Baden-Württemberg kopiert SachsenBezahlstudium für Nicht-EU-Ausländer im Ländle
Noch muss keineR überweisen – aber ab Wintersemester 2017/18 könnte es soweit sein. Die grün-schwarze Landesregierung von Baden-Württemberg hat jedenfalls den Weg frei gemacht, fehlt nur noch die Zustimmung des Landtages.
Das ging ja mal hoppladihopp. Der Vorstoß von Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer, Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer erheben zu wollen, ist keine drei Wochen alt – und schon beschlossene Sache. Am Dienstag verabschiedete die Landesregierung den Haushaltsplan für 2017 und gab damit der Grünen-Politikerin für ihr Vorhaben grünes Licht. Studierende von außerhalb der Europäischen Union sollen demnach ab Wintersemester 2017/2018 mit voraussichtlich 3.000 Euro jährlich zur Kasse gebeten werden.
Dämpfer aus Leipzig
Einen Dämpfer erhielt Bauer am selben Tag durch das Verwaltungsgericht Leipzig: Das urteilte zugunsten einer Klägerin, die sich damit erfolgreich gegen das Bezahlstudium für internationale Studierende zur Wehr gesetzt hat. Die Frau aus der Mongolei ist eine von dutzenden Betroffenen an der Leipziger Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy (HMT). Dort müssen Menschen aus Nicht-EU-Staaten seit drei Jahren 1.800 Euro pro Semester für ihr Studium hinlegen. Gemäß dem sächsischen Hochschulgesetz ist das landesweit gestattet, aber lediglich die HMT macht bisher von der Option Gebrauch.
Nach Auffassung der Verwaltungsrichter ist die fragliche Satzung jedoch so schlecht ausgestaltet, dass sie sie für nichtig erklärten. Der Klagenden müssen deshalb die 2014 geleisteten Zahlungen zurückerstattet werden. Diesen Anspruch kann jedoch nur geltend machen, wer gegen die Gebührenerhebung Rechtsmittel eingelegt hat, was nach Lage der Dinge nur auf die mit einem Deutschen verheiratete Mongolin zutrifft. Zugleich ließ das Gericht aber durchblicken, dass ebenso das inzwischen nachgebesserte Regelwerk – ergänzt um Möglichkeiten zur Stundung und Ratenminderung – juristisch zu beanstanden ist. Der Gang vor Gericht erscheint also nach wie vor lohnend.
Sieg mit Abstrichen
Für das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS), das die Klägerin unterstützt hat, ist der Entscheid trotzdem bloß ein Sieg mit Abstrichen. Aus Sicht des Verbands verstoßen Sondergebühren für Ausländer gegen den UN-Sozialpakt und den Gleichbehandlungsgrundsatz in der Verfassung. Auf diese Einwände sei das Gericht „mit keiner Silbe“ eingegangen, bemerkte ABS-Koordinator Kurt Stiegler am Mittwoch im Gespräch mit Studis Online. „Das war eine reine Einzelfallentscheidung und nicht das von uns erhoffte Grundsatzurteil gegen das Kassemachen bei internationalen Studierenden.“ Gleichwohl glaubt Stiegler, dass mit der Entscheidung eine Nachahmung der Praxis in Baden-Württemberg erschwert wird. „Auf alle Fälle verschafft der VG-Beschluss Theresia Bauer keinen Rückenwind. Das Ding ist und bleibt wacklig.“
Tatsächlich liebäugelt die Grünen-Ministerin seit mindestens drei Jahren mit einer Campusmaut für Ausländer im Ländle. Der erste Vorstoß durch ihre Parteikollegin Edith Sitzmann im Sommer 2013 sorgte allerdings für heftige Aufregung und war gegen den damaligen SPD-Koalitionspartner nicht durchsetzbar. Seit Mai dieses Jahres sitzt mit der CDU ein Juniorpartner im Regierungsboot, der Bauers Kurs mit Feuereifer unterstützt.
Salamitaktik
Zur Erinnerung: Die zwischenzeitlich in sieben Bundesländern erhobenen und mittlerweile überall wieder abgeschafften allgemeinen Studiengebühren gingen allesamt auf das Konto unionsgeführter Landesregierungen. Mit Baden-Württemberg könnte nun eines dieser Länder den Rückzug vom Rückzug einleiten und das Modell der Bezahlpflicht wieder salonfähig machen. Bekanntlich verfahren die Gebührenbefürworter dabei gerne nach der Salamitaktik. Man fängt klein an – zunächst mit der Gruppe der Nicht-EU-Ausländer – um dann schrittwiese nachzulegen. Dass dabei ausgerechnet die Grünen vorpreschen, die sich vor vier Jahren noch für das (vorläufige) Ende der Campusmaut haben feiern lassen und auch sonst gerne mit ihrer „Weltoffenheit“ hausieren gehen, entbehrt nicht ein gewissen Komik.
Dass das Grünen-CDU-Kabinett den Plan ausgerechnet an dem Tag durchwinkt, an dem das sächsische Vorbild die rote Karte sieht, dürfte die Angelegenheit für Ministerin Bauer aber nicht leichter machen. Im Vorjahr ließ sich ihr Ministerium noch so vernehmen, das heiße Eisen erst wieder anzupacken, wenn alle Rechtsunsicherheiten geklärt sind. Jetzt scheint juristisch noch immer alles offen.
Grünen-Partei uneins
Dazu kommt, dass Bauer für ihr Projekt heftige Prügel einstecken muss, nicht nur seitens der Opposition, auch aus den eigenen Reihen. Die Grünen-Jugend ist dagegen, die grün-alternativen Hochschulgruppen sowieso, selbst die Bundestagsfraktion rät von dem Vorhaben ab. Dies sei „eine hochschul-, wirtschafts- und sozialpolitisch kontraproduktive Weichenstellung“, äußerte sich der hochschulpolitische Sprecher Kai Gehring unmittelbar nach Bekanntwerden der Pläne. Sein Appell: „Keine Studiengebühren für niemand!“ Obendrein sieht sich die Regierung dem Vorwurf ausgesetzt, fremdenfeindlichen und populistischen Stimmungsmachern in die Karten zu spielen. Die neue SPD-Landeschefin von Baden-Württemberg Leni Breymaier sprach am Wochenende von einer „Verbeugung vor den Rechten“.
Die Gescholtene redet sich indessen mit der „Schuldenbremse“ heraus. Um die einzuhalten, muss ihr Ressort 2017 „Einsparungen“ von 47 Millionen Euro realisieren. Außerdem will Bauer ja nicht nur ans Geld der knapp 25.000 Nicht-EU-Ausländer, auch ein Zweitstudium soll demnächst kosten, 650 Euro pro Semester. Obendrein soll ein Verwaltungskostenbeitrag von zehn Euro fällig werden – für alle. Soviel Gleichheit muss sein. Endgültig entschieden ist derweil noch nichts. Zunächst muss der Stuttgarter Landtag Bauers Vorhaben gutheißen. Seine Haushaltsberatungen nimmt das Parlament im Dezember auf. Noch bleibt also Zeit zum Widerstand.
(rw)