Kein Weihnachtsgeschenk in HamburgSenat beschließt Studiengebühren-Entwurf
Im Entwurf wird als Datum des In-Kraft-Tretens der 1. Juni 2006 gesetzt. Da das Gesetz noch in der Bürgerschaft diskutiert und schließlich beschlossen werden muss, ist dieser Termin gar nicht unrealistisch.
Problematisch ist jedoch, dass die Gebührenpflicht für Erstsemester schon im Wintersemester 2006/2007 greifen soll, für alle anderen ab Sommersemester 2007. Selbst Baden-Württemberg, dass sein Gesetz schon beschlossen hat, nimmt von allen (auch den Erstsemestern) erst ab Sommersemester 2007 Gebühren.
Gerade diese kurzfristige Einführung könnte ein Anknüpfungspunkt für Klagen gegen die Gebühren sein. Selbst der Präsident der Uni Hamburg hofft darauf, dass der Einführungstermin herausgeschoben wird, da er die Uni organisatorisch nicht in der Lage sieht, die Gebühren schon im Wintersemester 2006/2007 einzuziehen.
Allerdings scheint sich selbst die Wissenschaftsbehörde schon mehr oder weniger darauf einzurichten, dass der Termin der erstmaligen Erhebung auf das Sommersemesters 2007 verschoben wird.
Keine Schuldenbegrenzung
In Niedersachsen und Baden-Württemberg wurde festgelegt, dass es eine Schuldengrenze geben soll. Die zurückzuzahlenden Schulden aus dem normalen BAföG-Darlehen und den Studiengebühren sollen höchstens 15.000 Euro betragen.
Wenn man genauer in die Gesetze schaut, sieht man, dass diese "Schuldengrenze" nur für das sogenannte BAföG-Staatsdarlehen greift. In der Realität werden die Schulden eher höher sein: Wer länger als die Regelstudienzeit braucht (was nach wie vor eher das übliche ist), wird als BAföG-EmpfängerIn vermutlich noch Studienabschlusshilfe in Anspruch nehmen. Dabei erhält man aber nur ein BAföG-Bankdarlehen. Diese Schulden kommen also dazu.
In Hamburg dagegen berücksichtigt man gar keine Schulden. Wissenschaftssenator Dräger zieht sich - wie z.B. bei einer Diskussion an der HAW Hamburg vor kurzem, darauf zurück, dass es im Schnitt ja nur 4000 Euro Schulden seien und die Zinsen für das Darlehen "nach heutigem Stand" unter 5% liegen sollen.
Nur liegen die Zinsen auf einem fast historischen Tiefstand und werden mit ziemlicher Sicherheit wieder steigen. Und die 4000 Euro sind eben nur eine rechnerische Größe, wer Bachelor+Master studiert, ist schon in der Regelstudienzeit auf jeden Fall mit 5000 Euro dabei, Verzögerungen nicht eingrechnet.
Das Darlehen gibt's nicht für jedeN
Laut den ganzen Ländern, die Studiengebühren einführen wollen, reicht es aus, allen Studierenden ein Darlehen anzubieten, um für Sozialverträglichkeit zu sorgen. Dabei wird schon ausgeblendet, dass damit Menschen aus finanzschwächeren Haushalten mit mind. einem weiteren Nachteil ins Berufsleben starten: Schulden.
Die CDU-geführten Ländern schließen darüber hinaus noch ganz pauschal alle vom Darlehen aus, die über 35 Jahre alt sind. Wer in dem Alter noch studieren will, soll gleich zahlen müssen. Das mag für die Masse der Studierenden nicht weiter stören, widerspricht aber ein wenig dem Gerede der Politik vom lebenslangen Lernen.
Bei einer anderen Detailregelung des Hamburger Entwurfe sollte es aber noch offensichtlicher sein, dass Sozialverträglichkeit kaum beachtet wird: Das Darlehen kann nämlich nur für die Regelstudienzeit plus zwei Semester erhalten werden. Dabei muss beachtet werden, dass alle jemals studierten Hochschulsemester berücksichtigt werden.
Wer also nach zwei Semestern wechselt, darf dann nur noch genau die Regelstudienzeit des neuen Semesters brauchen. Dauert's länger, muss in den folgenden Semestern die Studiengebühren immer direkt gezahlt werden.
Auch AusländerInnen können nur dann ein Darlehen erhalten, wenn sie in Deutschland die Hochschulreife erworben haben oder aus der EU bzw. dem Eurpäischen Wirtschaftsraum kommen.
Wer nicht zahlen muss und was dabei für Fragen offenbleiben
Dass Doktoranden, beurlaubte Studierende, MedizinerInnen im Praktischen Jahr, und Studierende von Verwaltungshochschulen (die ja schon vom Staat bezahlt werden) keine Gebühren zahlen müssen, ist nicht verwunderlich. Dafür ist auch kein Antrag nötig, das Gesetz setzt fest, dass es eine Befreiung gibt.
Studierende mit Kindern oder Behinderung müssen jedoch einen Antrag stellen - und zwar vor Beginn der Vorlesungszeit. Was mit Schwangeren sein soll, ist noch unklar - vielleicht wird dies noch ins Gesetz aufgenommen.
