Krieg ist FriedenStreit um Zivilklausel
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An der Universität Bremen ist die Zivilklausel gute alte Tradition. Die Selbstverpflichtung, Forschung und Lehre friedlichen Zwecken zu verschreiben, besteht dort schon seit 1986. Der Schritt hat mittlerweile zwölf Nachahmer gefunden, darunter neben den Hochschulen in Bremen und Bremerhaven die Goethe-Uni Frankfurt (Main), die Technische Uni Berlin oder die Unis Göttingen und Tübingen. Den Vorreiter könnte die Stadt an der Weser vielleicht auch damit geben, demnächst das erste Bundesland mit einer "Lex Pax" zu sein. Tatsächlich stellt die Regierung aus SPD und Grünen gegenwärtig Überlegungen an, das Landeshochschulgesetz um einen Passus zu ergänzen, der es den Hochschulen untersagt, aktive Militär- und Rüstungsforschung zu betreiben.
Lex Pax in Bremen?
Noch ist die Sache aber nicht entschieden. Momentan liegen die Vorstellungen der Koalitionäre über Art und Tragweite der Regelung noch ziemlich weit auseinander. Die Planungen der Sozialdemokraten gehen nach neuerem Stand lediglich dahin, die Hochschulen per Gesetz zu verpflichten, sich selbst eine Zivilklausel aufzuerlegen. Die Grünen warnen in diesem Zusammenhang vor einer "Pseudo-Lösung", eine gesetzliche Regelung müsse vielmehr so gestaltet sein, dass sie Militärforschung auch wirklich ausschließe.
Genau dies hat auf Basis der bislang geltenden reinen Selbstverpflichtung offenbar nicht funktioniert. In der Vergangenheit soll es eine ganze Reihe an Verstößen gegen die Zivilklausel gegeben haben. Für große Aufregung hatte zuletzt die Einrichtung einer Stiftungsprofessur für Raumfahrttechnik an der Uni Bremen mit Unterstützung der auch im Rüstungsbereich tätigen OHB System AG gesorgt. Das Unternehmen produziert unteren anderem Satelliten, die neben zivilen Zwecken auch der militärischen Aufklärung dienen können.
Dual-Use-Problematik
Die dahinter stehende sogenannte Dual-Use-Problematik ist für studentische Aktivisten ein wesentlicher Grund, solchen Firmen den Zugang zu den Hochschulen grundsätzlich zu verbieten. Die Bremer Unileitung argumentierte dagegen damit, der fragliche Forschungsauftrag habe mit Rüstung im engeren Sinn nichts zu tun. Weil es angeblich allein um Grundlagenforschung gehen würde, gab es für das auf zehn Jahre angelegte OHB-Engagement schließlich grünes Licht.
Laut Allgemeinem Studierendenausschuss (AStA) der Uni Bremen ist die Zivilklausel bereits wiederholt missachtet worden. Wie dessen Pressesprecher Max Forster gegenüber Studis Online erklärte, seien jedoch alle Verstöße ungeahndet und ohne Konsequenzen geblieben. "Aufgedeckt wurden die Fälle vor allem durch anonyme Hinweisgeber." Es mangele insgesamt an Transparenz, "aber auch hierfür arbeiten wir an Lösungen". So gebe es Überlegungen, eine Art "Science-Leaks"-Plattform aufzubauen. Einen wirklich wirksamen Schutz gegen Zuwiderhandlungen würde Forster zufolge aber nur eine "echte, substanzielle Zivilklausel", verankert im Landeshochschulgesetz, gewährleisten.
Zivilklausel light
Bei einer Zivilklausel geht es um deutlich mehr, als "nur" die Ablehnung von Atomwaffenforschung.
Dass es so kommt, ist allerdings unwahrscheinlich, denn SPD und Grüne streben allenfalls eine "Zivilklausel light" an. Diese soll zwar eine direkte Zusammenarbeit mit der privaten Rüstungswirtschaft untersagen, Kooperationen mit dem Bundesverteidigungsministerium (BMVg) oder der Bundeswehr – etwa unter dem Label Sicherheits- und Konfliktforschung – könnten damit aber sehr wohl weiterhin gestattet bleiben. Und hiervon würden indirekt am Ende auch die deutschen Waffenproduzenten profitieren, die über Verträge mit dem Ministerium oder der deutschen Armee verbandelt sind.
