Schluss mit PseudowettbewerbPetition gegen Exzellenzinitiative
„Nö!“ sagt auch so mancheR zur Exzellenzinitiative
Am Freitagmorgen hatten knapp 1.300 Menschen den Aufruf „Für gute Forschung und Lehre – Argumente gegen die Exzellenzinitiative“ auf openPetition.de unterstützt. Von da ist es noch ein weiter Weg zum Ziel, das Quorum von 120.000 Stimmen zu erreichen. Allerdings bleiben auch noch 82 Tage Zeit. Wird die Hürde genommen, trägt die Plattform das Anliegen an die zuständigen Parlamente in Bund und Ländern weiter und bittet um Stellungnahme. Eine Verpflichtung der politisch Verantwortlichen, sich mit der Sache zu beschäftigen, geschweige denn Konsequenzen daraus zu ziehen, erwächst aus der Initiative nicht, egal wie erfolgreich sie am Ende sein sollte.
Projekt nicht willkommen
Illusionen, damit mal eben die Exzellenzinitiative zu Fall zu bringen, machen sich die Beteiligten ohnedies nicht. Ihnen geht es darum, ein Signal zu setzen. „Wir wollen zeigen, dass die deutsche Wissenschaft doch in der Lage ist, sich öffentlich zu erklären, wenn etwas nicht stimmt“, äußerte sich Tilman Reitz, Sozialwissenschaftler an der Universität Jena, in der Online-Ausgabe von Spektrum der Wissenschaft. Jetzt sei „sozusagen die letzte Gelegenheit“, noch einmal deutlich zu machen, dass die Verstetigung des Programms „bei großen Teilen der deutschen Wissenschaft nicht willkommen ist“.
Reitz ist so etwas wie der Wortführer der über 100 Erstunterzeichner der Petition, zu denen bekannte Größen wie der emeritierte Elitenforscher Michael Hartmann, der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik und die Berliner Soziologin Sabine Hark zählen. Mit im Boot sitzen auch Organisationen wie die Bundeskonferenz der Sprachlehrbeauftragten, die Initiative „Für Gute Arbeit in der Wissenschaft“ in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, das Netzwerk „Prekäres Wissen“ sowie der studentische Dachverband fzs. Alle gemeinsam wollten sie mit ihrer Erklärung „sichtbar machen, dass die Exzellenzinitiative von vielen Forschenden, Lehrenden und Studierenden in Deutschland klar und deutlich abgelehnt wird“, heißt es im Text der Petition.
Spaltung für immer
Die Entscheidung zur Fortsetzung des milliardenschweren Bund-Länder-Programms über das Jahr 2017 hinaus hatte vor zwei Wochen die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) getroffen. In den kommenden zehn Jahren sollen demnach jährlich rund 500.000 Millionen Euro an „besonders forschungsstarke“ Universitäten verteilt werden. Fördergeld gibt es für sogenannte Exzellenzcluster, also Zusammenschlüsse von Wissenschaftlern oder Instituten, die zu einem Thema fachübergreifend Forschung betreiben. Außerdem sollen acht bis elf herausragende Standorte als „Exzellenzuniversitäten“ pro Jahr mit zehn bis 15 Millionen Euro zusätzlich ausgestattet werden.
Neu ist, dass der Bund künftig dauerhaft in „Eliteunis“ investieren will. Für Kritiker wird damit die Spaltung der deutschen Hochschullandschaft in wenige hochgepäppelte „Leuchttürme“ und einen großen Rest an finanz- und forschungsschwachen Nullachtfünfzehn-Unis forciert und verstetigt. „Die Hierarchisierung des deutschen Hochschulsystems wird durch kein anderes monetär-symbolisches Instrument so stark vorangetrieben“, meinte dazu Reitz. Geldbeschaffung sei „Selbstzweck“ geworden, fehlende internationale Sichtbarkeit das vermeintlich wichtigste Problem. Das drastische Fazit des Soziologen: „Die Exzellenzinitiative ist ein Symptom, aber ein offenkundig bösartiges.“
Fassade statt Qualität
Die zugehörige „Krankheit“ – um im Bild zu bleiben – sehen die Gegner in der zunehmenden Ökonomisierung und Kommerzialisierung des Wissenschaftssystems, wie sie sich beispielsweise in der „unternehmerischen Hochschule“, der exzessiven Drittmitteleinwerbung und den zahllosen Kooperationen mit der Industrie offenbaren. Im Petitionstext ist von einem „Trend zu Pseudo-Märkten im Hochschulsektor“ die Rede. Die Wissenschaftspolitik treibe die Forschenden in eine „künstlich inszenierte Dauerkonkurrenz um staatliche Mittel“. Sie verstärke damit „eine Fassadenkultur der Antragstellung, die Orientierung am Mainstream und prekäre Projekt-Arbeitsverhältnisse in der Wissenschaft“. Tatsächlich gehören Nachwuchswissenschaftler zu den Hauptleidtragenden der Entwicklung. Heute sind Zeitverträge von einem halben bis einem Jahr der Regelfall, weil Forschungsprojekte vielfach an die Drittmittelförderung, auch im Rahmen der Exzellenzinitiative, gekoppelt sind.
