Hintergrundtexte zum Thema Bildungsstreik und -reformBildung und Humankapital
Über den Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi)
Seit seiner Gründung 1968 engagiert sich der BdWi für eine Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung. Er bezieht auf Kongressen, in wissenschaftlichen Publikationen und politischen Stellungnahmen öffentlich Position zu Fragen von Wissenschaft, Forschung und Hochschulentwicklung. Im BdWi haben sich über tausend Natur-, Geistes- und SozialwissenschaftlerInnen zusammengeschlossen. Sie alle verbindet ihr gemeinsames Interesse an einer emanzipatorischen Wissenschafts- und Bildungspolitik.
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Vorbemerkung zum Text
Der Begriff ›Humankapital‹ wurde 2004 von einem sechsköpfigen Gremium aus Sprachwissenschaftlern zum "Unwort des Jahres" gewählt. Sie begründeten ihre Wahl wie folgt: "Der Gebrauch dieses Wortes aus der Wirtschaftsfachsprache breitet sich zunehmend auch in nichtfachlichen Bereichen aus und fördert damit die primär ökonomische Bewertung aller denkbaren Lebensbezüge, wovon auch die aktuelle Politik immer mehr beeinflusst wird. Humankapital degradiert nicht nur Arbeitskräfte in Betrieben, sondern Menschen überhaupt zu nur noch ökonomisch interessanten Größen."
Unter vielen Mainstream-Wirtschaftswissenschaftlern stieß diese Wahl auf Unverständnis, sei doch "der Produktionsfaktor Humankapital die entscheidende Wachstumsdeterminante in einer Wirtschaft überhaupt" (Jürgen Donges, Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik, Universität Köln) und die Juroren "geistige Totengräber unserer Volkswirtschaft" (Klaus Zimmermann, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin) (www.dradio.de).
Als der Begriff in den 1960er Jahren Einzug in die Wirtschaftswissenschaft erhielt, stand noch ein anderes Motiv im Vordergrund, "nämlich der Versuch, die Bedeutung des ›menschlichen Faktors‹ in ökonomische Modelle auf eine angemessene Weise zu berücksichtigen", so Ulf Banscherus in seinem Beitrag "Die Humankapitaltheorie: Entstehung und Funktionswandel". Banscherus geht in dem Text einerseits auf die Bedeutung des Begriffs, andererseits aber auch auf seine Verwendung als "politisches Instrument" ein und bietet so einen Einstieg in die Beschäftigung mit dem Thema. Ergänzt werden seine Ausführungen durch eine kommentierte Literaturliste mit weiterführenden Artikeln.
Die Humankapitaltheorie: Entstehung und Funktionswandel
Das Konzept des Humankapitals spielt bei der Begründung bildungspolitischer Entscheidungen eine wichtige Rolle – sowohl beim Ausbau des Bildungswesens als auch bei der Einführung von Studiengebühren. Ulf Banscherus gibt einen Überblick über das dahinter stehende theoretische Modell und skizziert den Verlauf der politischen Debatte.
» ... jede Menge Humankapital«
Der Berliner Liedermacher Funny van Dannen hat mit der Zeile »Und wenn es diese Leute gar nicht gäbe, das wäre für mein Lied egal, denn es gibt ja jede Menge Humankapital« die weit verbreiteten Vorbehalte gegenüber dem Humankapitalbegriff sicher gut getroffen, gilt dieser doch spätestens seit der wenig schmeichelhaften Kür zum »Unwort des Jahres« 2004 als Inbegriff des inhumanen Neoliberalismus‘, der die Relevanz von Menschen auf den Warenwert ihrer Arbeitskraft reduziert und auf diese Weise die Menschenwürde grundsätzlich in Frage stellt. Dabei hatte am Beginn der eher zweifelhaften Karriere ein ganz anderes Motiv gestanden, nämlich der Versuch, die Bedeutung des ›menschlichen Faktors‹ in ökonomische Modelle auf eine angemessene Weise zu berücksichtigen.
Bildung als ökonomischer Faktor
Hinweis: Dieser Text ist zuerst erschienen in:
Himpele, Klemens / Bultmann, Torsten (Hg.): Studiengebühren in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. 10 Jahre Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS): Rückblick und Ausblick.
Weitere Informationen und Bestellmöglichkeit: http://www.bdwi.de/show/1771954.html.