Forster vom AStA meint denn auch, dass es SPD und Grüne auf "keine echte Zivilklausel" abgesehen hätten, beide wollten lediglich eine "Friedensklausel" etablieren, und das sei ein "bedeutender Unterschied". Bei einer Friedensklausel sei Forschung ausdrücklich erlaubt, die vermeintlich friedlichen Zwecken diene. "Wenn humanitäre Interventionen als friedensschaffende Maßnahme definiert werden, bleibt Rüstungsforschung prinzipiell gestattet."
Grüne Pseudo-Pazifisten
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Rolle der Grünen, die bekanntlich 1999 in Regierungsverantwortung den Einsatz der Bundeswehr als "humanitäre Intervention" im Kosovo-Krieg mitbeschlossen hatten. Die Bremer Grünen-Partei sah bis zuletzt eigentlich gar keine Notwendigkeit für eine Zivilklausel per Gesetz. Vielmehr hält sie die Selbstverpflichtung der Hochschulen eigentlich für ausreichend, eben weil sie in den vom AStA beklagten "Verstößen" nach ihrem sicherheits- und friedenpolitischen Verständnis keine Verfehlungen erkennen kann. Forster gehörte im vergangenen Jahr bei einem Parteitag zu den Antragsstellern für die Verankerung einer substanziellen Zivilklausel im bremischen Hochschulgesetz. Dazu meint er: "Die Debatte wurde vertagt und bis heute nicht zu Ende geführt."
Kieler Unileitung unwillig
In der laufenden Debatte in Kiel verhalten sich die Dinge ganz ähnlich. Dort ist der Arbeitskreis Zivilklausel an der Christian-Albrechts-Universität (CAU) angetreten, eine Selbstverpflichtung zum friedlichen Forschen in der Grundordnung der Hochschule zu implementieren. Der Text soll wie folgt lauten: "Forschung, Studium und Lehre sind zivil, dienen friedlichen Zwecken und sind frei von Kooperationen mit Rüstungskonzernen und militärischen Akteuren." Vorausgegangen war dem Vorstoß eine Umfrage, bei der sich fast drei Viertel der knapp 4000 abstimmenden Studierenden für das Vorhaben aussprachen. Wie Ruben Reid vom Arbeitskreis am Wochenende im Deutschlandfunk sagte, gehe es bei der Initiative zunächst einmal darum, Militärforschung "öffentlich und transparent" zu diskutieren. So müsse etwa der Frage nachgegangen werden, ob dieser Wissenschaftszweig "überhaupt einen langfristigen Ansatz bildet, um Frieden herstellen zu können".
Die Unileitung blockt ab. Eine Zivilklausel greife zu kurz, es sei schwer, Militärforschung zu definieren, der Geldgeber reiche als Bewertungsmaßstab nicht aus, ließ sie verlauten (vgl. z.B. hier). Außerdem könnten gewonnene Erkenntnisse "für gute und für böse Zwecke" genutzt werden. Nur: Wo verläuft die Grenze? Die Uni Kiel soll zwischen 2007 und 2012 im Rahmen von zehn Projekten 2,7 Millionen Euro vom BMVg und der NATO erhalten haben. Laut einem Hochschulsprecher sei mit dem Geld unter anderem der Einfluss von U-Booten auf Meeressäuger untersucht worden.
Forschen für die NATO
Das ist aber wohl nur ein Teil der Wahrheit: Das Internetportal german-foreign-policy.com hatte Anfang Mai berichtet, in Kiel werde im BMVg-Auftrag ein Konzept zur Aufstandsbekämpfung für die Bundeswehr entwickelt. Verlangt werden darin unter anderem die Intensivierung der Auslandsspionage und eine stärkere staatliche Nutzung von Nichtregierungsorganisationen bei Militärinterventionen. Darüber, ob derlei Maßnahmen eine durch und durch friedfertige Stoßrichtung haben, ließe sich trefflich streiten. Für Politikstudent Reid vom Arbeitskreis Zivilklausel steht jedenfalls außer Frage: "Es ist nicht Aufgabe einer öffentlichen Einrichtung, militärische Forschung zu betreiben."
