Wahlprüfsteine HochschulpolitikAntworten der LINKEN Berlin
BAföG / Studienfinanzierung
Was für eine Position vertreten Sie in Bezug auf die (Weiter-)Entwicklung der finanziellen Förderung von Studierenden durch das BAföG? Könnten Sie sich auch eine grundsätzlichere Reform vorstellen – sei es in Richtung reine Kreditfinanzierung oder in Richtung einer elternunabhängiger Förderung (und entsprechendem Umbau des Unterhaltsrechts und anderer staatlicher Transferleistungen für Familien)?
Die Studienkredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau ("KfW-Studienkredite") lehnen wir ab: Wer nach Studienabschluss einen Schuldenberg fürchten muss, schreckt oft von vorne herein vor der Aufnahme eines Studiums zurück.
Seit dem Sommersemester gibt es das "Deutschlandstipendium", das den "Leistungsstärksten" pro Monat 300 Euro – je zur Hälfte finanziert durch den Bund und private Sponsoren – einbringt.
Wie ist Ihre grundsätzliche Einstellung zu leistungsabhängigen staatlichen Stipendien im Verhältnis zum BAföG?
Wir lehnen das Nationale Stipendienprogramm / Deutschlandstipendium der schwarz-gelben Bundesregierung ab. Es handelt sich dabei um einen großen und teuren Etikettenschwindel. 300 Mio. € jährlich hat die Bundesregierung dafür vorgesehen. Dazu kommen rund 100 Mio. € für Steuervergünstigungen, denn die privaten Spender können ihren Anteil steuerlich absetzen, so dass dieser keineswegs 50 % beträgt, sondern allenfalls bei 32% liegen dürfte. Für die Verwaltungskosten werden noch einmal ca. 30 Mio. € veranschlagt. Diese 430 Mio. € wären in einer BAföG-Erhöhung besser aufgehoben. Für die letzte hat der Bund gerade 202 Mio. € zur Verfügung gestellt. Das steht in keinem Verhältnis.
Völlig inakzeptabel ist es, dass die Stifter dann auch noch darüber bestimmen sollen, welche Fächer und welche Hochschulen das Geld erhalten. Das ist die Feudalisierung der staatlichen Studienfinanzierung. Dieses Programm verstärkt die Dominanz "wirtschaftsnaher" Fächer und fördert zudem die Ungleichentwicklung unserer Hochschulen, indem es beiträgt, Hochschulen in strukturschwachen Regionen weiter abzuhängen.
Universitäts- / Hochschulentwicklung
Die Universitäts- und Hochschulentwicklung der letzten Jahre orientierte sich in starkem Maße am Leitbild der "unternehmerischen Hochschule im weltweiten Wettbewerb", wie es vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) propagiert wird. Dieses Leitbild steht jedoch derzeit in Frage. Im Koalitionsvertrag von SPD und Grünen in Baden-Württemberg wird bspw. festgehalten, dass es "noch nie zu den Hochschulen gepasst" habe.
An welchen Leitlinien sollte sich die Hochschulentwicklung Ihrer Meinung nach orientieren?
DIE LINKE setzt auf eine "offene Hochschule", getragen vom Humboldtschen Bildungsideal der Verbindung von Lehre und Forschung und vom Gedanken eines lebenslangen Lernens. Eine "offene Hochschule", die in soziale Netzwerke eingebunden ist, der Chancenungerechtigkeit im Bildungswesen entgegen tritt und den Wettbewerb um die bessere wissenschaftliche Leistung fördert. Eine Hochschule, die international ist, auf den Prinzipien von akademischer Selbstverwaltung, Partizipation und Chancengleichheit basiert und Verantwortung für die demokratische und soziale Gesellschaft übernimmt.
Die LINKE ist grundsätzlich gegen Studiengebühren. Für Berlin haben wir die Studiengebührenfreiheit gegen jeden Widerstand durchgesetzt und mit der LINKEN wird das Studium in Berlin auch in Zukunft gebührenfrei bleiben.