Davon betroffen ist auch Kai Koddenbrock, Politikwissenschaftler an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen und einer der Erstunterzeichner der Petition. Seine Anstellung läuft voraussichtlich in zwei Jahren aus, weil diese „wie üblich“ an den Lehrstuhlinhaber gebunden sei. „Die deutsche Uni ist heute eine bizarre Mischung aus feudalen Strukturen mit großen Privilegien bei den Professoren – und wenigen Professorinnen – und einem sinnentleerten Wettbewerb um Forschungsgelder“, bemerkte er im Gespräch mit Studis Online. Für eine gute Forschung und Lehre brauche es weniger feudale Abhängigkeiten und weniger prekäre Beschäftigung. „Dahingehend bewirkt die Exzellenzinitiative rein gar nichts, im Gegenteil: Sie verschärft die Misere.“
Tristesse im Leuchtturm
Die RWTH ist hierzulande so etwas wie die Überfliegeruni schlechthin. In den ersten Runden der Exzellenzinitiative erlangte sie beide Male Elitestatus und heimst auch sonst mit Abstand die meisten Drittmittel ein. Koddenbrock merkt davon nichts. „An unserem Institut kommt von dem vielen Geld nichts an. Unsere Mittel werden immer weniger, die Bibliothek hat seltener geöffnet und wir können kaum noch an Konferenzen teilnehmen“, schilderte er. „Von Exzellenz ist hier nichts zu spüren.“ Bei den Ingenieuren sehe das vielleicht anders aus. „Der Rektor unserer Universität behauptet immer, die Uni wäre eigentlich strukturell pleite. Selbst sogenannte Exzellenzunis sind offenbar chronisch unterfinanziert.“
Beste Bedingungen herrschen nach seiner Darstellung allein in den mit Fördermitteln gepushten Enklaven im Uniapparat. So würden die Nutznießer der Exzellenzcluster „häufig von der Lehre befreit und viel Geld wird in Vorträge internationaler Gäste gesteckt“. Seine persönliche Lage habe sich dagegen vor allem mit der Umstellung auf Bachelor und Master verschlechtert. Sehr viel Zeit gehe für Prüfungen und das Lesen von Abschlussarbeiten drauf. Es sei „pervers“, mit welchen Gedankenspielen man seine Zeit verschwenden müsse – sofern man nicht in einem Exzellenzcluster arbeitet. Koddenbrocks tristes Fazit: „Das intellektuelle Leben an der Uni wird durch Wettbewerb und Zukunftsplanungen erstickt.“
Wissenschaftsfremd und undemokratisch
Politik, Wirtschaft und Wissenschaft rechtfertigen die inzwischen sogar offen als Ziel ausgegebene „vertikale Differenzierung“ des Systems mit der nötigen Profilierung hiesiger Unis im internationalen Wettbewerb. Kritiker ziehen hingegen die unterstellten Fortschritte in puncto Leistung und Qualität, selbst für die geförderten Bereiche, in Zweifel. Vielmehr seien der Diskurs der Exzellenz und die angelegten Kriterien mit der Orientierung an äußerlichen Erfolgsindikatoren „weitgehend wissenschaftsfremd und undemokratisch“, schreiben die Initiatoren. „Die Selbstverwaltung der Wissenschaft und ihre Selbstkontrolle durch Kritik werden schleichend durch die Anpassung an Märkte, eine Rhetorik des Ausgezeichneten und starker Führung ersetzt.“
Die GWK propagiert dagegen die Marschroute, das Programm habe „die Anhebung der Qualität des Hochschul- und Wissenschaftsstandortes in der Breite zum Ziel“. Dem widerspricht der Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi) in einer durch seine Mitgliederversammlung am 27. April verabschiedeten Entschließung: „Die Arbeitsbedingungen in allen Leistungsbereichen (Studium, Lehre, Forschung) des gesetzlichen Hochschulbetriebs diesseits der Exzellenz verschlechtern sich ständig. Dies ist kein Problem unabhängig von der Exzellenzinitiative, sondern wird durch diese noch verschärft.“ Und weiter: „Sie ist ein staatlich inszenierter Pseudowettbewerb, der vor allem die ideologische Legitimationskulisse dafür liefert, finanzielle Zuwächse in einem seit Jahrzehnten unterfinanziertem System nur noch an wenigen Standorten zu konzentrieren.“
Mehr Geld in die Breite
Neben der Einstellung des Projekts fordert der BdWi eine „Wende in der Hochschulfinanzierung zugunsten des grundständigen Betriebs in der Breite des Systems“. Schließlich gebe es auch aus internationalen Vergleichen genügend Hinweise darauf, „dass eine große Zahl gut ausgestatteter Hochschulen für wissenschaftliche Erkenntnisfortschritte und gesellschaftlichen Nutzen produktiver ist als eine kleine Zahl übermäßig ausgestatteter neben einem unterfinanziertem Restsystem“.
Gefragt nach den Erfolgschancen seiner Initiative befand Sozialwissenschaftler Reitz vor einer Woche im Deutschlandfunk: „Also ich glaube, die Aussichten sind nicht besonders gut. Das ist ganz klar. Also die Bildungspolitik wird höchstwahrscheinlich in den einmal eingeschlagenen Bahnen bleiben.“ Trotzdem sei es wichtig, zu zeigen, „hier gibt es Leute, die an den Hochschulen arbeiten und Studierende, die sich wirklich melden und die sagen, wir erklären jetzt öffentlich, wir sind dagegen.“
Noch etwas: Am Freitagmittag lag die Zahl der Unterstützer der Petition bei 1.360, das waren 60 mehr als vier Stunden davor. Der Vorstoß hätte größeren Zuspruch verdient … (rw)