Daneben können die Hochschulen - aber ebenfalls nur auf Antrag vor Beginn des Semesters - im Falle unbilliger Härten (über die sicher noch gestritten werden wird) die Gebühren stunden oder erlassen.
Schließlich können die Hochschulen noch eine Satzung erlassen, in der sie weitere Studierende von der Gebührenpflicht befreien. Allerdings dürfen das im wesentlichen nur Studierende sein, die herausragende Leistungen gezeigt haben. Ein anderer Aspekt sind Praxissemester.
Offen ist noch, was mit Auslandssemestern passieren soll. Laut Sabine Neumann, Pressesprecherin der Wissenschaftsbehörde, seien diese implizit mit den Praxissemestern mitgemeint, möglicherweise gibt es dazu noch eine Klarstellung, so dass Hochschulen dann sowohl Studierende in Praxis- wie in Auslandssemestern auf Antrag von den Gebühren freistellen können.
AusländerInnen - die wie weiter oben erwähnt z.T. kein Darlehen erhalten können - können u.U. die Gebühren gestundet werden.
Wechsel des Bundeslandes
Wie schon in allen anderen Studiengebühren-Gesetz(entwürf)en fehlt jede Regelung für den Fall, dass Studierende während des Studiums das Bundesland wechseln. Laut Sabine Neumann, Presse-Sprecherin des Wissenschaftssenators, soll es dazu jedoch eine Regelung zwischen den Bundesländern geben.
Demnach soll das letzte Bundesland mit Studiengebühren, in dem studiert wird, die Verwaltung des Darlehens übernehmen. Damit würde vermieden, dass Studierende sich mit mehreren Stellen über die Rückzahlung verständigen müssen. Trotzdem dürften sich manche Details und Schwierigkeiten erst in der Realität genauer zeigen. Da jedes Land andere Regelungen hat, könnte es auch in Bezug auf Schuldenhöhe und anzuwendende Zinssätze einigen Ärger geben.
Details zum Darlehen nicht im Gesetz
Details zum Darlehen sind im Gesetz nicht festgelegt. Wissenschaftssenator Dräger redete zwar immer davon, dass die Zinsen "zur Zeit" unter 5% liegen würden - im Gesetz gibt es dazu aber keinerlei Verpflichtung. Natürlich kann im Gesetz keine konkrete Prozentzahl stehen (wegen der Schwankungen), es ließe sich aber leicht festlegen, dass der Zinssatz mit X% Aufschlag am Leitzinssatz der Europäischen Zentralbank gekoppelt ist. Selbst das findet sich leider nicht.
Desweiteren bleibt - rein aus dem Gesetz - völlig offen, welche Rückzahlungsraten möglich oder gewünscht sind und ab wann die Rückzahlung ausgesetzt wird.
Zu diesen Punkten äußerte Sabine Neumann, dass mit KfW und Hamburgischer Wohnungsbaukreditanstalt über die Details verhandelt wird und dabei die in der Pressemitteilung genannten Konditionen erfüllt würden. Derartige Details gehörten nicht in das Hochschulgesetz.
Folgende Konditionen sollen demnach gewährt werden:
Das Studiendarlehen muss erst 12 bis 18 Monate nach Beendigung des Studiums zurückgezahlt werden. Es gilt eine Einkommensfreigrenze von 11.520 Euro Netto-Jahreseinkommen.
Für Studierende mit EhepartnerIn und/oder Kindern erhöht sich die Freigrenze. Eine Hochschulabsolventin mit Ehemann und zwei Kindern soll erst ab einem Netto-Jahreseinkommen von 27.720 Euro der Rückzahlungspflicht unterliegen.
Die Rückzahlung kann über 25 Jahre gestreckt werden, die Tilgungsraten sollen flexibel an die jeweilige Lebens- und Einkommenssituation angepasst werden können.
Laut Neumann sollen die Zinsen gedeckelt sein (abhängig vom Zinsstand zu Beginn des Studiums).
Und noch was ...
Ganz nebenbei werden die Hochschulen durch das Gesetz gezwungen, alle Studiengänge, die der Weiterbildung dienen (in Zukunft vor allem Master-Studiengänge, die nicht konsekutiv direkt auf einem bestimmten Bachelor aufbauen), mit Studiengebühren zu belegen. Und zwar mit "mindestens kostendeckenden".
Auch für andere "Leistungen" oder die "Benutzung ihrer Einrichtungen" können die Hochschulen laut dem Gesetzentwurf "laut Satzung" Gebühren und Entgelte nehmen. Es bleibt abzuwarten, was die Hochschulen mit diesem Passus anfangen werden.
- Studiengebühren in Hamburg (Stand der Dinge, ständig aktualisiert)
- Entwurf des "Studienfinanzierungsgesetzes" (direkt von der Wissenschaftsbehörde Hamburg, PDF)
- Studienfinanzierungsgesetz: Studiengebühren sollen Studienbedingungen an den Hamburger Hochschulen spürbar verbessern (Pressemitteilung Wissenschaftsbehörde Hamburg, 20.12.2005)