In den 1950er und 1960er Jahren stellten ÖkonomInnen fest, dass eine alleinige Betrachtung der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital die unterschiedlichen Wachstumsraten des Bruttoinlandsproduktes in verschiedenen Ländern, insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern, nicht vollständig erklären konnte. Weitergehende Analysen führten zu einer Einbeziehung der Bildungsbeteiligung der Erwerbsbevölkerung – zunächst als externer Faktor, da der Zusammenhang von Bildung und Arbeitsproduktivität noch nicht vollständig erkannt wurde. Bildung als ökonomischer ›Faktor x‹ stand am Beginn eines neuen ökonomischen Erklärungsansatzes, der Wachstumstheorie. In den folgenden Jahrzehnten wurde Bildung vom additiven Effekt zu einer Kerndimension ökonomischen Denkens, vor allem durch die differenzierte Analyse des Einflusses von Bildungsprozessen auf die Produktivität des einzelnen Unternehmens und der Leistungsfähigkeit der gesamten Volkswirtschaft. Dieser Aspekt stellte auch ein wesentliches Motiv der Bildungsexpansion der 1960er und 1970er Jahre dar, die keineswegs nur sozial, sondern auch stark ökonomisch motiviert war. Neben dem Begriffspaar Bildung und Produktivität hat sich seit den 1990er Jahren in der wissenschaftlichen und politischen Diskussion die Kombination der Begriffe Forschung und Innovation etabliert. In einer kurzfristigen Betrachtung der ökonomischen und gesellschaftlichen Effekte von Forschung und Entwicklung wird allerdings häufig eine unmittelbare Kausalität unterstellt, die empirisch kaum belegbar ist, denn eine Erhöhung der öffentlichen bzw. privaten Mittel für Forschung und Entwicklung in dem einen Jahr führt keinesfalls automatisch im anderen Jahr zu erfolgreichen Innovationen, die fabelhafte Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens oder einer Volkswirtschaft haben. Im Gegenteil brauchen Innovationen einen langen Atem und ein eher größeres Quantum Glück. Die neuere wissenschaftliche Literatur hat deshalb den Begriff der Innovationsfähigkeit eingeführt, der die Voraussetzungen für die Möglichkeit von Innovationen beschreibt. Dem Konzept der Innovationsfähigkeit zufolge erhöhen langfristige Investitionen in Forschung und Entwicklung, aber eben auch in Bildung und Weiterbildung, die Wahrscheinlichkeit, dass Innovationen nicht nur entwickelt, sondern auch umgesetzt werden können. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit aber keinesfalls mit einer erwartbaren Entwicklung zu verwechseln. Ein hoher Bildungsstand der Erwerbsbevölkerung und leistungsfähige Bildungs- und Forschungsinstitutionen liegen somit auf Grund der höheren Innovationschance also langfristig auch im ökonomischen Interesse der Wirtschaft. Während dieser Zusammenhang unter der Überschrift des ›Capacity Building‹ mittlerweile in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit weitgehend akzeptiert ist und teilweise auch erfolgreich umgesetzt wird, gelten Investitionen in die Bildung insbesondere in Deutschland als Hindernis auf dem Weg zur kurzfristigen Haushaltskonsolidierung. Dass dies auch und gerade aus einer ökonomischen Perspektive ein falscher Ansatz ist, wird unter anderem daran deutlich, dass zu den schärfsten KritikerInnen des gegliederten deutschen Schulsystems mittlerweile ausgerechnet die OECD gezählt werden muss, die nun nicht unbedingt zu den WirtschaftsskeptikerInnen gerechnet werden kann.
