Bauernopfer in Baden-WürttembergStudiengebühren für manche, mehr Verwaltungskosten für alle
Könnte bald in Baden-Württemberg wieder für einige nötig werden: Studiengebühren überweisen
Theresia Bauer ist nicht irgendeine Wissenschaftsministerin. Sie ist Meisterin ihres Fachs. Im Frühjahr hatte sie der Deutsche Hochschulverband (DHV) per Online-Umfrage zur „Wissenschaftsministerin des Jahres“ gekürt. Nicht zum ersten, sondern zum dritten Mal, nach 2013 und 2015. Das macht Eindruck, genauso wie ihr Zeugnis (Note: befriedigend Plus“, 2,62). Der Grünen-Politikerin, seit 2011 Baden-Württembergs Landesministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst, wird darin eine „ausgeprägte Bereitschaft zum Dialog, politische Rationalität, partiell sogar Exzellenz“ bescheinigt.
Partiell exzellent? Von wegen. Was Bauer in ihrem Job leistet, grenzt an „genial“, wenn nicht sogar „magisch“. Tatsächlich ist die Ministerin nämlich Herrin über ein Budget, das sowohl wächst als auch schrumpft. Nach dem vor zwei Jahren unter ihrer Regie fixierten Finanzierungspakt „Perspektive 2020“ erhalten die Hochschulen in Baden-Württemberg von 2015 an 1,7 Milliarden Euro mehr Geld. Das entspricht einer Steigerung der Grundmittel um jährlich drei Prozent bis zum Ende der Dekade. Ab dem nächsten Jahrzehnt verfügen die Unis dann nicht mehr über 2,5 Milliarden sondern satte drei Milliarden Euro.
Schwarze Null über alles
Naja – nicht ganz. Zunächst muss Bauer ihre Habenseite für 2017 nämlich kräftig runterkürzen, um 47 Millionen Euro. Darauf haben sich Grüne und CDU in ihren Haushaltsberatungen verständigt. Das Ganze läuft unter „strukturelle Einsparungen“ mit dem Ziel, im Jahr 2020 nach den Vorgaben der im Grundgesetz verankerten „Schuldenbremse“ keine neuen Kredite mehr aufnehmen zu müssen. Rechnet man den „Konsolidierungsbeitrag“ des Wissenschaftsministeriums auf die nächsten Jahre hoch, schrumpfen die 1,7 Milliarden Euro mal so eben auf unter 1,5 Milliarden Euro zusammen. Aber wozu Erbsen zählen, wenn das Große und Ganze stimmt und am Ende über allem die „Schwarze Null“ steht?
Weil aber Bauer noch mehr für die Studenten rausholen will,holt sie es sich einfach – von den Studenten. Ergo glänzt sie jetzt mit dem Vorschlag, sogenannte Nicht-EU-Ausländer für ihr Studium in Deutschland bezahlen zu lassen. Entsprechende Pläne ihres Hauses wurden Ende der Vorwoche publik. Danach sollten die Gebühren im Schnitt bei 1.500 Euro pro Semester liegen, in Frage kämen auch unterschiedliche Sätze je nach Studiengang. Ein Teil der Einnahmen solle direkt an die Hochschulen gehen, damit diese ihre ausländischen Studierenden besser betreuen und die Abbrecherquote senken könnten.
Von wegen Populismus
Das beweist: Die Ministerin meint es nur gut mit den Betroffenen. Und Vorwürfe, ihr Vorstoß käme im Lichte von Pegida-Aufmärschen, AfD-Höhenflügen und brennender Asylbewerberheime zur Unzeit, sind auch fehl am Platz. Erstens soll die Zahlungspflicht weder für EU-Bürger noch Flüchtlinge gelten. Zweitens nur für solche, die auch Geld haben, denn „klar ist“, so Bauer, „diejenigen, die nur zu uns kommen, weil es in Deutschland billig ist, die werden wir verlieren“. Und drittens ist ihre Idee ja schon vor der „Flüchtlingskrise“ entstanden. Denn bereits 2013 hatte ihre Parteikollegin Edith Sitzmann angeregt, die landesweit rund 7.000 internationalen Studierenden mit 2.000 Euro pro Jahr zur Kasse zu bitten.
Bauer fand das seinerzeit schon gut, ließ die Sache im eigenen Haus prüfen und war drauf und dran, ihr Erfolgsregister um den nächsten Coup aufzupeppen. Schließlich hatte sie erst ein Jahr davor dafür gesorgt, dass von da ab keine allgemeinen Studiengebühren im Ländle kassiert wurden. Für deren Abschaffung und die Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft ließ sie sich denn auch gebührend und zu Recht feiern. Und so hätte es weitergehen können, wäre da nicht die störrische SPD gewesen, die als damaliger Regierungspartner gegen Gebühren für Nicht-EU-Studis wetterte und den schönen Plan zunichtemachte.
