor dem externen Vertreterteam halten
Inhalte ggf. redigieren, Übersetzungen und externes Lektorat überprüfen
Umbruch-/Plotterkontrolle von Inhalten und Covern
Aushandeln von Honoraren und Verträgen bzw. Konditionen (Lizenzen, etc.)
Normale Lektoren-Autorenarbeit, d.h. Text redigieren und mit Autoren absprechen
Zuarbeiten für die Presse-Infos
Cover, Kontakte und Bilder liefern
Pressetexte gegenchecken
Die Einteilung obliegt mir, der Tag beginnt also meistens damit Prioritäten zu setzen und den Tag zu planen.
Anmerkung zum Beruf Lektor:in
Inzwischen ist die Lektorin bzw. der Lektor immer mehr ein:e Produktmanager:in, die/der alles koordiniert. Selten gibt es noch das reinen klassischen Textlektorat, bei dem in Ruhe pro Programm nur drei bis vier Titel betreut werden und hauptsächlich der Text in Form zu bringen ist – diese Arbeit übernehmen meist selbstständige Lektor:innen, die sich darauf spezialisiert haben, Texte zu redigieren und die auch mehr und mehr mit AI/KI arbeiten müssen oder langfristig ersetzt werden könnten. Dessen sollte man sich bei dieser Berufswahl bewusst sein.
Was sind die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
Schwer zu sagen. Im weitesten Sinne wohl das „Produktmanagement“ des Buches. Lektorat im Sinne der Textredaktion (Inhalte in Form bringen) wird meistens ausgelagert, da man diese Arbeit bei der Masse an Titeln nur begrenzt selber leisten kann. Ich redigiere beispielsweise maximal ein bis zwei Titel pro Programm (immer halbjährlich) selbst komplett.
Wie ist das mit dem Verdienst?
In meinem Fall völlig in Ordnung (nach Vorbild der öffentlich-rechtlichen). Volontariate werden aber auch nicht selten sehr gering bzw. unterhonoriert (sind mehr Praktikumsgehälter: 400-600 Euro monatlich), was natürlich problematisch ist, da man recht schnell vollwertig arbeitet und ein Volontariat meist mindestens ein Jahr, oft aber 1,5 - 2 Jahre dauert.
Was würden Sie sagen sind die typischen Klischees über den Beruf Lektor?
Elfenbeinturm
Eigenbrötler
René Schulte - Fotolia.com (stock.adobe.com)
Eher im Hintergrund: LektorInnen kümmern sich primär um die Qualitätssicherung eines Buches.
Gibt es etwas, was Sie an Ihrem Beruf nicht mögen?
Tolle Bücher, die sich nicht verkaufen.
Geringe Anerkennung, da man im Hintergrund agiert und da man sozusagen für die "Qualitätssicherung" verantwortlich ist und einem als Lektorin nicht selten nur die Fehler herangetragen werden.
Oft recht lange Arbeitszeiten, da es zu viel Arbeit für zu wenig Zeit ist.
Was mögen Sie besonders an Ihrem Beruf?
wenn man das fertige Buch zum ersten Mal in der Hand hält
gute Projekt-Teams
schöne Ausstattung
erfolgreiche Titel, Programmplanung/-gestaltung
Welche Gründe haben Sie bewegt Lektorin zu werden?
* Name von der Redaktion geändert
Hinweis: Das Interview wurde vor der ersten Online-Veröffentlichung im April 2009 geführt. Andere Inhalte (Links, Kasten „Anmerkung zum Beruf Lektor:in“) wurden zuletzt am 24. August 2023 aktualisiert.