Bildungsrendite als politisches Instrument
Eine Ursache der zumindest stagnierenden Ausgaben für die Bildungspolitik ist in Deutschland sicherlich in der starken Dominanz einer mikroökonomischen Variante der Humankapitaltheorie zu suchen, derzufolge Bildung in erster Linie einen Nutzen für das Individuum hat, indem ein höherer Bildungsgrad als Voraussetzung für ein höheres individuelles Einkommen betrachtet wird. In dieser Verengung der Betrachtung ist es nur folgerichtig, dass die für den individuellen Nutzen notwendigen Investitionen auch privat finanziert werden sollen – etwa in Form von Studiengebühren. Diese Denkweise unterstellt allerdings, dass spätestens im Alter von zehn Jahren die Entscheidung für den Übergang eines Kindes zu einer weiterführenden Schule auf der Grundlage der erwarteten zukünftigen Bildungsrendite, also des Verhältnisses der Bildungskosten und des entgangenen Erwerbseinkommens während der Bildungsphase (›Opportunitätskosten‹) zum möglichen Erwerbseinkommen, getroffen wird und noch dazu die Erwartungen hinsichtlich des Lebenszeiteinkommens weitgehend realistisch sind. Bildungsentscheidungen aufgrund von sozialer Herkunft, Interesse oder Unsicherheit spielen in diesem Modell genauso wenig eine Rolle wie eine Veränderung der Arbeitswelt oder der gesellschaftliche Nutzen von Bildung. Die Annahmen der neoliberalen Verengung des Humankapitalansatzes auf die Bildungsrendite sind aus der Perspektive der empirischen Bildungsforschung schlicht und ergreifend als grober Unfug zu betrachten. Denn sicher spielt das mögliche Einkommen eine gewisse Rolle bei der Entscheidung für oder auch gegen die weitere Bildungsbeteiligung, dieser Aspekt wird allerdings von sozialstrukturellen und biografischen Einflussfaktoren in erheblicher Weise überlagert. Somit ist ein Versuch der Legitimation von Studiengebühren über die (mikroökonomische) Humankapitaltheorie zwar theoretisch möglich, aber nur unter weitgehender Ausblendung der ursprünglichen Erkenntnisse der (makroökonomischen) Wachstumstheorie in Bezug auf den überindividuellen Effekt von Bildungsprozessen. Die Unterstellung einer reinen Orientierung am individuellen ökonomischen Nutzen von Bildungsprozessen bedeutet also nicht nur eine vollständige Ignoranz der bestehenden Unsicherheit hinsichtlich zukünftiger Wandlungsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft, sondern auch eine zwar theoretisch denkbare, aber empirisch unplausible, Herauslösung des Individuums aus seinem sozialen Kontext.
Gesellschaftliche Relevanz von Bildung
Interessant ist dagegen, dass seit etwa Mitte der 1990er Jahre ausgerechnet im anglo-amerikanischen Raum und somit quasi im Kernzentrum des ›flexiblen Kapitalismus‹ Argumentationen erheblich an wissenschaftlicher, aber auch politischer Relevanz gewonnen haben, die die ›externen Effekte‹ von Bildung stärker in den Fokus nehmen. Unter der Überschrift »Wider Benefits of Learning« wurde beispielsweise in Großbritannien in verschiedenen Studien eindrucksvoll ein positiver Zusammenhang zwischen einem hohen Bildungsgrad der Bevölkerung und einer niedrigen Kriminalitätsrate sowie einer guten Gesundheitssituation nachgewiesen. Auf diese Weise führen höhere Bildungsinvestitionen zu niedrigeren Kosten in den Bereichen der inneren Sicherheit und der Krankenversicherung. Obwohl diese Einspareffekte kaum messbar sind, da die Kosten nach dem beschriebenen Modell erst gar nicht entstehen können, hat der Ansatz der »Wider Benefits of Learning« in Großbritannien dennoch eine hohe politische Relevanz erreichen können. So wurde mit diesem Argument auch die Kampagne der seit 1997 amtierenden Labour-Regierung zur Erhöhung der StudienanfängerInnenquote begründet, die sich unter anderem in einem europaweiten Spitzenwert bei der Gewinnung von ›nicht-traditionellen‹ Studierenden niedergeschlagen hat. Die Studienaufnahme von beruflich Qualifizierten gilt in der Hochschulforschung als Indikator für die soziale Durchlässigkeit eines Hochschulsystems. Einer ähnlichen Argumentation folgt die unter anderem in den USA weit verbreitete Theorie des Sozialen Kapitals. Ihr zufolge trägt eine hohe Bildungsbeteiligung zu einer hohen sozialen Kohäsion einer Gesellschaft bei. Die Sozialkapitaltheorie hat in der internationalen Diskussion beispielsweise ihren Niederschlag im regelmäßig von den Vereinten Nationen gebildeten »Human Development Index« gefunden, der neben der ökonomischen Leistungsfähigkeit eines Landes auch den Wert sozialer Gleichheit und weiterer Faktoren misst. Wenig beachtet wird in der Diskussion über die Humankapitaltheorie, dass auch die seit den 1970er Jahren immer bedeutsamer werdenden soziologischen Ansätze des Habitus und der sozialen Praxis, die wichtige Impulse für die Ungleichheitsforschung geleistet haben, im Kern ebenfalls auf eine spezifische Form des Humankapitalansatzes zurückgehen. Allerdings in einer differenzierten und explizit die sozialen Kontexte einbeziehenden Weise, indem das Konzept auf der Trias von »ökonomischem«, »kulturellen« und »sozialen« Kapital basiert.