Joachim Krause, Direktor des unieigenen Instituts für Sicherheitspolitik (ISPK), das besagtes Bundeswehrkonzept erarbeitet hat, sieht das freilich anders. In einer ausführlichen Stellungnahme nennt er das Vorhaben eine "politische Mogelpackung", die darauf abziele, Kontakte mit der Bundeswehr oder der wehrtechnischen Industrie "zu diskreditieren und zu unterbinden". Dahinter stehe zumeist die Absicht, Stimmung gegen Auslandseinsätze "im Rahmen von internationalen Friedensmissionen und Missionen der Friedenskonsolidierung" zu machen. Es gehe, so Krause weiter, "um politisch motivierte Einschränkungen der Freiheit von Forschung und Lehre. Das ist für eine freie Universität in einer demokratischen Gesellschaft völlig inakzeptabel."
Friedens- versus Zivilklausel
Aufschlussreich ist, wie der ISPK-Chef den Spieß umdreht und den Aktivisten den schwarzen Peter zuschiebt. Die Zivilklausel sei nämlich gerade "keine Friedensklausel", eben weil ihre Betreiber die deutsche Truppe als vermeintlichen Friedensstifter nicht anerkennen. "Das ist etwas völlig anderes als ein Bekenntnis zum Frieden und diese kleine sprachliche Differenz macht politisch einen enormen Unterschied." Das ist interessant: Denn eine "Friedensklausel" ist schließlich genau das, was die Bewegung für eine "Zivilklausel" nicht will, weil das Konzept zwischen dem Zustand Frieden und den – bei Bedarf auch kriegerischen – Mitteln, diesen zu erreichen, keinen Unterschied macht.
Forster vom AStA der Uni Bremen sieht darin eine große Gefahr. Nach seiner Einschätzung könnte sich die "ursprüngliche Absicht, Rüstungsforschung von den öffentlichen Hochschulen fern zu halten, mit einer Friedensklausel ins Gegenteil verkehren". Wenn die Aufgabe der Bundeswehr, im Rahmen von Auslandseinsätzen, juristisch als friedensfördernd bezeichnet werde, "könnte die Erforschung von Rüstungstechnologie, welche ja dem Schutz der Soldaten dient, als friedensklauselkonform und notwendig definiert werden".
Es gibt heute bereits Stimmen in der Friedensbewegung, für die "Friedensklauseln" und "Zivilklauseln" – ungeachtet der hehren Absichten ihrer Initiatoren – längst ein Feigenblatt sind, die helfen, Kriegs-, Militär- und Sicherheitsforschung mit einem schönen Schein zu verschleiern. Nach Forsters Überzeugung kann deshalb einzig eine gesetzliche Regelung, die den Einfluss von BMVg, Bundeswehr und Rüstungskonzernen gleichermaßen untersagt, sicherstellen, dass die Hochschulen am Ende wahrhaftig nur friedlichen Zwecken verpflichtet sind.
Uni Köln macht nicht mit
Dass dies auf Widerstände stößt, zeigte sich gerade erst an der Universität zu Köln. Auch dort hatten Studierende bei einer Befragung mit großer Mehrheit für eine Zivilklausel votiert, die die Hochschulen anhält, zu einer "friedlichen und zivilen Entwicklung der Gesellschaft" beizutragen. Unter anderem sollten auch Kooperationen mit der Bundeswehr verboten werden. Bis auf weiteres wird daraus nichts werden. In der Vorwoche hat der Akademische Senat eine entsprechende Änderung der Grundordnung mit acht zu zwei Stimmen abgelehnt. Wie es heißt, wurden die beiden studentischen Vertreter vom großen Rest niedergestimmt.
(rw)