Im Zuge der forcierten Einwerbung von "Drittmitteln" durch Universitäten und Hochschulen kommt es in den letzten Jahren auch verstärkt zu Kooperationen zwischen privaten Konzernen und öffentlichen Universitäten und Hochschulen. Exemplarisch können der "Sponsor- und Kooperationsvertrag" zwischen Deutscher Bank und TU und HU Berlin (siehe hier) und die geheime Forschungskooperation zwischen Bayer HealthCare AG und Universität Köln (siehe hier) gelten.
Wie bewerten Sie diese Fälle und wie sieht Ihr wissenschaftspolitisches Programm in Bezug auf solche Kooperationen aus?
Drittmittel sind ein wesentlicher Bestandteil der Finanzausstattung unserer Hochschulen. Aber die ausreichende Finanzierung unserer Hochschulen bleibt öffentliche Aufgabe. Die Autonomie unserer Hochschulen darf nicht über finanzielle Abhängigkeiten von privaten Sponsoren ausgehebelt werden.
Hier ist auch die akademische Selbstverwaltung in der Verantwortung, um eine solche schleichende Privatisierung unserer Hochschulen zu verhindern.
An immer mehr öffentlichen Universitäten und Hochschulen wird Rüstungs- oder anderweitig militärisch relevante Forschung betrieben. Gegen diese Entwicklung regt sich vielerorts Widerstand und es wird die Einrichtung von "Zivilklauseln", die die Verpflichtung, ausschließlich Forschung für "zivile Zwecke" zu betreiben, beinhalten. Wie stehen Sie dazü
DIE LINKE unterstützt die Einrichtung einer solchen Zivilklausel. Auch hier sind die Selbstverwaltungsgremien unserer Hochschulen in der Verantwortung.
Wie bewerten Sie die derzeit bestehenden demokratischen Strukturen innerhalb der Hochschulen? Sehen Sie Entwicklungsbedarf und wenn ja, welchen? Wie stehen Sie zu der Forderung eine Viertelparität zwischen Studierenden, Mittelbau, Technischem Personal und Professoren in allen Gremien festzuschreiben?
Die weitere Demokratisierung der Hochschulen ist die Voraussetzung für die weitere Stärkung ihrer Autonomie und Bedingung für den zunehmenden Verzicht auf die direkte Detailsteuerung durch Gesetzgeber und Wissenschaftsverwaltung. Ziel linker Hochschul- und Wissenschaftspolitik bleibt die umfassende und demokratische Partizipation aller am Wissenschaftsprozess Beteiligten.
DIE LINKE setzt sich ein für eine viertelparitätische Beteiligung von Professorinnen und Professoren, Studierenden, akademischen sowie sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den satzungsgebenden Hochschulorganen. Unter dieser Voraussetzung sollen Hochschulen ihre weitgehende Autonomie nutzen und zur Stärkung und Kompetenzerweiterung demokratisch verfasster Gremien eigene Modelle der akademischen Selbstverwaltung einführen.
Hochschulfinanzierung
Der Anteil der staatlichen Grundmittel für die Finanzierung der Hochschulen ist von 1980 bis 2007 von 72,3 auf 50,1 Prozent gesunken, während im gleichen Zeitraum die Finanzierung über Drittmittel- und Verwaltungseinnahmen deutlich zugenommen haben.
Wie stehen Sie dazu, dass die öffentliche Finanzierung der Hochschulen in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr zurückgefahren wurde und wie gedenken Sie die Haushaltspolitik im Bereich der Hochschulen zu gestalten?