Humankapital als politischer Begriff
In der sozialwissenschaftlichen Theoriebildung findet sich also ein weites Spektrum von Ansätzen, die sich mit dem Zusammenhang von Bildung und gesellschaftlichen bzw. sozialen Entwicklungsprozessen beschäftigen. Es ist somit keinesfalls zwingend, die ökonomischen Wirkungen von Bildungsprozessen ausschließlich mit der mikroökonomischen und neoliberal zugespitzten Variante der Humankapitaltheorie zu beschreiben und anderen, durchaus verwandten, Ansätzen wie der Wachstumstheorie oder dem Habitusansatz die Erklärungskraft abzusprechen. Wer also ›die‹ Humankapitaltheorie für ihre (oder seine) Argumentation in Anspruch nimmt, muss deutlich machen, von welchen ergänzenden Annahmen sie (oder er) bei der Analyse von ökonomischen und gesellschaftlichen Prozessen ausgeht. Der eingangs zitierte Funny van Dannen bezieht sich in seinem Lied aber weniger auf die wissenschaftstheoretische Diskussion als vielmehr auf Humankapital als politischen Kampfbegriff. In die gleiche Richtung geht die Begründung der Jury zur Wahl von »Humankapital« als »Unwort des Jahres« 2004, indem sie für die öffentliche Diskussion eine »Degradierung« nicht nur der Arbeitskräfte in den Betrieben, sondern der Menschen insgesamt zu rein ökonomisch relevanten Größen konstatiert. Eine Reduktion der Menschen auf ihre Qualifikationen und ihr Wissen unter der Überschrift ›Humankapital‹ bedeutet also nicht nur eine weitere Verstärkung der Marx'schen Entfremdung des Menschen von seiner Arbeit, sondern darüber hinaus sogar eine Entfremdung (oder vielleicht sogar Enteignung) des Menschen von seiner Arbeitskraft, der einzigen »Ware«, die er im Angebot hat. Bei der Trennung von UrheberIn und Wissen spielen auch die neuen technischen Möglichkeiten zum Speichern und zur Weitergabe von Wissen eine große Rolle.
Humankapital als mehrdimensionales Konzept
Bildungspolitisch ist also zwischen der (wissenschaftlichen) Humankapitaltheorie und ihrer (politischen) Funktion zu unterscheiden. Im politischen Raum hat die Humankapitaltheorie eine hohe Relevanz zur Legitimation bildungspolitischer Entscheidungen. Hierbei ist allerdings im Zeitverlauf ein erheblicher Wandel festzustellen: Galt es in den 1960er Jahren noch das »katholische Arbeitermädchen vom Lande« zur Beteiligung an höherer Bildung zu motivieren – wohlgemerkt keineswegs aus Menschenfreundlichkeit, sondern vor allem, um einem drohenden Fachkräftemangel vorzubeugen –, so hatte die Humankapitaltheorie seit Mitte der 1990er Jahre die Aufgabe, einen wichtigen Beitrag zur Legitimation einer Übertragung der neuen gesellschaftlichen Leitmotive von allgegenwärtiger Konkurrenz und stärkerer Eigenverantwortung auf nahezu den gesamten Bildungsbereich von der Berufsausbildung und dem Studium bis zur Weiterbildung zu leisten. In beiden Epochen präsentierte sich die Humankapitaltheorie also durchaus als Kind ihrer Zeit, indem sie in den keynesianistischen 1960ern als Begründungsmuster für eine verstärkte Staatsaktivität diente und seit den neoliberal geprägten 1990ern zunehmend als Argument für einen Rückzug des Staates aus der Bildungspolitik herhalten musste. Die Humankapitaltheorie ist also vielseitig anwendbar: Sie liefert auf einer eher makroökonomischen Ebene gute Argumente für eine aktive staatliche Politik verstärkter Bildungsinvestitionen, während sie zugleich durchaus auch für eine stark zugespitzte Eigenverantwortungsrhetorik okkupiert werden kann. Diese mikroökonomische Lesart funktioniert aber nur bei einer Entkontextualisierung des Individuums verbunden mit einer Entsubjektivierung des Wissens. In diesem Modell wäre es dann tatsächlich egal, wie es um die Menschen bestellt ist, solange ausreichend Humankapital zur Verfügung steht.