„Mehrheit ist sicher“
Die SPD ist immer noch dagegen, aber nicht mehr am Drücker. Stattdessen sitzt seit ein paar Monaten neben den Grünen die CDU als Juniorpartner im Regierungsboot und die ist selbstredend dafür. „Vernünftig“ findet das Vorhaben nicht nur deren Fraktionschef im Stuttgarter Landtag, Wolfgang Reinhart. Zuspruch kommt auch aus dem Unternehmerlager sowie den Hochschulen: „Wenn die Landespolitik nun Wege sucht, die Einnahmen zu steigern, statt Leistungen zu kürzen, ist dies ein richtiger Schritt,“ äußerte sich Wolfram Ressel, Rektor der Stuttgarter Uni und Vorsitzender der Rektorenkonferenz Baden-Württemberg. Und der Wissenschaftsjournalist Armin Himmelrath ist sich jetzt schon sicher: „Es wird eine Mehrheit dafür geben.“
Mal sehen. Zuvor gehören erst noch die ganzen Nörgler überzeugt und – wenn das nicht – ignoriert. Kai Gehring zum Beispiel, hochschulpolitischer Sprecher der Grünen (sic!) im Bundestag, hält den Plan für eine „hochschul-, wirtschafts- und sozialpolitisch kontraproduktive Weichenstellung“. Oder Nicole Gohlke von der Linkspartei (aber die ist in Baden-Württemberg ja nicht weiter wichtig): Die meinte am Montag gegenüber Studis Online, es wäre „das Allerletzte“, dass der Vorschlag von einer Ministerin käme, „die sich noch vor kurzem mit der Abschaffung der Studiengebühren gebrüstet hat“. Dazu noch Andreas Keller, Vizechef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): Der nannte es im Gespräch mit Studis Online ein „Armutszeugnis“, „dass ausgerechnet die grüne Wissenschaftsministerin eines finanziell leistungsfähigen Bundeslands die Einführung von Studiengebühren für Ausländerinnen und Ausländer sowie für das Zweitstudium ankündigt“.
Kostenpflicht für Zweitstudium und mehr Verwaltungskostenbeitrag für alle
Ach ja! Gebühren für ein Zweitstudium will Bauer gleich mit durchsetzen. Für alle, versteht sich, nicht nur für Ausländer. Ihr schweben dabei 650 Euro pro Semester für diejenigen vor, die nach einem Bachelor- und Master-Abschluss ein weiteres Studium anhängen wollen. Deshalb haut auch das Lamento von SPD-Landevizeschefin Leni Breymaier nicht ganz hin, „heute werden die Ausländer zur Kasse gebeten – und morgen die Inländer“. Richtig ist: Nicht nur Asiaten und Afrikaner, auch Deutsche sollen ihren Beitrag zum Gelingen ihres Studiums leisten dürfen – und losgehen soll es auch schon bald, zum Wintersemester 2017/18. Vielleicht auch gleich mit höheren Verwaltungskostenbeiträgen für alle, denn schon zehn Euro mehr wären bei über 350.000 Studierenden lockere sieben Millionen Euro im Jahr.
Fehlen nur noch die notorischen Miesmacher auf Seiten der Studierendenvertreter: „Mit Bauers Plänen werden nicht Kompetenzen, sondern schwarze Zahlen, nicht besonders kluge, sondern besonders reiche Köpfe gefördert“, findet Kurt Stiegler, Koordinator des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (ABS). Die Ministerin forciere die Einführung in einem Hauruck-Verfahren und das noch vor Klärung der Rechtmäßigkeit. „Erst am 25. Oktober entscheidet das Verwaltungsgericht Leipzig über einen Präzedenzfall aus Sachsen.“
Geballte Exzellenz
Tatsächlich ist dort eine Nicht-EU-Ausländer-Campus-Maut auf freiwilliger Basis (der Hochschulen) schon länger in Kraft. Warum soll fürs Ländle schlecht sein, was sich im Freistaat bewährt hat. Gerade ausländischen Mitbürgern wird dort ja ganz besonders freizügig begegnet. Und noch etwas: Als Wissenschaftsministerin amtiert in Dresden Eva-Maria Stange, SPD-Frau und früher einmal GEW-Bundesvorsitzende. Sie rangiert im diesjährigen DHV-Ranking als beste Neueinsteigerin auf Platz drei, hinter Bundesministerin Johanna Wanka (CDU) und Spitzenreiterin Bauer. Mehr „Exzellenz“ auf dem Siegertreppchen geht nicht.
(rw)