Bildung und Wissenschaft zählen zu den Schwerpunkten rot-roter Stadtpolitik. Nachdem in den neunziger Jahren mehr als 500 Mio. € an den Hochschulen eingespart wurden und FU und TU fast die Hälfte ihrer Professuren verloren, hat Rot-Rot den Abwärtstrend schrittweise umgekehrt. 2010 bis 2013 ist der jährliche Aufwuchs mit 3,5 % für die Hochschulen im Berliner Haushalt überproportional hoch. Die Hochschulverträge 2010 bis 2013 garantieren den Hochschulen einen Zuwachs von mindestens 334 Mio. € und Planungssicherheit. DIE LINKE hält daran fest, künftig eine Gleitklausel in den Verträgen zu vereinbaren, die Kostensteigerungen abfedert, die außerhalb der Verantwortung der Hochschulen liegen und von ihnen nicht beeinflussbar sind.
Der fehlende Ausbau der Ressourcen für den Bildungsbereich wird politisch in der Regel mit fehlenden Ressourcen begründet. Sehen Sie Alternativen zu der aktuellen Spar- und Kürzungs-Haushaltspolitik (Austeritätspolitik), die in Form der "Schuldenbremse" mittlerweile ins Grundgesetz aufgenommen wurde und wenn ja, welche?
Die hohen Schulden, die wir von unseren Vorgängerregierungen geerbt haben, belasten weiterhin den Haushalt unserer Stadt und natürlich bleibt die finanzielle Lage weiter angespannt. Durch den konsequenten Konsolidierungskurs seit unserem Regierungseintritt waren wir nicht nur in der Lage, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, sondern konnten auch mit der Rückzahlung der Schulden beginnen und gleichzeitig die finanziellen Handlungsspielräume für eine soziale Stadtpolitik erweitern. Die jüngste Wirtschaftskrise hat allerdings auch um Berlin keinen Bogen gemacht. Die weiterhin unsoziale Steuerpolitik der Bundesregierung auf der einen und die Schuldenbremse auf der anderen Seite zeigen ebenfalls ihre Auswirkungen. Wir lehnen die Schuldenbremse ab, weil sie wachstumshemmend und damit krisenverschärfend wirkt. Die wachsende Staatsverschuldung rührt nicht von zu hohen Ausgaben, sondern von zu geringen Einnahmen. Die Steuersenkungen auf Bundesebene haben vor allem Gutverdienende und Unternehmen entlastet. Länder und Kommunen verzeichnen gravierende Mindereinnahmen.
DIE LINKE streitet deshalb in Berlin wie im Bund für eine Steuerpolitik, durch die Unternehmen und Menschen mit hohem Einkommen wieder angemessen an der Finanzierung der öffentlichen Aufgaben beteiligt werden. Die landesrechtlichen Spielräume zur Verbesserung der Einnahmesituation sind zwar sehr beschränkt – aber auch hier will DIE LINKE tun, was sinnvoll ist: Die Einführung einer Steuer auf Hotelübernachtungen (Betten-Steuer) ist rechtlich ebenso zu prüfen, wie eine Anpassung der Gewerbesteuer und die personelle Verstärkung der Berliner Finanzämter. Die Anzahl der Steuerprüfer soll wirksam erhöht werden, um endlich Steuergerechtigkeit, die auch die hohen Einkommen erfasst, herzustellen.
Gesunde Haushalte brauchen eine gute wirtschaftliche Entwicklung. Ohne nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum und eine sozial gerechte Steuerpolitik auf Bundesebene wird es keine Konsolidierung der Haushalte geben können, weder in Berlin noch im Bund.
Studienorganisation
Der Bachelor-Abschluss wird aktuell für viele Studierende zur Sackgasse, da es vielfach nicht genügend Master-Studienplätze gibt, um die Nachfrage zu decken. Wie stehen Sie zu der Forderung, den Anspruch auf einen Master-Studienplatz im eigenen oder einem verwandten Fach gesetzlich zu verankern?