Der Humankapital-Begriff im Bildungsbereich: Kommentierte Literaturliste
Ingrid Lohmann beleuchtet in einem Artikel aus dem Jahr 2007 die politische Funktion des Begriffs ›Humankapital‹. So schreibt Lohmann: "Wir erleben seit etwa 1980, verstärkt seit den 1990er Jahren, eine marktorientierte Monetarisierungsoffensive, die den Bildungsbereich zusammen mit anderen öffentlichen Sektoren rund um den Globus in betriebswirtschaftliche Strukturen zwingt." In ihrem Beitrag ordnet Lohmann die Ökonomisierungstendenzen auch international ein und nimmt Stellung zu Instrumenten wie der PISA-Studie. Im Kern sieht Lohman ›Humankapital‹ daher auch als politischen Kampfbegriff.
Lohmann, Ingrid (2007): Privatisierung von Bildung. Was bedeutet eigentlich »Humankapital«?, Online verfügbar unter: https://www.studis-online.de/HoPo/Hintergrund/humankapital.php.
Monika Witsch beleuchtet in einem Beitrag für die NachDenkSeiten aus dem Jahr 2008 die Bedeutung von Wissen in der Wissensgesellschaft. Sie stellt dabei heraus, dass dieser Zugewinn vor allem auch eine Anpassung an bestehende Strukturen (des Arbeitsmarkts) bedeuten und eben nicht zwangsläufig progressiven pädagogischen Konzepten folgen. Es geht um eine optimale Nutzung der Humanressourcen, mithin um eine Maximierung des Humankapitals. Ein Instrument zu dieser Optimierung ist dabei das Lebenslange Lernen. Witsch macht auch deutlich, dass das Risiko des Versagens auf das Individuum übertragen wird.
Witsch, Monika (2008): Ökonomisierung von Bildung und Privatisierung von Bildungspolitik – Pädagogische An- und Einsprüche., Online verfügbar unter http://www.nachdenkseiten.de/?p=3036.
In der Debatte um die Einführung von Studiengebühren, wie sie in den Jahren 2003ff. stattfand, spielte der Begriff des Humankapitals ebenfalls eine Rolle. Klemens Himpele machte 2004 in einem Beitrag für Forum Recht darauf aufmerksam, dass die "Investition in das eigene Humankapital" via Studiengebühren den Bildungsbegriff selbst verändert, da schließlich auch der "Return on Investment" stimmen müsse, sich die Investition demnach lohnen muss. Die Investition muss man sich zum einen leisten können – zum anderen trägt man auch individuell das Risiko der Investition. Wenn später eben doch kein (adäquater) Arbeitsplatz zur Verfügung steht, dann ist daran nicht der Arbeitsmarkt, sondern die individuelle Fehlinvestition schuld.
Himpele, Klemens (2004): Über Studiengebühren und ihre Erscheinungsforme, Online verfügbar unter: http://www.forum-recht-online.de/2004/204/204himpele.htm.
Georg Fülberth hat 2004 in der Frankfurter Rundschau das Thema Humankapital vor dem Hintergrund der Eliten- und Brain-Drain-Debatten beleuchtet. Er beschreibt dabei auch das Phänomen, dass gut ausgebildete sogenannte Spitzenkräfte aus anderen Regionen abgezogen werden. "Die Osterweiterung der EU wird noch einmal den Brain Drain in das - formelle oder informelle - Kerneuropa erleichtern. Das ist ein volkswirtschaftlicher Glücksfall: (Human-)Kapital wird gebildet, ohne daß vorher groß investiert werden muß." Es geht demnach weniger um die Menschen als Ganzes als vielmehr um ihre Nützlichkeit. Damit beleuchtet Fülberth den Standortwettbewerb, der eben auch beim ›Humankapital‹ zunehmend stattfindet.
Fülberth, Georg (2004): Humankapital, Online verfügbar unter http://www.bdwi.de/texte/94270.html