Die bisherigen Erfahrungen mit der Bologna-Reform zeigen, dass die Qualität und die Akzeptanz des Bachelor-Abschlusses verbessert werden müssen. Wir wollen mehr Selbstbestimmung, Flexibilität und Durchlässigkeit auch in den neuen Studiengängen. Die Bachelor-Studiengänge müssen dem Anspruch der Bologna-Reform endlich gerecht werden und zu einem Abschluss führen, der eine breite gesellschaftliche Akzeptanz findet. Diese Akzeptanz drückt sich auch durch die Bereitstellung attraktiver Arbeitsplätze in Wirtschaft und öffentlichem Sektor aus. Darüber hinaus muss eine Fortführung des Studiums über den bedarfsgerechten Ausbau von Master- Studienplätzen ermöglicht werden. Besonders dringlich ist der Ausbau von Masterstudienplätzen, wenn ein solcher Abschluss für die Berufsausübung unmittelbar notwendig ist.
Die Forderung, den Anspruch auf einen Master-Studienplatz im eigenen oder einem verwandten Fach gesetzlich zu verankern, ist jedoch problematisch. Sie dürfte rechtlich wohl nicht durchsetzbar und praktisch auch kaum umsetzbar sein.
Die Reformierung der Studienstruktur im Zuge des Bologna-Prozesses ist weiterhin umstritten. So wird u.a. von Seiten der TU 9 (Zusammenschluss der neun größten Technischen Universitäten Deutschlands) eine Rückkehr zum Diplom gefordert und Studiengänge wie Medizin oder Jura immer noch mit den alten Abschlüssen angeboten.
Sollte es den Hochschulen ermöglicht werden, souverän über die Struktur und die Abschlüsse ihrer Studiengänge zu entscheiden?
Hier ist mit Studienstruktur vermutlich die Unterscheidung zwischen Diplom- und Magisterstudiengängen und den gestuften Bachelor- und Masterstudiengängen gemeint. Denn im übrigen liegt die Verantwortung für die Erstellung der Rahmenstudien- und - prüfungsordnungen sowie die für die Studien- und Prüfungsordnungen der jeweiligen Studiengänge bei den Hochschulen, die sich an der grundlegenden Struktur der Studiengänge orientieren. Nur die Rahmenstudien- und –prüfungsordnungen bedürfen in Berlin der Zustimmung der für die Hochschulen zuständigen Senatsverwaltung, bei der auch die Rechts- und Fachaufsicht liegt. Ein dauerhaftes nebeneinander Bestehenbleiben von gestuften BA/MA-Studiengängen und Diplom- und Magisterstudiengängen würde dem Anliegen der Bolognareform widersprechen. Ein Studienortwechsel oder ein Wechsel des Studiengangs dürfte allein schon in Deutschland und noch mehr in Europa eine Fortsetzung des Studiums für die Studierenden erheblich erschweren oder aufwendige Anerkennungsverfahren nach sich ziehen.
Wie wollen Sie die Hochschulen für Menschen ohne Abitur öffnen?
Die Berliner Hochschulen sind bereits für Menschen ohne Abitur geöffnet.
Mit dem im Mai 2011 vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossenen "Gesetz zur Modernisierung des Hochschulzugangs und zur Qualitätssicherung von Studium und Prüfung" wurde die "Zugangsberechtigung zum Studium für beruflich Qualifizierte ohne Abitur" über die bisher in Berlin bestehende fachgebundene Studienberechtigung hinaus deutlich erweitert.
Bisher bestand für beruflich Qualifizierte nur ein fachgebundener Zugang. Nach der Umsetzung der neuen Regelungen haben Studierwillige mit einer geregelten Aufstiegsfortbildung wie Meister oder Fachschulabsolventen ein Zugangsrecht, das dem einer allgemeinen Hochschulzugangsberechtigung entspricht. Aber auch für beruflich Qualifizierte ohne Aufstiegsfortbildung werden die Zugangsvoraussetzungen spürbar vereinfacht.
Das im alten Gesetz noch vorgesehene Probestudium entfällt ganz. Darüber hinaus wird auch eine direkte Zugangsmöglichkeit für besonders vorgebildete beruflich Qualifizierte zu Masterstudiengängen eröffnet.